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Behandlung von Refluxkomplikationen und -beschwerden nach resezierenden Magenoperationen

Wenngleich elektive Operationen bei peptischen bzw. Helicobacter-pylori-assoziierten Magen- und Duodenalgeschwüren praktisch bedeutungslos geworden sind, ist die Zahl der Notfalloperationen bei Ulkuskomplikationen nicht wesentlich zurückgegangen. Auch werden Magenkarzinome, trotz der abnehmenden lnzidenz in den westlichen industrialisierten Ländern, unverändert häufig und zunehmend radikaler operiert. Folgezustände resezierender Mageneingriffe sind deshalb unverändert ein klinisches Problem.

Metabolische Resektionskomplikationen (Mangelerscheinungen) sind selten, häufiger sind funktionelle Symptome nach Magenteilresektion oder Gastrektomie („Postgastrektomie-Syndrom“). Letztere sind Folge einer zu geringen Reservoirkapazität des Rest- bzw. Neomagens, einer zu schnellen oder zu langsamen Entleerung, der Vagotomie, fehlfunktionierender Dünndarmschlingen und/oder des Verlusts physiologischer Barrieren (Kardia, Pylorus).

Der enterogastrale bzw. -ösophageale Reflux ist ein häufiges Problem in der Praxis. Ein Refluat aus dem Duodenum bzw. dem oberen Dünndarm (Gallensaft, Pankreassekret) verursacht „alkalische, biliäre“ Gastritiden, selten auch Ösophagitiden. Endogene, hydrophobe Gallensalze gelten als pathogener Faktor bei der Entstehung dieser Mukosaschäden, die nicht nur Beschwerden verursachen, sondern auch als Prädisposition für das Entstehen von („Magenstumpf“-) Karzinomen in Betracht kommen. Zunehmend wird toxischen Gallensäuren auch eine pathogenetische Rolle bei der Entstehung von Barrett-Metaplasien, einer fakultativen Präkanzerose, angelastet. Vom alleinigen Gallereflux in den Ösophagus sind mitunter Symptome, hingegen kaum Ösophagitiden zu erwarten. Einer (umstrittenen) Hypothese zufolge sollen jedoch gerade Interaktionen zwischen der Magensäure und bestimmten Gallensalzen (bei ,,Mixed reflux“) zu besonders problematischen oxydativen Zellschädigungen führen.

Charakteristische Beschwerden eines duodeno-gastroösophagealen Refluxes sind galliges Erbrechen und Dyspepsien (galliges Aufstoßen, Oberbauchschmerz, Völlegefühl). Endoskopisch weisen Schleimhaut-Reizungen („Red-green-disease“), aber auch ausgeprägtere Läsionen (Erosionen, Ulzera, Narben) auf das Problem hin. Histologisch können Meta- und auch Dysplasien gefunden werden. Zur Graduierung der Reflux-Komplikationen werden makroskopische und mikroskopische Kriterien herangezogen. Durch fiberoptische Bilirubin-Meßsonden, die in den Ösophagus oder in den Magen eingebracht werden, können spezialisierte Zentren den enterogastralen bzw. -ösophagealen Gallereflux auch zuverlässig in vivo quantifizieren („Bilitec-Spektrophotometrie“).

Die Behandlung entero-gastro-ösophagealer Refluxkomplikationen und -beschwerden ist häufig problematisch. Bei Ösophagitiden ist zunächst ein „saurer Anteil“ im Refluat auszuschließen bzw. mit H2-Rezeptorenblockern oder Protonenpumpeninhibitoren effektiv zu supprimieren. Ansonsten gilt zur Behandlung postoperativer „alkalischer; biliärer“ Refluxkomplikationen oder -beschwerden die

· Korrektur-Operation mit Anlage einer Y-Roux-Schlinge oder einer Jejunuminterposition als effektivste Maßnahme.

Bis zu 90% der Patienten kann damit kausal geholfen, d.h. der Reflux beseitigt werden. Allerdings ist eine Reoperation nicht selten problematisch bzw. nicht praktikabel. Dann gibt es für die konservative Therapie verschiedene Ansätze:

· Als „Basismaßnahme“ gilt eine geeignete Körperhaltung (z.B. nachts Oberkörper-Hochlagerung), die den Reflux bei fehlenden Barrieren wenigstens nicht unterstützt.
· Bei refluxbedingten Schleimhautschäden können Prokinetika, bei Erbrechen auch Antiemetika (Triflupromazin, Dimenhydrinat) probatorisch eingesetzt werden.
· „Gallensäurenbindende“ Schichtgitter-Antazida lindern (zuweilen) Refluxsymptome und werden meist besser akzeptiert als Colestyramin. Von Sucralfat ist hingegen kaum eine Wirkung zu erwarten.
· Mikrokristalline Zellulose (5 g/d) wurde zur Inaktivierung von Gallensäuren bei duodenogastralem Reflux vorgeschlagen; in einer lateinamerikanischen Studie sind Beschwerden auf diese Weise deutlich vermindert worden. Etabliert ist diese Behandlungsmethode in Europa allerdings nicht.
· Bei „biliärer“ Reflux-Gastritis wurde die Wirksamkeit von Ursodesoxycholsäure gezeigt: Nach Behandlung mit 2 mal 250 mg/d verschwanden die dyspeptischen Symptome bei 80,4% der Patienten binnen zweier Monate vollständig. Möglicherweise kommt der medikamentösen Veränderung des Gallensäurepools im Refluat zugunsten der „nichttoxischen“ Ursodesoxycholsäure künftig eine entscheidende therapeutische Bedeutung zu.

Insgesamt befriedigen die (unzureichend oder nicht gesicherten) medikamentösen Anstrengungen zur Verhinderung bzw. Neutralisation des „alkalischen“ Refluxes bislang jedoch wenig. Die Betreuung magenresezierter Patienten mit „biliärer“ Refluxkrankheit bleibt – wenn nicht korrigierend operiert werden kann – weiterhin problematisch.

Empfehlenswerte Literatur

Armbrecht, U., et al.: Der operierte Patient – interdisziplinär Bd. 2; Der gastrektomierte Patient. Karger Basel, Freiburg 1992.

Eichfeld, U., et al.: Der postoperative alkalische Reflux nach totaler Gastrektomie wegen Magenkarzinom. Zentralbl. Chir. 1994, 119, 23.

Kirchner, R.: Folgezustände nach Magenresektion und Gastrektomie und ihre Konsequenzen. Z. Gastroenterol. 1996, Suppl. 2.

Ventura, P., et al.: A double-blind controlled trial of the efficacy and safety of taurohydrodeoxycholic acid in the treatment of dyspeptic disturbances associated with gall-stones or other hepatic disorders. Clin. Drug Invest. 1996, 11, 77.

Fuchs, K.-H., et al.: Säure und Galle: Die Bedeutung von Reflux und Stase beim operierten Magen. Z. Gastroenterol. 1998, Suppl. 2.

Marshall, R.E.K., et al.: Investigation of oesophageal reflux symptoms after gastric surgery with combined pH and bilirubin monitoring. Br. J. Surg. 1999, 86, 271.

Vaezi, M.F., et al.: Double reflux: double trouble (comment). Gut 1999, 44, 590.

Stein, H.J., et al.: Bile acids as components of the duodenogastric refluxate: detection, relationship to bilirubin, mechanism of injury and clinical relevance. Hepatogastroenterology (Greece) 1999, 46, 66.

Paniagua, M., et al.: Accion de Ia celulosa microcristalina en la gastritis alcalina por reflujo biliar. Acta Gastroenterol. Latinoam. (Argentina) 1997, 27, 75.