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Impfung gegen Borreliose

Durch einen Zeckenbiß können die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Borreliose (Borrelia burgdorferi; Lyme-Erkrankung) übertragen werden. Gegen die virale FSME gibt es seit längerer Zeit Impfungen (vgl. AMB 1998, 32, 65). Zur Bekämpfung der Borreliose, deren Infektion nach einem Zeckenbiß sich meist in Form des Erythema chronicum migrans zeigt, ist man auf eine antibiotische Therapie angewiesen. Aber nicht in jedem Fall ist die frühe Diagnose bzw. eine Antibiotikatherapie (z.B. drei Wochen Doxycyclin oder Amoxicillin) möglich oder wirksam. Deswegen ist eine wirksame, preiswerte und sichere Vakzine für Menschen, die in einer Region wohnen, in der Borrelien-infizierte Zecken vorkommen, eine sehr erwünschte Erweiterung der Krankheitsbekämpfung.

Im Juli dieses Jahres erschienen im N. Engl. J. Med. zwei Arbeiten, die über die Wirksamkeit einer Impfung berichteten (1, 2). Beide wurden mit einem Impfstoff durchgeführt, der ein gentechnisch hergestelltes Protein aus der Membran von Borrelien enthält, das gegen die Infektion immunisiert. Die Herstellerfirmen waren die Sponsoren der Untersuchungen. Der Herstellungsprozeß und damit die Vakzinen waren nicht ganz identisch. Der Aufbau der Studien war dagegen sehr ähnlich. Etwa 10000 Teilnehmer wurden jeweils eingeschlossen und je zur Hälfte immunisiert oder mit Plazebo behandelt. Es wurden zwei Injektionen im Abstand von vier Wochen und eine dritte nach zwölf Monaten verabreicht. Die Nachbeobachtungszeit betrug insgesamt zwei Jahre. Die Teilnehmer wurden regelmäßig persönlich, telefonisch oder brieflich interviewt und bei jedem Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung klinisch und serologisch untersucht. Eine Infektion wurde diagnostiziert, wenn sich ein Erythema chronicum migrans oder spätere klinische Manifestationen der Borreliose zeigten und gleichzeitig Antikörper gegen Borrelien nachweisbar wurden. In der Untersuchung aus Boston (1; Sponsor: Smith-Kline, Beecham), wurde bei 22 Teilnehmern, die wirksam geimpft waren, und bei 43 Teilnehmern in der Plazebo-Gruppe eine Borreliose (s. Tab. 1) diagnostiziert; das entspricht einer Effektivität der Impfung von 49%. Die Effektivität ergibt sich aus der lnzidenz der Erkrankung bei Geimpften und Ungeimpften. Im 2. Jahr der Beobachtung, also nach der 3. Injektion, entwickelten nur 16 der Geimpften, aber 66 der Nichtgeimpften eine Borreliose. Zu diesem Zeitpunkt war die Effektivität der Impfung 76%. Die Nebenwirkungen waren insgesamt selten und gering: Schmerzen oder Entzündungszeichen an der lnjektionsstelle oder leichte generalisierte Muskelschmerzen, die nicht länger als drei Tage anhielten.

In die Studie aus New Jersey (2; Sponsor: Pasteur Mérieux Connaught) wurden auch etwa 10000 Teilnehmer eingeschlossen. Im ersten Jahr erlitten zwölf der Geimpften eine Erkrankung und 37 der Nichtgeimpften, im zweiten Jahr zwei der Geimpften und 26 der Nichtgeimpften (s. Tab. 1). Das entspricht einer Effektivität der Impfung von 68% im ersten und von 92% im zweiten Jahr. Auch hier kam es nur zu unbedeutenden und seltenen Nebenwirkungen. Die Häufigkeit der Erkrankung lag in beiden Studien deutlich unter 1%.

In einem begleitenden Editorial (3) werden die Impferfolge beider Untersuchungen als ein erster Schritt gewürdigt; viele Fragen sind jedoch noch offen. So wurden z.B. keine Kinder unter 15 Jahren, bei denen im allgemeinen die Infektionen besonders häufig sind, geimpft. Auch ist nicht bekannt, wie lange der Impfschutz vorhält und ob die verwendeten Vakzinen auch gegen Borrelien-Infektionen in anderen Ländern wirksam sind, da die immunogenen Lipoproteine im Genom der Borrelien regional unterschiedlich sind. Die Impfstoffe sind in Deutschland noch nicht zugelassen.

Fazit: Erstmals sind zwei Vakzinen gegen Borrelia burgdorferi als wirksam getestet worden. Hinsichtlich der längerfristigen Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind jedoch noch viele Fragen zu beantworten, bevor einem besonders gefährdeten Personenkreis eine solche Impfung empfohlen werden kann. Da inzwischen die Sequenz des Genoms von B. burgdorferi entschlüsselt worden ist (4), kann damit gerechnet werden, daß in Zukunft noch wirksamere Impfstoffe hergestellt werden können. Die Antibiotikatherapie im Erkrankungsfall bleibt zunächst die wirksamste Therapie.

Literatur

1. Steere, A.C., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 339, 209.
2. Sigal, L.H., et al.: N. Engl. J. Med. 1998, 339, 216.
3. Steigbigel, R.T., und Benach, J.L.: N. Engl. J. Med. 1998, 339, 263.
4. Fraser, C.M., et al.: Nature 1997, 390, 580.

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