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Gynäkomastie als Folge einer merkwürdigen Gewohnheit

H. Vierhapper und P. Nowotny aus Wien berichten im Lancet (1999, 353, 640) über einen 48jährigen Mann, der sich im 46. Lebensjahr erstmals mit einer ausgeprägten beidseitigen Gynäkomastie vorstellte. Der körperliche Untersuchungsbefund war darüberhinaus unauffällig. Serum-Testosteron, LH und FSH waren erniedrigt, Serum-Kortisol und das Kortisol-bindende Globulin waren erhöht. Das ”freie Kortisol“ war normal; Serum-Östradiol war im Normbereich. Eine der vielen bekannten Ursachen einer Gynäkomastie, insbesondere Einnahme verdächtiger Medikamente, wurde ausgeschlossen. Zwei Jahre später stellte sich der Patient erneut mit ähnlichen Befunden vor. Diesmal war das gemessene Serum-Östradiol jedoch deutlich erhöht. Nach chromatographischer Reinigung des Serums wurde jedoch erkannt, daß das Östradiol sehr niedrig war und daß eine kreuzreagierende östrogene Substanz vorgelegen haben mußte.

Genauere Befragung ergab, daß der Patient, der heterosexuell war, gewisse transsexuelle Interessen hatte. So hatte er sich als Kind und auch als junger Erwachsener gerne Mädchen- oder Frauenkleider angezogen. Er hatte mit mehreren Frauen sexuelle Kontakte. Zudem trank er mehrmals pro Woche größere Mengen Urin seiner Partnerinnen. Mehrere dieser Partnerinnen nahmen orale Kontrazeptiva oder Präparate zur postmenopausalen Östrogentherapie ein. Vermutlich waren es diese Substanzen, die im Östradiol-Assay kreuzreagiert hatten und die zur Gynäkomastie-Entwicklung und zur Suppression der endogenen Gonadotropine und des Testosterons geführt hatten. Die Erhöhung des Plasma-Kortisols und des Kortisol-bindenden Globulins bei normalem ”freiem Kortisol“ ist ebenfalls durch Östrogeneinnahme zu erklären.

Fazit: Mit dem Trinken von weiblichem Urin ist der großen Liste möglicher Ursachen einer Gynäkomastie eine weitere hinzugefügt.