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Albumin-Infusionen erhöhen möglicherweise die Letalität bei lntensivpatienten

Derzeit sind die Schockbehandlung, die akute Behandlung ausgedehnter Verbrennungen und klinische Situationen mit ausgeprägter Hypoproteinämie Indikationen für die Infusion von Humanalbumin. Wegen der relativ hohen Kosten wird Humanalbumin allerdings nicht sehr häufig angewandt. Darüber hinaus stellen zahlreiche kontrollierte Studien die therapeutische Wirkung von Humanalbumin bei den genannten Indikationen in Frage. Eine Londoner Studiengruppe (Cochrane lnjuries Group Albumin Reviewers) veröffentlichte kürzlich im Brit. Med. J. (1998, 317, 235) eine Metaanalyse von 30 randomisierten kontrollierten Studien an insgesamt 1419 Patienten, die entweder Albumin bzw. kristalloide Lösungen oder keine Infusionen erhielten (Kontroll-Gruppen). Die Indikationen für die Albumin- bzw. Kontroll-Infusionen waren Hypovolämie, Verbrennungen oder Hypalbuminämie bei kritisch kranken lntensivpatienten. Einziger Endpunkt in dieser Metaanalyse war die Letalität durch alle Todesursachen bis zum Ende der jeweiligen Vergleichsstudie. Es ergab sich, daß Albumin-Infusionen die Letalität keineswegs günstig beeinflußten. Insgesamt war das Relative Risiko (RR) zu sterben nach Albumin-lnfusion mit 1,68 (Vertrauensgrenzen: 1,26 bis 2,23) sogar signifikant höher als bei den Kontroll-Patienten. Bei der Indikation Hypovolämie war das RR 1,46, bei Verbrennungen 2,4 und bei Hypalbuminämie 1,69. Unter Berücksichtigung der absoluten Todesrate sprechen diese Daten dafür, daß von 17 kritisch kranken Patienten, die mit Albumin behandelt werden, ein Patient möglicherweise als Folge der Albumin-Therapie stirbt.

Selbstverständlich können mit dieser Studie nur Assoziationen zwischen Albumin-Therapie und Letalität erfaßt werden. In einem begleitenden Editorial von M. Offringa aus Amsterdam (Brit. Med. J. 1998, 317, 223) wird diese Metaanalyse auf methodische Fehler abgeklopft. Der Autor kommt jedoch zu dem Ergebnis, daß die Qualität der Primärstudien im großen und ganzen als sehr gut zu bewerten ist, daß an der Methodik der Metaanalyse nichts auszusetzen ist und daß die Ergebnisse vorsichtig in dem Sinne interpretiert werden sollten, daß vor einem unkritischen Umgang mit der Albumin-Therapie zu warnen ist. Die Infusion von Albumin bei den genannten Indikationen sollte möglichst nur noch im Rahmen sehr qualifizierter Studien durchgeführt werden.

Mögliche Mechanismen für die ungünstigen Wirkungen der Albumin-Gabe sind:

1. Förderung des Entstehens eines Lungenödems bei Patienten mit Herzinsuffizienz,
2. vermehrte Extravasation von Albumin beim „Capillary-leak-Syndrom“ und
3. Verzögerung der Blutgerinnung durch Abnahme der Thrombozytenzahl.

Fazit: Viele Einzelstudien und eine Metaanalyse sprechen dafür, daß Albumin-Infusionen bei Intensivpatienten mit hypovolämischem Schock, mit ausgedehnten Verbrennungen oder mit Hypoproteinämie eher schädlich als nützlich sind. Sie sind deshalb in der Regel nicht indiziert.