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Eptifibatid bei koronaren Stent-Implantationen. Die ESPRIT-Studie

Unmittelbar vor und 3-4 Wochen nach einer koronaren Ballondilatation (Perkutane transluminale koronare Angioplastie = PTCA) mit Stent-Implantation wird heute eine Pharmakotherapie mit Azetylsalizylsäure (ASS) und einem Thienopyridin (Ticlopidin = z.B. Tiklyd, Clopidogrel = Plavix, Iscover ) zur Prophylaxe einer Restenose empfohlen. In bestimmten Risikosituationen (z.B. akuter Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris) wird zusätzlich ein GP-IIb/IIIa-Blocker (z.B. Abciximab = ReoPro) verabreicht.

Seit unserer Übersicht zu den ”Superaspirinen” (1) hat sich bei den GP-IIb/IIIa-Blockern einiges ereignet. So wurde nach Abciximab und Tirofiban (Aggrastat) im Juli 1999 von der EMEA Eptifibatid (Integrilin) für die Indikation ”Prävention eines frühzeitigen neuen Myokardinfarkts bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder Non-Q-wave-Myokardinfarkt” zugelassen.

Bei koronaren Katheterinterventionen war Eptifibatid im indirekten Vergleich weniger wirksam in der Prophylaxe von Komplikationen als Abciximab in den entsprechenden Studien (2, 3, 4). Als ein Grund hierfür wurde diskutiert, daß die gewählten Eptifibatid-Dosierungen zu niedrig waren.

Nun liegen die Ergebnisse der ESPRIT-Studie (5) vor, in der Eptifibatid in einer höheren Dosierung als bislang empfohlen verabreicht wurde. 2064 Patienten (mittleres Alter 62 Jahre, 27% Frauen) wurden multizentrisch über 9 Monate bis Februar 2000 eingeschlossen. Bei allen Patienten war eine elektive PTCA mit Stent-Implantation (freie Stent-Auswahl) geplant. Die Gründe für die PTCA waren: stabile Angina pectoris (39%), instabile Angina pectoris (46%), Myokardinfarkt innerhalb der vergangenen Woche (5%) und positiver Streßtest ohne Angina pectoris (9%). Nicht eingeschlossen wurden Hochrisiko-Patienten, also Menschen in thrombotisch instabilen Situationen, wie z.B. akuter Myokardinfarkt oder anhaltende Angina pectoris.

Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Patienten mit ASS und einem Thienopyridin (Ticlopidin, Clopidogrel) vorbehandelt. Während der Intervention wurde zudem gewichtsadaptiert Heparin gegeben. Je die Hälfte der Patienten wurde im Katheterlabor doppeltblind mit Plazebo oder hochdosiert mit Eptifibatid behandelt: ein Doppelbolus mit 180 µg/kg im 10minütigen Abstand und eine Dauerinfusion von 2 µg/kg/min bis zur Entlassung aus dem Krankenhaus bzw. maximal 24 Stunden lang. Dies entspricht bei einem 70 kg schweren Patienten und der mittleren Infusionsdauer von 18 Stunden einer Gesamtdosis von 175 mg.

Um bei einem Mißlingen der Intervention, einer sog. ”Bailout-Situation” (akuter Gefäßverschluß, No-Reflow-Phänomen, intrakoronarer Thrombus u.a.), die Verblindung nicht aufheben zu müssen, wurde ein Notfall-Set bereitgestellt. Die Patienten aus der Plazebo-Gruppe erhielten in einer solchen Situation Eptifibatid und die Patienten aus der Verum-Gruppe Plazebo. In jedem Fall erfolgte dann eine offene Weiterbehandlung mit einer Eptifibatid-Dauerinfusion.

Ergebnisse: Die geplanten PTCA wurden bei 99% der Patienten tatsächlich durchgeführt. Zu einer ”Bailout-Situation” kam es bei 3,8% der Eingriffe (Eptifibatid-Gruppe: 3,3%, Plazebo-Gruppe: 4,2%). In der Eptifibatid-Gruppe traten signifikant weniger Myokardinfarkte auf als in der Plazebo-Gruppe (Tab. 1); dies galt für alle untersuchten Subgruppen. Auch nach 30 Tagen hielt dieser positive Effekt von Eptifibatid an (kombinierter Endpunkt: 6,8% vs. 10,4%). Die Kaplan-Meier-Kurven für den primären Endpunkt verlaufen etwa ab der 24. Stunde parallel. Es gab einen nicht signifikanten Trend zu häufigeren Blutungskomplikationen (Tab. 1), und bei zwei mit Eptifibatid behandelten Patienten trat eine kritische Thrombopenie auf.

Fazit: Eptifibatid, in einer höheren Dosis als bislang empfohlen, reduziert im Vergleich mit Plazebo die Häufigkeit von Komplikationen nach elektiven Koronarangioplastien mit Stent-Implantationen, besonders Komplikationen durch Myokardinfarkt. Dabei scheint das Medikament auch in der verwendeten höheren Dosierung sicher zu sein. Die Fragen, ob Eptifibatid auch bei Interventionen mit höherem Risiko (akuter Myokardinfarkt, anhaltende Angina pectoris) ähnlich wirksam und ob es Abciximab gleichwertig ist, werden von der ESPRIT-Studie nicht beantwortet. Vielerorts wird Eptifibatid jedoch längst als kostengünstigere Alternative zu Abciximab eingesetzt (bei 70 kg Körpergewicht ca. 450 DM vs. 2000 DM).

Literatur

  1. AMB 1999, 33, 33.
  2. EPIC-Studie (Evaluation of c7E3 Fab in Preventing Ischemic Complications of high-risk angioplasty): N. Engl. J. Med. 1994, 330, 956.
  3. Topol, E.J., et al. (EPIC-Studie): Lancet 1994, 343, 881.
  4. IMPACT-II-Studie (Integrilin to Minimise Platelet Aggregation and Coronary Thrombosis-II): Lancet 1997, 349, 1422.
  5. ESPRIT-Studie (Enhanced Suppression of the Platelet IIb/IIIa Receptor with Integrilin Therapy): Lancet 2000, 356, 2037.

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