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Ist das Lesen medizinischer Fachzeitschriften „wirksam“?

Die Kenntnis der Ergebnisse wichtiger, aktueller klinischer Studien im jeweiligen Fachgebiet ist sicher eine Grundlage für gute Patientenversorgung. Eine interessante Untersuchung von C.F. Kellett et al. (Lancet 1996, 348, 479) ging der Frage nach, was von der Lektüre medizinischer Fachzeitschriften im Gedächtnis haften bleibt. Für die Befragung wurden während Fortbildungsveranstaltungen auf freiwilliger Basis 140 Ärzte für Allgemeinmedizin als regelmäßige Leser des wöchentlich erscheinenden British Medical Journal (BMJ) und 21 Orthopäden als Leser des zweimonatlich erscheinenden Journal of Bone and Joint Surgery (JBJS) ausgewählt.

Die Allgemeinärzte wurden 11 bis 13 Tage nach Erscheinen des BMJ in einem anonymen Fragebogen nach ihren Lesegewohnheiten befragt und die Erinnerung an den Inhalt von acht wissenschaftlichen Originalarbeiten überprüft. Gab ein Teilnehmer an, er habe einen Artikel gelesen, so folgten Multiple-Choice-Fragen über Titel, Inhalt und Zusammenfassung der Publikation. Die 21 Orthopäden wurden sechs Wochen nach dem Erscheinen ihrer Publikation in gleicher Weise befragt.

In der BMJ-Studie gaben 105 (75%) der 140 Allgemeinärzte an, die Originalarbeiten oder zumindest die Abstracts gelesen zu haben. Allerdings konnten nur 50 (35%) von ihnen auch nur eine der gestellten Fragen (selbst zu den Zusammenfassungen) richtig beantworten. Lediglich Fragen zu den mit Fotos illustrierten Falldarstellungen auf der letzten Seite des BMJ wurden von 74% der Leser dieser Kolumne richtig beantwortet. In der Orthopädenbefragung konnten nur drei (14%) von 21 Ärzten eine Frage zum JBJS richtig beantworten. Die Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß beim ungerichteten Querlesen von Fachzeitschriften, auch durch Spezialisten, nur wenig im Gedächtnis haften bleibt und daraus nicht in jedem Fall ein Verbesserung der klinischen Praxis resultiert.

Ob die Fülle der Information und die zunehmende Zahl von Publikationen zum „Abschalten“ führt, die Präsentation der Arbeiten verbesserungswürdig ist oder die Autoren nur Pech bei der Auswahl der Leser hatten, muß offen bleiben. Wir hoffen, daß die Lektüre des ARZNEIMITTELBRIEFS mit seinen ausgewählten und kritisch kommentierten Kleinen Mitteilungen zu höheren Erinnerungsleistungen führt. Es ist außerdem anzunehmen, daß beim gezielten Lesen ausgewählter Artikel mit Bezug zur klinischen Praxis die Lesemotivation größer und das Gedächtnis verläßlicher ist.