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Azetylsalizylsäure und Magenblutungen

Es ist gesichert, daß die regelmäßige prophylaktische Einnahme von Azetylsalizylsäure (ASS) koronare Ereignisse, Schlaganfälle und Thromboembolien bei Vorhofflimmern signifikant reduzieren kann. Nach dem Prinzip „No gain without pain“ müssen auf der anderen Seite vermehrt gastrointestinale (GI) Blutungen und eine verlängerte Blutungszeit bei Unfällen oder Notoperationen in Kauf genommen werden. S. Derry und Y.K. Loke aus Oxford untersuchten in einer Metaanalyse, basierend auf Daten von ca. 60000 Patienten, das Ausmaß der Zunahme von GI-Blutungen (Brit. Med. J. 2000, 321, 1183). Es wurden 24 Studien ausgewertet, in denen ASS (50-1500 mg/d ) versus Plazebo oder keine Therapie bei Einnahme über mindestens 12 Monate ( im Mittel 28 Monate) ausgewertet wurden. Die Ergebnisse, ausgedrückt als „Odds ratio“ (OR) und 95% Konfidenzintervalle (CI), sind in einer Tabelle getrennt nach „Low dose“ ASS (50 bis 162 mg/d) und „High dose“ (höhere Tagesdosen) dargestellt. Zielgröße waren alle GI-Blutungen, fast alle mit den klinischen Zeichen Hämatemesis und/oder Melaena.

In 22 der 24 Studien war die OR > 1, d.h. Patienten, die ASS einnahmen, hatten häufiger Blutungen als solche, die Plazebo oder keine ASS einnahmen. Im Mittel hatten 2,47% der Patienten mit ASS und 1,42% ohne ASS im Beobachtungszeitraum GI-Blutungen (OR: 1,68; CI 1,51-1,88). Der Unterschied ist hochsignifikant. Erstaunlicherweise waren GI-Blutungen nach Einnahme niedriger ASS-Dosen nicht signifikant seltener als nach hohen Dosen (2,3% Blutungen bei ASS-Dosen W 162 mg/d). Auch teure „Modified release“-ASS-Tabletten oder Kapseln schnitten nicht besser ab.

Die Ergebnisse führen zu der Erkenntnis, daß die routinemäßige Einnahme von ASS durch Menschen über 50 Jahre mit niedrigem kardialen Risiko zur primären Prophylaxe – wie in den USA offenbar schon üblich – nicht sinnvoll ist. Je größer das individuelle Risiko eines der zu verhindernden kardiovaskulären Ereignisses ist, um so sicherer wird die Indikation für ASS sein (bei fehlenden Kontraindikationen). Für andere Personen gilt die am Ende eines begleitenden Editorials von M.R. Tramer aus Genf zum selben Thema gemachte Feststellung: „… it may be more appropriate for some people to eat an apple rather than an aspirin a day“ (Brit. Med. J. 2000, 321, 1170).

Fazit: Etwa einer von 100 Patienten, die ASS nehmen, erleidet in einem Zeitraum von 28 Monaten hierdurch eine gastrointestinale Blutung. Eine Reduktion der Dosis oder spezielle galenische Zubereitungen von ASS ändern daran nichts. Vor- und Nachteile einer dauerhaften prophylaktischen ASS-Einnahme sind deshalb sorgfältig gegeneinander abzuwägen.