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Zink zur Behandlung der Erkältung?

Die einfache „Erkältung“ (Common Cold) ist eine der häufigsten Erkrankungen in allen Bevölkerungsgruppen. Als Auslöser beim Erwachsenen sind mehr als 200 Viren bekannt. Für keines der zahlreichen Medikamente zur Linderung der Beschwerden ließ sich bislang ein Nutzen in klinischen Studien nachweisen. Die Wirksamkeit von Zink zur Behandlung der Erkältung wurde bisher in sieben randomisierten und plazebokontrollierten Studien untersucht. Drei dieser Untersuchungen wiesen eine Wirksamkeit nach, vier Studien zeigten keinen Nutzen hinsichtlich Beschwerdelinderung und Krankheitsdauer. In jeder Untersuchung wurden andere Dosierungen und Zubereitungen von Zink verwendet. Drei der vier Studien ohne Wirksamkeitsnachweis wurden zudem wegen mangelhafter galenischer Zubereitung der Zinktabletten kritisiert, in der vierten wurde bei einer Dosis von 4,5 mg pro Tablette möglicherweise Zink unterdosiert. Godfrey, J.C. et al. fanden hingegen, besonders bei frühem Therapiebeginn (< 24 Stunden) und höherer Dosierung, eine um 42% verkürzte Krankheitsdauer (1). Eine weitere randomisierte plazebokontrollierte Studie zur Behandlung der Erkältung mit Zink wurde jetzt von S.B. Mossad et al. aus Cleveland vorgestellt (2). Die Studienteilnehmer waren Mitarbeiter der Klinik, die sich innerhalb 24 Stunden nach erstem Auftreten von Erkältungssymptomen freiwillig zum Studieneinschluß meldeten. Mindestens zwei der folgenden 10 Symptome mußten vorliegen: Husten, Kopfschmerz, Heiserkeit, Sekretion aus der Nase, Gliederschmerzen, Halsschmerzen, Halskratzen, Niesen, orale Temperatur über 37,7 Grad. 100 Patienten wurden eingeschlossen. Patienten in der Zinkgruppe (n = 50) erhielten 120 Zinkglukonat-Pastillen mit je 13,3 mg Zink und wurden angewiesen, während der Wachzeiten alle zwei Stunden bis zum Verschwinden der Erkältungssymptome eine Pastille zu lutschen. Patienten in der Plazebogruppe (n = 50) erhielten Pastillen ähnlichen Geschmacks mit 5%igem Kalziumlaktat. Als Nebenmedikation sollten im Bedarfsfall nur Acetaminophen-Tabletten eingenommen werden; sie wurden bei Einschluß mit ausgeteilt. Alle Patienten wurden angewiesen, ein Tagebuch über die Erkältungsbeschwerden und die eingenommene Studienmedikation zu führen. Jedes Symptom wurde auf einer Skala von 0 bis 3 gewertet. Für jeden Tag wurde ein Symptom-Score errechnet. Alle Patienten wurden am 2. Tag und innerhalb von 24 Stunden nach Erkältungsende wiedereinbestellt. Die Beobachtungsdauer betrug maximal 18 Tage. Das Erkältungsende wurde als Rückbildung aller Symptome oder maximal ein mildes Symptom (Punktzahl: 1) definiert. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 37 Jahre in beiden Gruppen. Frauen waren in beiden Gruppen mit etwa 80% deutlich häufiger vertreten. Ein Patient in der Zink-Gruppe zog seine Teilnahme wegen Geschmacksunverträglichkeit der Pastillen am ersten Tag zurück. Acht Patienten (sechs in der Plazebogruppe, zwei in der Zinkgruppe) hatten nach 18 Tagen noch eine Erkältung. Die mittlere Dauer der Erkältung betrug 7,5 Tage in der Plazebo-Gruppe und 3,7 Tage in der Verum-Gruppe (p < 0,001). Die Dauer aller individuellen Erkältungssymptome war in der Zink-Gruppe deutlich verkürzt. Die eingenommene Menge von Acetaminophen-Tabletten war in der Plazebo-Gruppe tendenziell größer; erreichte aber nicht das Signifikanzniveau. Während der Studienphase wurden in der Plazebo-Gruppe insgesamt 49 Pastillen (± 30) und in der Zinkgruppe 36 (± 22) Pastillen eingenommen (5 bzw. 6 Pastillen/d im Mittel). 10 Patienten in der Zink-Gruppe und 7 in der Plazebo-Gruppe hielten sich nicht vollständig an das Studienprotokoll. Fünf Patienten in der Zink-Gruppe stoppten die Einnahme wegen des schlechten Geschmacks der Pastillen. Acht weitere Patienten in beiden Gruppen nahmen die Studienmedikation aus nicht angegebenen Gründen nicht regelrecht ein oder protokollierten die Beschwerden ungenügend. Zwei Patienten in jeder Gruppe nahmen zusätzlich Antibiotika ein. Eine Auswertung ohne diese Patienten veränderte die Gruppenunterschiede nicht. 25 Personen in der Zink-Gruppe und 5 Personen in der Plazebo-Gruppe berichteten über Nebenwirkungen durch die Studienmedikation (p < 0,001), darunter am häufigsten Übelkeit (10 bzw. 2 Patienten). Den schlechten Geschmack der Pastillen beklagten 39 Patienten in der Zink-Gruppe und 15 Patienten in der Plazebo-Gruppe (p = 0,001 ). Am Studienende gaben 59% der Patienten in der Zink-Gruppe, aber auch 44% in der Plazebo-Gruppe an, daß ihnen die Studienmedikation geholfen habe (p = 0,13). Die Autoren kommen zum Schluß, daß eine kurzzeitige, höherdosierte Zinkeinnahme die Beschwerden der einfachen Erkältung bessert und die Krankheitsdauer etwa halbiert. Zink ist damit das erste Medikament, für das eine Wirksamkeit in der Behandlung der Erkältung belegt ist. Über den Wirkmechanismus von Zink erlaubt die vorliegende klinische Studie keine Rückschlüsse; virologische Untersuchungen wurden nicht durchgeführt. In zahlreichen experimentellen Untersuchungen wurde aber ein direkter und zellulär vermittelter antiviraler Effekt von Zink nachgewiesen. Ob für den therapeutischen Nutzen die teilweise auftretende Übelkeit und der schlechte Geschmack der Medikation in Kauf genommen werden, ist vom Patienten zu entscheiden. Der schlechte Geschmack wäre durch Verwendung von Zinkazetat sogar vermeidbar. In einem begleitenden Editorial von A.S. Prasad (3) wird auf die noch nicht geklärten komplexen biologischen Wirkungen des Zink-lons hingewiesen; eine langzeitige Zinkeinnahme ist somit zu vermeiden. Fazit: Die kurzzeitige Einnahme von Zink verkürzt die Dauer und lindert die Beschwerden von Erkältungen. Hinsichtlich der Nebenwirkungen und somit der Sicherheit dieser Therapie gibt es zu wenig Informationen. Für die Indikation „Erkältung“ ist Zink in Deutschland nicht zugelassen.

Literatur

1. Godfrey, J.C., et al.: J. Int. Med. Res. 1992, 20, 234.
2. Mossad, S.B., et al.: Ann. Intern. Med. 1996, 125, 81.
3. Prasad, A.S.: Ann. Intern. Med. 1996, 125, 142.