Frage von Dr. B.F. aus Berlin: >> Das Problem ist die adäquate Dosierung von Tilidin (Valoron) bei einem Patienten mit Zervikal-Syndrom und rezidivierenden Zerviko-Zephalgien. Der Hersteller gibt als normale Tagesdosis 200 mg (4mal 20 Tropfen) und als Tageshöchstdosis 400 mg, die Rote Liste 1997 aber 600 mg an. Nach Diener/Meier „Das Schmerztherapiebuch“, Urban & Schwarzenberg 1997, sind auch 800 bis 1200 mg als Tageshöchstdosis möglich. Inwieweit ist ein behandelnder Arzt an die vom Hersteller angegebene Höchstdosis gebunden? Im konkreten Fall lehnt eine private Krankenversicherung die Kostenübernahme für eine über die Tagesnormaldosis (200 mg Tilidin) hinausgehende Dosierung ab. << Antwort: >> Tilidin (Valoron) wurde 1970 als schwaches Opioid in die Schmerztherapie eingeführt (1). Wegen zunehmender mißbräuchlicher Verwendung entstand 1976 der Gedanke, diesen Wirkstoff mit einem spezifischen Morphinantagonisten, Naloxon, zu kombinieren. Naloxon interagiert mit dem Hauptmetaboliten des Tilidin, Nortilidin. Entsprechend kommt es bei mißbräuchlicher Dosissteigerung zu einem Abschwächen der Morphinwirkung. Nach tierexperimentellen und klinischen Beobachtungen (1) hat sich die heute in Deutschland vertriebene Kombination mit einem 8%igen Naloxonanteil bewährt. Damit ist dieses Präparat für die Drogenszene weitgehend unattraktiv geworden (2).
Als Tageshöchstdosis werden 400-600 mg (bezogen auf Tilidinhydrochlorid) angegeben (3-4). Eine Überschreitung dieser Dosis ist bei dem beschriebenen pharmakologischen Wirkungsprofil und den bekannten psychotropen Nebenwirkungen nicht vernünftig. Zur Behandlung chronischer Schmerzen hat die WHO ein Stufenschema empfohlen, bei dem in der Stufe II ein schwach wirkendes Opioid mit einem Nichtopioid (z.B. 4stdl. 500 mg Azetylsalizylsäure oder 500 mg Paracetamol) und die Komedikation eines Psychopharmakons eingesetzt wird (4). Darüber hinaus sollte bei einem chronischen Schmerzsyndrom die Möglichkeit einer nichtpharmakologischen Therapie erwogen werden; hierzu kann die Mithilfe eines qualifizierten Schmerztherapeuten notwendig sein.
Die Verordnung von Schmerztherapeutika obliegt dem Arzt. Dabei können, insbesondere auch bei Morphinen, Höchstgrenzen überschritten werden. Ist dies nach verantwortlicher Indikationsstellung durch den Arzt notwendig, ist die Krankenkasse verpflichtet, die anfallenden Kosten zu übernehmen. Der Arzt trägt dabei die Verantwortung, daß die Schmerzmittel nicht mißbräuchlich verwendet werden.<< Literatur
1. Herrmann, M.: Zum Wirkungsprinzip der Kombination Tilidin plus Naloxon. In: W. Keup (Hrsg.): Biologie der Sucht, Springer-Verlag, Heidelberg, New York, Tokyo, 1985, S.202.
2. Lehmann, K.A.: Opioidagonisten: Spezielle Pharmakologie. In: K.A. Lehmann (Hrsg.): Der postoperative Schmerz. Springer-Verlag, 2. Auflage, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo 1994, S.220.
3. Rote Liste 1997.
4. Beyer, A.: Schmerztherapie in der Onkologie. In: W. Domschke et al. (Hrsg.): Therapie-Handbuch 1997.