Die japanischen Medien empören sich darüber, daß die dortige Arzneimittel-Kontrollbehörde seit Herbst 1995 insgesamt 39 Todesfälle bei 5430 mit dem Tumormittel Irinotectan Behandelten verschwiegen hat, obwohl der Hersteller ihr diese gemeldet hat. Der behauptet allerdings, er habe die Ärzte nicht ohne Zustimmung der Behörde informieren können. Wie weise vorausschauend waren doch die Alsdorfer Richter, die im Contergan-Einstellungsbeschluß ein Recht des Patienten auf volle Risikoinformation postulierten! Die Versuchung, unangenehme Information über Arzneimittel zurückzuhalten, besteht weltweit. Im September letzten Jahres beriefen Health Action International und die Dag-Hammarskjöld-Stiftung eine internationale Arbeitsgruppe nach Uppsala ein, um Leitlinien zu „Transparenz und Verantwortlichkeit in der Arzneimittelkontrolle“ zu erarbeiten. Als Grundprinzip wurde festgelegt: „Prinzipiell müssen alle Informationen über Arzneimittel, die eine Behörde gesammelt hat, für jeden interessierten Menschen frei zugänglich sein.“ Einzige Ausnahme: Schutz des Patienten und des nicht patentierbaren „Know-how“ des Herstellers. In den USA und einigen anderen Ländern ist dies als „Freedom of Information“ längst Gesetz. Hierzulande muß das zuständige Gesundheitsministerium in Anhörungen und parlamentarischen Fragen immer wieder abgemahnt werden, Patienten und Ärzte besser und schneller über Arzneimittelprobleme zu unterrichten. Obwohl das Verwaltungsgericht Berlin schon 1980 befand, daß „Vielmehr…ein legitimes Informationsinteresse der – fachbezogenen – Öffentlichkeit am Gegenstand der Erörterung (besteht)“, fanden in den letzten Jahren – anders als früher – keine öffentlichen Sondersitzungen der Bundesoberbehörde zu Arzneimittelrisiken mehr statt. Da hilft auch nicht, daß unsere Kollegen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einzelnen Kollegen bereitwillig und umfassend Auskunft geben. Nach letzten Nachrichten scheint die Geheimniskrämerei nicht nur Risiken, sondern auch die therapeutische Wirksamkeit von Arzneimitteln zu betreffen. Als das BfArM im Bundesanzeiger ein Verzeichnis jener Altarzneimittel veröffentlichen wollte, deren Nachzulassungsanträge nach § 105 AMG zurückgewiesen werden sollen, weil ihre Wirksamkeit nicht belegt werden kann, wurde es vom BMG zurückgepfiffen. Im Bundestag begründete die Parlamentarische Staatssekretärin dies wie folgt: „Eine amtliche Veröffentlichung derjenigen Arzneimittel, für die die pharmazeutischen Unternehmer die Anträge auf Verlängerung nach §105 Abs.Sc AMG zurückgezogen haben, ist nach Auffassung der Bundesregierung zulässig. Die Bundesregierung beabsichtigt jedoch derzeit keine solche Veröffentlichung.“ Industrieinteressen vor Patientenschutz?