Artikel herunterladen

Therapie der Rheumatoiden Arthritis: Etanercept und Infliximab

Der Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) ist ein wichtiger Entzündungsmediator bei Rheumatoider Arthritis (RA). Die medikamentöse Hemmung dieses Zytokins ist eine neue und kostspielige Therapieoption (Jahres-Therapiekosten etwa 20000-30000 DM). Zwei TNF-Hemmstoffe sind in Deutschland zugelassen: Etanercept (Enbrel), ein Fusionseiweiß aus einem TNF-Rezeptor-Anteil mit einem humanen IgG-Fc-Fragment und Infliximab (Remicade), einem monoklonalen Antikörper gegen TNF. Diese Substanzen sollen als Reservemittel bei mangelndem Ansprechen auf eine Basistherapie mit Methotrexat (MTX) eingesetzt werden.

Zwei aktuelle Studien beschäftigen sich mit den genannten Substanzen: einmal mit dem frühzeitigem Einsatz von Etanercept als Basistherapie und zum anderen mit der Kombination Infliximab/MTX im fortgeschrittenen Krankheitsstadium.

J.M. Bathon et al. aus Baltimore (N. Engl. J. Med. 2000, 343, 1586) verglichen die Wirksamkeit von Etanercept gegen MTX bei Patienten mit früher RA (Krankheitsdauer maximal 3 Jahre, im Mittel 12 Monate) und ohne bisherige Basistherapie. Nur Prednisolon (40% der Patienten) und nichtsteroidale Antiphlogistika (80% der Patienten) waren zur ergänzenden pharmakologischen Rheumatherapie erlaubt. Die 632 Patienten (mittleres Alter 50 Jahre) wurden in drei Behandlungsarme randomisiert: Niedrig dosiert Etanercept (2 mal 10 mg s.c. pro Woche), Standard-Dosis Etanercept (2 mal 25 mg s.c. pro Woche) und MTX oral (initial wöchentlich 7,5 mg, gesteigert auf 20 mg, begleitend eine Folsäure-Prophylaxe).

Die Krankheitsaktivität der RA wurde nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) gemessen. Dieser Einschätzung liegt ein Punktesystem zu Grunde, in das objektive Kriterien (Gelenkbefunde, CRP) und subjektive Einschätzungen durch Patient und Arzt (anhand visueller Analogskalen mit Qualitäten wie Schmerz oder körperliche und soziale Funktionstüchtigkeit) eingehen. Die Veränderungen durch die Therapie werden in Prozent angegeben. Zudem wurden serielle Röntgenaufnahmen zur Beurteilung der Krankheitsprogression angefertigt (Anzahl der Gelenkerosionen, Gelenkspalt-Einengungen usw.).

Einige Ergebnisse dieser Studie sind in Tab. 1 dargestellt. Zusammenfassend war die Standard-Dosis von Entanercept über 12 Monate gering wirksamer als MTX und niedrig dosiertes Etanercept. Die Linderung der Symptome trat mit Etanercept rascher ein (nach 2-4 Wochen) als mit MTX und Etanercept wurde etwas besser toleriert: Atemwegsinfekte (27-39%) und Kopfschmerzen (22-27%) waren die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW). Sie traten in allen drei Gruppen auf, jeweils häufiger in der MTX-Gruppe. Typische UAW von Etanercept waren Hautreaktionen an der Injektionsstelle (30-37%). Neoplasien oder Autoimmunerkrankungen wurden nicht häufiger beobachtet als erwartet.

P.E. Lipsky et al. (N. Engl. J. Med. 2000, 343, 1594) testeten den Langzeiteffekt einer Kombination aus MTX und Infliximab an Patienten mit RA, die trotz einer ausreichenden Basistherapie mit MTX (mindestens 12,5 mg, im Mittel 16 mg wöchentlich) an einer aktiven RA litten. Die Aktivität war u.a. über Entzündungszeichen an mindestens 6 Gelenken und paraklinische Befunde definiert. Die 428 Patienten (mittleres Alter 52 Jahre, mittlere Krankheitsdauer 11 Jahre) wurden in fünf Gruppen randomisiert. Sie erhielten ein Jahr lang entweder MTX in der bislang verabreichten Dosis plus Plazebo oder MTX plus Infliximab i.v. in 4 Behandlungsregimen (3 oder 10 mg pro kg Körpergewicht, je alle 4 Wochen oder alle 8 Wochen). Prednisolon (60% der Patienten) und nichtsteroidale Antiphlogistika (74% der Patienten) durften zusätzlich eingenommen werden.

50% der Patienten im MTX-Arm und 21% in den Kombinationsarmen beendeten die Studie vorzeitig, 36% bzw. 12% wegen mangelnder Wirksamkeit der Therapie, die übrigen wegen UAW. Nach einem Jahr hatten nach klinischen, serologischen (Rheumafaktor, CRP) und radiologischen Kriterien deutlich mehr Patienten in den MTX/Infliximab-Gruppen eine Besserung der Symptome (Tab. 1). Bei den mentalen und sozialen Zielparametern (Fragebögen zur Lebensqualität und zur sozialen Funktion) war die Verbesserung in allen Gruppen etwa gleich (um ca. 15%).

Es wurde auch klar, daß die Basistherapie der RA sehr aufmerksam überwacht werden muß. Bei nahezu jedem Patienten trat im Beobachtungsjahr eine UAW auf (ca. 95%); 20% wurden als schwerwiegend angesehen. Alle Gruppen waren etwa gleich häufig betroffen. Insgesamt wurden fünf Krebsfälle beobachtet, alle in der hoch dosierten Infliximab-Gruppe. Diese Zahl entspricht jedoch noch der zu erwartenden Häufigkeit. Bei 10% der mit Infliximab Behandelten traten neu Autoantikörper gegen Doppelstrang-DNA auf, und einige Patienten bildeten Antikörper gegen Infliximab.

Bei der Wertung der Ergebnisse beider Studien muß berücksichtigt werden, daß neun von zwölf Autoren der ersten Studie und alle Autoren der zweiten Studie vertraglich und finanziell eng mit den Herstellerfirmen verbunden sind.

In einem undatierten „Rote-Hand-Brief“, der kurz vor Weihnachten 2000 bei den Ärzten eingegangen sein müßte, haben Schering-Plough und Centocor mitgeteilt, daß unter der Therapie mit Remicade bisher 28 Fälle von aktiver Tuberkulose (9 in den USA, 19 in Europa) gemeldet wurden und daß die Fachinformation in den Punkten „Gegenanzeigen“, „besondere Warnhinweise“ und „Nebenwirkungen“ entsprechend ergänzt wurde. Vorsicht und Wachsamkeit sind also auch im Hinblick auf Infektionen geboten.

Fazit: Die TNF-Blockade mit Etanercept oder Infliximab ist bei RA, die trotz adäquater Basistherapie mit MTX aktiv bleibt, eine wirksame, aber sehr teure Alternative. Beide Substanzen sind vergleichsweise (mit MTX) gut verträglich. Ein frühzeitiger Einsatz bei RA ist wegen fehlender Langzeitdaten als Experiment anzusehen. Viele Fragen zur Langzeittherapie sind unbeantwortet, besonders zur Sicherheit (Förderung von Neoplasien, immunologischen Zweiterkrankungen oder von Infektionen, z.B. Reaktivierung von Tuberkulosen?) und Effektivität (z.B. Bildung von neutralisierenden Antikörpern?). Daher ist außerhalb kontrollierter Studien unbedingt Zurückhaltung geboten.

Abbildung 2001-4-1.gif