Einer Ethikkommission wurde eine Studie zur Beratung vorgelegt, in der bei postmenopausalen Frauen Aromatase-Hemmstoffe daraufhin geprüft werden sollten, ob sie mehr oder weniger auf die Entwicklung einer Osteoporose Einfluß nehmen. Aromatase-Hemmer werden bei der Therapie des Östrogen-Rezeptor-positiven Mammakarzinoms eingesetzt. Sie hemmen die Bildung von Östrogenen aus Androgenen. Nebenwirkungen sind die des Östrogenentzugs: Hitzewallungen, Schwindel, Übelkeit, daneben auch Anämie. Die Prüfung war bei gesunden postmenopausalen Frauen geplant. Auch die Methodik war fragwürdig. Die Ethikkommission konnte somit kein positives Votum erteilen.
Gleichzeitig hatte der Sponsor auch eine Stellungnahme bei einer anderen Ethikkommission eingeholt. Dort war das Votum positiv. Eine kollegiale Rücksprache fand nicht statt. Daraufhin erhob der Sponsor den dortigen Prüfarzt zum Leiter dieser klinischen Prüfung und konnte somit die Prüfung durchführen lassen.
Der Wechsel des Leiters einer klinischen Prüfung in den örtlichen Bereich einer Ethikkommission, die ein positives Votum ausgesprochen hat, kommt häufiger vor. Die erste Ethikkommission mußte in zwei weiteren Fällen mitansehen, daß ihr negatives Votum ohne Rücksprache übergangen wurde: Eine Studie betraf ein orales Kontrazeptivum, das bei Patientinnen mit Seborrhö erprobt werden sollte, die andere ein Infusionspräparat zur Anwendung bei Patienten mit Schlaganfall.
Die Vorgänge zeigen, wie wenig Bedeutung den aufwendigen Beratungen der Ethikkommissionen beigemessen werden und wie leicht sie übergangen und ausgetrickst werden können. Es gibt keine Berufungsinstanz bei differierenden Voten. Eine zentrale Meldestelle fehlt. Eine solche Institution muß geschaffen werden. Dort könnten auch die Ergebnisse der Studien hinterlegt werden, die mitzuteilen die Studienleiter eigentlich verpflichtet sind. Eine solche Zentrale wird schon lange gefordert, konnte aber „im Haifisch-Becken der Interessengruppen“ bisher nicht durchgesetzt werden. Die möglicherweise bald gültige europäische Richtlinie 2001/20/EG vom 4.4.2001 sieht in Artikel 6 (5) vor, daß sämtliche Voten innerhalb von 60 Tagen dem Antragsteller und der zuständigen Behörde übermittelt werden müssen. Damit würden entsprechende Vorgänge erkennbar und zu unterbinden sein – ein positiver Aspekt der auch umstrittenen Richtlinie.