Frage von Dr. R.B. aus Bremen: >> Kann es unter Gabe eines Anticholinergikums (Bornaprin 4 mg) zu merkenswerter Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit beim Ausdauertrainierten kommen? << Antwort: >> Bornaprin (Sormodren) gehört zu den Anticholinergika und hat eine Antimuskarinwirkung. Anwendungsgebiete sind laut Roter Liste 1998 (7): Parkinson-Syndrom, insbesondere zur Beeinflussung des Rigors und des Tremors, medikamentös bedingte extrapyramidale Symptome und Hyperhidrosis. Nebenwirkungen, die im Sport möglicherweise bedeutsam werden können, sind (7; s. Präparat und A 100): Abnahme der Schweißdrüsensekretion (Wärmestau), Erhöhung der Körpertemperatur, zentralnervöse Störungen (z.B. Erregung, Unruhe, Halluzinationen, Müdigkeit, Erschöpfung, Benommenheit, Schlafstörungen, Verwirrtheit), Akkommodationsstörungen, Tachykardie, Magenbeschwerden, Obstipation, Kopfschmerzen, Dyskinesien, Einschränkung des Reaktionsvermögens.
Im Ausdauersport kann vor allem die Erhöhung der Körpertemperatur, die durch die Abnahme der Schweißdrüsen-Sekretion bedingt ist, bei lang andauernder körperlicher Belastung und insbesondere bei Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit die Leistungsfähigkeit begrenzen und auch eine Gefährdung darstellen.
Zentralnervöse Störungen und Dyskinesien können möglicherweise Verletzungen des Bewegungsapparates begünstigen, insbesondere wenn am Ende der körperlichen Belastung Ermüdung und koordinative Störungen zunehmen.
Die vegetativen Beschwerden im Magen-Darm-Trakt durch Anticholinergika, die auch im Ausdauersport nicht selten auftreten, werden durch eine körperliche Belastung möglicherweise verstärkt.
Die Nebenwirkung Tachykardie, welche durch die Erhöhung der Körpertemperatur noch gesteigert wird, kann zu einer falsch niedrigen Belastungsintensität führen, da die Steuerung der Trainingsintensität im Ausdauersport überwiegend über die Herzfrequenz erfolgt.
Störungen der Akkommodation und des Reaktionsvermögens können, insbesondere in Sportarten mit gegnerischem Kontakt (Ballspiele, Kampfsportarten), nicht nur die sportartspezifische Leistungsfähigkeit einschränken, sondern bergen auch Gefahren.
Für antimuskarinartig wirkende Substanzen ist eine Suppression der nächtlichen und belastungsinduzierten Sekretion des Wachstumshormons (hGH) bei Typ-1-Diabetikern beschrieben (1). Dies kann zu einem nächtlichen Sinken der Blutgukosespiegel führen, wie er auch während körperlicher Belastung nachgewiesen wurde (1). Die reduzierte Verfügbarkeit von Kohlenhydraten kann während Dauerbelastung die Leistungsfähigkeit einschränken.
Ist die nächtliche hGH-Sekretion längere Zeit vermindert, kann es zu Veränderungen in den Interaktionen verschiedener Hormonkaskaden kommen (Insulin-like Growth Factor; Testosteron; 8, 10-12). Hierdurch können die durch hGH bewirkten trophischen Effekte in der Adaptationsphase an körperliche Belastung gestört werden (3, 6, 10). Solche Störungen werden auch bei sportlichen Überlastungssyndromen mit einer zumindest partiell alterierten Hypophysenfunktion (hypothalamische Dysfunktion) gefunden (2). Ein durch Bornaprin gestörter und reduzierter REM-Schlaf (5) könnte zusätzlich die hGH-Sekretion reduzieren (4, 9) und somit die Regeneration und Adaptation nach körperlicher Belastung verringern. Entsprechende Studien sind allerdings bisher nicht publiziert.
Fazit: Eine akute Einschränkung der Ausdauerleistungsfähigkeit nach Einnahme von Bornaprin kann also vermutet werden, ist aber beim Menschen bisher nicht durch Studien belegt. Auch Störungen der Adaptation und Regeneration nach körperlicher Belastung sind denkbar. << Literatur
1. Ara, J., et al.: Diabet. Med. 1994, 11, 92.
2. Barron, J.L., et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 1985, 60, 803.
3. Galbo, H.: Hormonal and metabolic adaptation to exercise. Thieme, Stuttgart, New York 1983.
4. Hartman, M.L., et al.: Horm. Res. 1993, 40, 37.
5. Hohagen, F., et al.: Neuropsychopharmacology 1994, 11, 29.
6. Rogol, A.D.: Growth hormone: Physiology, therapeutic use, and potential abuse. In: Pandolf, B. (Hrsg.): Exercise and Sports Sciences Reviews. Williams and Wilkins, Baltimore1989, S. 353.
7. Rote Liste 1998. Editio Cantor, Aulendorf.
8. Strobl, J.S., und Thomas, M.J.: Pharmacological Reviews 1994, 46, 1.
9. Veldhuis, J.D., und Iranmanesh, A.: Sleep 1996,19 Suppl., S221.
10. Weimann, E., und Kiess, W.: Wachstumsfaktoren. Grundlagen und klinische Anwendung. Schattauer, Stuttgart, New York 1995, 2. Aufl., S. 49.
11. Weissberger, A.J., und Ho, K.K.: J. Clin. Endrocrinol. Metab. 1993, 76, 1407.
12. Yu, Y.M., et al.: Eur. J. Endrocrinol. 1996, 135, 583.