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Leserbrief: Vitamin D 3 oder Vitamin-D 3 Derivate zur Behandlung der Osteoporose?

Frage von Dr. B.S. aus Hildesheim: >> Sind Alfacalcidol und Colecalciferol zur Behandlung der Osteoporose gleichermaßen gut einsetzbar, oder ist einer von beiden Wirkstoffen vorzuziehen? << Antwort: >> Einer der wichtigsten allgemein akzeptierten Grundsätze in der Behandlung der Osteoporose ist die ausreichende Zufuhr von Kalzium mit der Nahrung (oft Substitution erforderlich), auch wenn diese allein – wie viele Studien gezeigt haben – oft nicht ausreicht, die Knochenmasse zu erhalten bzw. zu erhöhen oder die Frakturrate zu senken. Zur Steigerung der intestinalen Kalziumresorption wird zudem die Gabe von Vitamin D bzw. Vitamin-D-Metaboliten oder -Analoga empfohlen.

Vitamin D3 (Cholecalciferol, Colecalciferol) wird unter der Einwirkung des UV-Anteils im Sonnenlicht aus 7-Dehydrocholesterin in der Haut gebildet. In geringerem Maße (ca. 10 %) wird es auch mit der Nahrung dem Körper zugeführt. In der Leber wird es danach zu 25-Hydroxycolecalciferol (Calcifediol) hydroxyliert und anschließend in der Niere (aber auch in anderen Organen, z.B. im Knochen) durch weitere Hydroxylierung zum Hormon 1,25-Dihydroxycolecalciferol (Calcitriol), der wichtigsten Wirkform, aktiviert. Dieser zweite Hydroxylierungsschritt ist enzymatisch sehr fein geregelt (z.B. Förderung durch Parathormon, Hypokalziämie; Hemmung durch Hyperkalziämie, Hyperphosphatämie und Calcitriol selbst). Eine der wichtigsten Wirkungen von Calcitriol ist die Aktivierung der Kalziumresorption, die über intestinale Rezeptoren in der Mukosa vermittelt wird. Aus diesem Grund ist die o.g. zusätzliche Gabe von Colecalciferol (D-Tracetten, Dekristol, Ospur D3, Vigantoletten u.a.), Calcifediol (Dedrogyl) oder des Vitamin-D-Analogons 1-alpha-Hydroxycolecalciferol (Alfacalcidol = Bondiol, Doss, EinsAlpha), die alle im Organismus zu Calcitriol metabolisiert werden, bzw. die Gabe von genuinem Calcitriol (Rocaltrol) sinnvoll. Dies gilt besonders dann, wenn – wie bei älteren Menschen nicht selten – ein Colecalciferol-Mangel (1 ), eine verminderte Aktivität der renalen 1-Hydroxylase (2, 3) oder ein Mangel an Calcitriol-Rezeptoren (4, 5) vorliegt. Ob nun in dieser Situation Colecalciferol, Calcitriol oder Alfacalcidol (das in der Leber zu Calcitriol hydroxyliert wird) vorzuziehen ist, wurde bisher nicht in einer Studie untersucht, in der mehrere dieser Substanzen miteinander verglichen wurden. Zudem bestehen Probleme darin, welche Dosierungen und welche Endpunkte (Knochenmasse, Frakturen) bei welcher Form der Osteoporose verglichen werden sollten. Deshalb sind bezüglich der Wirksamkeit von Vitamin D bzw. seiner Derivate in der Therapie der Osteoporose nur unbefriedigende Überkreuz-Vergleiche verschiedener Studien bzw. nur theoretische Erwägungen möglich.

Colecalciferol plus Kalzium wurde in klinischen Studien bei Osteoporose sowohl positiv wie auch negativ bewertet (z.B. 6, 7). Gleiches gilt für die 1-hydroxylierten Vitamin-D-Derivate, obwohl in der Literatur die positiven Ergebnisse bei dieser Behandlung überwiegen (z.B. 8-12; s.a. AMB 1989, 23, 53; 1992, 26, 77; 1995, 29, 25). Wahrscheinlich läßt sich der gewünschte Effekt einer verbesserten Kalzium-resorption sowohl mit Colecalciferol als auch mit den 1-hydroxylierten Vitamin-D-Derivaten (Alfacalcidol, Calcitriol) erreichen. Bei einem Vitamin-D-Mangel, der im Alter häufig ist und der bei der senilen Osteoporose eine wichtige pathogenetische Rolle spielt, ist Colecalciferol sicher eine Therapieoption. Bei Niereninsuffizienz muß mit einem renalen 1-Hydroxylase-Mangel, d.h. einer verminderten Bildung des Vitamin-D-Hormons Calcitriol, gerechnet werden. In dieser Situation ist aus theoretischen Gründen die Behandlung mit Calcitriol (nach Beseitigung eines Colecalciferol-Mangels) bzw. mit Alfacalcidol vorzuziehen. Die 25-Hydroxylierung (und damit Aktivierung) von Alfacalcidol in der Leber ist sehr wahrscheinlich kein kritischer Schritt, selbst bei eingeschränkter Leberfunktion oder hohem Lebensalter. Zu beachten ist bei jeder Therapie mit Vitamin D oder seinen Derivaten, daß Hyperkalziämien vermieden werden müssen, speziell bei der vergleichsweise langen Halbwertzeit von Colecalciferol. << Literatur

1. Chapuy, M.C., et al.: Brit. Med. J. 1994, 308, 1081.
2. Slovik, D.M. et al.: N. Engl. J. Med. 1981, 305, 372.
3. Tsai, K.S., et al.: J. Clin. Invest. 1984, 73, 1668.
4. Ebeling, P.R., et al.: J. Clin. Endocrin. Metab. 1992, 75, 176.
5. Koren, R., et al.: J. Bone Miner. Res. 1992, 7, 1057.
6. Chapuy, M.C., et al.: N. Engl. J. Med. 1992, 327, 1637.
7. Storm, T., et al.: N. Engl. J. Med. 1990, 322, 1265.
8. Tilyard, M.W., et al.: N. Engl. J. Med. 1992, 326, 357.
9. Ott, S.M., und Chesnut, C.H.: Ann. Intern. Med. 1989, 110, 267.
10. Orimo, H., et al.: Bone Miner. 1987, 3, 47.
11. Poullies, J.M., et al.: Clin. Rheumatol. 1992, 11, 492.
12. Yoh, K., et al.: Osteoporosis 1993. Fourth Int. Symposium on Osteoporosis and Consensus Conference, Hong Kong. Abstract 125.