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Medikamentöse Therapie der akuten Ösophagusvarizenblutung. Terlipressin oder Somatostatin?

Die akute Ösophagusvarizenblutung (ÖVB) ist eine der Haupttodesursachen bei Patienten mit Leberzirrhose. Die Letalität wird in Abhängigkeit von der Leberfunktion mit bis zu 35% angegeben. Verschiedene therapeutische Maßnahmen sind bei ÖVB etabliert. Grundsätzlich können sie in endoskopisch-interventionelle Verfahren (Sklerosierung, Gummibandligatur, Fibrinklebung usw.) und medikamentöse Therapie unterteilt werden. Daneben kann mit Kompressionssonden (z.B. Sengstaken-Blakemore-Sonde) akut eine Blutstillung erreicht werden. Bei Patienten mit akuter ÖVB und zusätzlich vorhandenen Fundusvarizen ist eine endoskopische Therapie der Ösophagusvarizen problematisch, da durch Blockierung des venösen Abstroms aus den Ösophagusvarizen der Druck in den Fundusvarizen erhöht wird und dort eine Blutung ausgelöst werden kann. Es ist allgemein akzeptiert, daß Blutungen aus Fundusvarizen nicht durch Ligatur oder Sklerosierung mit Polidocanol behandelt werden sollen. In dieser Situation ist die lokale endoskopische Injektion von Kunststoffharzen (Histoacryl) oder Fibrin möglich. Vor diesem Hintergrund muß der Wert einer systemischen medikamentösen Therapie der ÖVB diskutiert werden. Die systemische Gabe von Somatostatin scheint den endoskopischen Therapieverfahren, mit denen in mehr als 85% eine primäre Stillung der ÖVB erreicht werden kann, gleichwertig zu sein (s.a. AMB 1996, 30, 23). Neben Somatostatin wird auch Terlipressin zur Therapie der ÖVB eingesetzt. Terlipressin ist ein langwirkendes Vasopressinderivat, das bei systemischer Applikation zu einer deutlichen Drucksenkung im Stromgebiet der Pfortader und zu einer Abnahme des Blutflusses in portosystemischen Kollateralen führt. Aufgrund seiner lang anhaltenden Wirkung reicht die Applikation alle vier Stunden aus, um einen kontinuierlichen hämodynamischen Effekt zu erzielen.

Feu, F., et al. verglichen in einer randomisierten Doppeltblindstudie (Gastroenterology 1996, 111, 1291) die Wirkung von Somatostatin (kontinuierliche Applikation von 250 µg/Stunde nach einem Bolus von 250 µg) mit Terlipressin (2 mg i.v. alle vier Stunden 48 Stunden lang). Folgende Zielkriterien wurden untersucht: 1. Primäre Blutstillung; 2. Häufigkeit von Rezidivblutungen innerhalb von einer bzw. sechs Wochen nach primärer Blutstillung und 3. die Letalität nach sechs Wochen. In die Studie wurden 161 Patienten (Terlipressin-Gruppe: n = 80; Somatostatin-Gruppe: n = 81) mit akuter bzw. Zeichen der stattgehabten akuten ÖVB (Koagel auf Varizen oder Blut im Magen und Ausschluß anderer Blutungsquellen) aufgenommen. Ausschlußkriterien waren wegen möglicher Aggravierung durch die Prüfmedikation: bekannte koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlußkrankheit, arterielle Hypertonie, chronische Niereninsuffizienz oder therapiepflichtiges Asthma bronchiale.

Die Studie zeigt, daß bezüglich der überprüften Zielkriterien kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Medikamenten besteht (Tab. 1). Die primäre Hämostase gelingt in beiden Gruppen häufig, und sie liegt mit mehr als 87% bei Child-Pugh-A/B-Patienten in der gleichen Größenordnung, wie sie durch andere Therapiemaßnahmen (z.B. endoskopische Verfahren) erreicht werden kann.

Die Nebenwirkungsrate ist bei Terlipressin höher; nicht beherrschbare Nebenwirkungen, die zum Abbruch der Therapie zwangen, traten jedoch in keiner Gruppe auf. Die Behandlungskosten (basierend auf den Preisen aus der Roten Liste 1996) sind bei Terlipressin mit 3910,70 DM für eine zweitägige Therapie deutlich höher als bei Somatostatin (1145,32 DM für eine zweitägige Therapie in der verwendeten Dosierung).

Kann man jetzt aus dieser Studie schließen, daß bei Patienten mit Leberzirrhose und Verdacht auf ÖVB eine Notfallendoskopie entbehrlich ist und pragmatisch eine medikamentöse Therapie eingeleitet werden sollte? Systematische Untersuchungen zeigen, daß bei Patienten mit Leberzirrhose und oberer gastrointestinaler Blutung Ösophagusvarizen in nur in 30 bis 70% die Blutungsquelle darstellen. Werden diese Patienten nicht endoskopiert und auf Verdacht hin mit Somatostatin oder Terlipressin behandelt, besteht die Gefahr, daß das gewählte Therapiekonzept bei einer anderen Blutungsquelle, z.B. einem Ulkus mit Gefäßstumpf, nicht optimal ist.

Fazit: Nach endoskopischer Sicherung der ÖVB kann als Alternative zu Kompressionsbehandlung und endoskopisch-interventionellen Verfahren eine medikamentöse Therapie mit Somatostatin oder Terlipressin eingeleitet werden. Das Vorgehen hängt dabei auch von der Erfahrung des Untersuchers ab. Bei der pharmakologischen Therapie sprechen die niedrigere Nebenwirkungsrate, der auch durch andere Studien abgesicherte Therapieeffekt und die Behandlungskosten für Somatostatin.

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