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Narkolepsie als schwerwiegende Nebenwirkung der Grippeimpfungen bei Kindern und Jugendlichen

Die Hauptstrategie zur Prävention und Kontrolle der pandemischen und saisonalen Grippe ist seit 60 Jahren die Grippeschutzimpfung (1). Über die geringe Wirksamkeit der Grippeschutzimpfungen allgemein (2) und die Impfung gegen Schweinegrippe speziell haben wir berichtet (3, 4). Eine ordentliche Erfassung von UAW im Zuge der Massenimpfung gegen Schweinegrippe erfolgte besonders in den skandinavischen Ländern, wo auch die Impfdichte sehr hoch war.

Die Narkolepsie ist eine seltene Schlaf-Wach-Störung, die durch Tagesschläfrigkeit und Kataplexien (plötzlicher Verlust des Muskeltonus durch starke Gefühle) gekennzeichnet ist (5). Sie ist eine schwerwiegende Erkrankung, die persönliche und soziale Entwicklungen von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigen kann. Außerdem wird die Unfallgefahr erhöht. Die geschätzte Prävalenz dieser Erkrankung liegt in den westlichen Ländern nach bisherigen Kenntnissen bei 20-50 pro 100.000 Einwohnern der jeweiligen Bevölkerung (6, 7). Die Ursache ist unbekannt, aber die Assoziation mit dem HLA-Subtyp DQB1*0602 legt eine autoimmune Genese nahe (8). Da aber nur wenige Träger dieses HLA-Subtyps tatsächlich eine Narkolepsie entwickeln, werden auch exogene Faktoren als Auslöser diskutiert (7).

Im August 2010 wurde erstmals in Schweden und Finnland auf einen möglichen Zusammenhang zwischen der Impfung gegen Schweinegrippe (Pandemrix®) und dem Auftreten von Narkolepsie, meist mit Kataplexie bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam gemacht. Danach wurden solche Beobachtungen auch aus anderen Ländern, z.B. auch aus Deutschland, gemeldet (9). Durch eine Registerstudie aus Finnland wurde eine 12,7-fache Erhöhung der Inzidenz für Narkolepsie in Assoziation mit der Schweinegrippeimpfung (Pandemrix®) festgestellt (10). Auch in Irland wurde in einer Kohortenstudie ein 13-fach erhöhtes Risiko für Narkolepsie in Assoziation mit diesem Impfstoff gefunden (11). In Frankreich und Irland war auch für Menschen über 19 Jahre das Risiko für Narkolepsie erhöht. Bis August 2012 wurden in Europa über 600 Fälle von Narkolepsie im Zusammenhang mit der Schweinegrippeimpfung gemeldet, davon über 100 bei Erwachsenen (12). Aufgrund dieser Entwicklung wurde eine Studie zur Hintergrundsrate von Narkolepsie vom VAESCO (Vaccine Adverse Events Surveillance and Communication) in Zusammnenarbeit mit dem ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control) gestartet, um das Risiko dieser Erkrankung durch die Impfung besser einschätzen zu können. Hierzu wurden jetzt Ergebnisse veröffentlicht (13).

Diese dynamische retrospektive Kohortenstudie hatte zum Ziel, die Inzidenz von Narkolepsie in verschiedenen europäischen Ländern (Dänemark, Finnland, Italien, Niederlande, Schweden und England) im Zeitraum zwischen 2000-2010 zu erfassen. In dieser Studie wurden 2.608 Erkrankungen an Narkolepsie in 280 Millionen Personenjahren identifiziert. Die Gesamt-Inzidenz war 0,93 (95%-Konfidenzintervall = CI: 0,9-0,97) pro 100.000 Personenjahre. In der Altersgruppe 5-19 Jahre war die Inzidenz der Narkolepsie nach dem Start der Massenimpfung gegen Schweinegrippe deutlich erhöht gegenüber den Jahren zuvor. Die Raten für die verschiedenen Länder waren wie folgt: 1,9 (CI: 1,1-3,1) für Dänemark, 6,4 (CI: 4,2-9,7) für Finnland und 7,5 (CI: 5,2-10,7) für Schweden. In den Ländern, in denen die Impfdichte geringer war, konnte diese Assoziation nicht nachgewiesen werden. Gerade ist im BMJ eine Arbeit erschienen, die das hier gezeigte deutlich erhöhte Risiko für Narkolepsie nach Schweinegrippeimpfung auch bei englischen Kindern und Jugendlichen bestätigt (14).

Fazit: Die bisher größte epidemiologische Arbeit zur Narkolepsie präzisiert die Häufigkeit dieser Krankheit in Europa und belegt die Zunahme nach der Schweinegrippeimpfung mit Pandemrix®.

Literatur

  1. Davenport, F.M.: JAMA 1962, 182, 11. Link zur Quelle
  2. AMB 2012, 46,09. Link zur Quelle
  3. AMB 2012, 46,10. Link zur Quelle
  4. AMB 2009, 43,67. Link zur Quelle
  5. http://www.pei.de/DE/arzneimittelsicherheit-vigilanz/.. pharmakovigilanz/bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/sik-bulletin-teaser-1-2011.html Link zur Quelle
  6. Ahmed, I.,und Thorpy, M.: Clin. Chest Med. 2010, 31, 371. Link zur Quelle
  7. Longstreth,W.T., et al.: Sleep 2007, 30, 13. Link zur Quelle
  8. Fronczek,R., et al.: Sleep Med. Rev. 2009, 13, 9. Link zur Quelle
  9. Paul Ehrlich Institut: Link zur Quelle
  10. Nohynek, H., et al.: PLoS One2012, 7, e33536. Link zur Quelle
  11. O’Flanagan, D., et al.: Finalreport of National Narcolepsy Study Steering Committee Department of Health.Ireland 2012. Link zur Quelle
  12. http://vaesco.net/vaesco/results.html Link zur Quelle
  13. Wijnans, L., et al.: Vaccine2013, 31, 1246. Link zur Quelle
  14. Miller, E., et al.: BMJ 2013, 346, f794. Link zur Quelle