Voriconazol (Vfend) ist ein neues, in Deutschland kürzlich zugelassenes Imidazolderivat der zweiten Generation mit ähnlicher Struktur wie Fluconazol, jedoch breiterem antimykotischen Wirkspektrum und fungizider Aktivität gegen Aspergillus spp.. Dementsprechend sind zugelassene Anwendungsgebiete: (a) die Behandlung der invasiven Aspergillose, (b) von Fluconazol-resistenten, schweren, invasiven Candida-Infektionen und (c) schwerer Pilzinfektionen, hervorgerufen durch Scedosporium spp. und Fusarium spp. Voriconazol, sowohl oral als auch i.v. verabreichbar, wird nach oraler Gabe rasch resorbiert (Bioverfügbarkeit etwa 90%) und vorwiegend in der Leber durch Zytochrom-P450-Enzyme (CYP450; insbesondere CYP3A4, CYP2C9, CYP2C19) metabolisiert. Daraus resultieren zahlreiche, klinisch relevante Interaktionen mit anderen Medikamenten (1). Weniger als 5% des Voriconazols werden unverändert über die Niere ausgeschieden. Die Kosten für Voriconazol betragen, abhängig von der Dosis und bezogen auf 70 kg Körpergewicht, bei i.v. Verabreichung etwa 300-400 EUR und bei oraler Gabe etwa 100 EUR.
In einer Anfang 2002 publizierten randomisierten, multizentrischen, von Pfizer unterstützten Phase-III-Studie wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Voriconazol mit liposomalem Amphotericin B (L-AMB; AmBisome) in der empirischen antimykotischen Therapie bei Patienten mit Neutropenie und persistierendem Fieber verglichen (2). Diese Studie, deren Ziel es war, eine ”Nicht-Unterlegenheit” von Voriconazol im Vergleich mit L-AMB zu zeigen, ergab, daß Voriconazol in allen Endpunkten mit Ausnahme der Verhinderung von Durchbruchinfektionen dem L-AMB unterlegen war und unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW), wie Sehstörungen und Halluzinationen, unter Voriconazol signifikant häufiger auftraten. Aufgrund dieser Ergebnisse empfahl die ”Food and Drug Administration” (FDA), Voriconazol keine Zulassung für die Indikation empirische antimykotische Therapie bei Patienten mit Fieber und Neutropenie zu erteilen (3).
Kürzlich wurde eine weitere randomisierte, multizentrische, ebenfalls von Pfizer finanziell unterstützte Phase-III-Studie publiziert, die Wirksamkeit und Sicherheit von Voriconazol mit konventionellem Amphotericin-B-Desoxycholat (K-AMB; Amphotericin B) zur Behandlung der invasiven Aspergillose (IA) verglich (4). In diese Studie wurden 277 Patienten mit gesicherter oder wahrscheinlicher IA, basierend auf histopathologischen, mikrobiologischen und radiologischen Kriterien, eingeschlossen. Nach Randomisierung erhielten die Patienten Voriconazol zunächst 7 Tage lang i.v. und anschließend per os oder K-AMB i.v. Die geplante Therapiedauer betrug 12 Wochen, wobei Patienten mit Unverträglichkeit der Studienmedikation oder keinem Ansprechen auf die initiale Therapie mit anderen zugelassenen Antimykotika behandelt werden durften. Die mediane Dauer der Gabe von Voriconazol betrug 77 Tage, demgegenüber von K-AMB nur 10 Tage. Etwa 70% der Patienten in beiden Gruppen hatten die IA im Rahmen der intensiven Behandlung ihrer hämatologischen Grunderkrankung (akute Leukämien, allogene oder autologe Stammzell-Transplantationen) erworben. Nur ca. 45% der Patienten hatten zu Beginn der Studie eine Neutropenie (Neutrophile < 0,5/nl). Primäres Zielkriterium der Studie war es zu zeigen, daß Voriconazol dem K-AMB im Therapieerfolg (komplette bzw. partielle Rückbildung der IA) nach 12 Wochen antimykotischer Behandlung nicht unterlegen ist. Sekundäre Endpunkte waren die Verträglichkeit, Dauer des Überlebens und der Nachweis einer Überlegenheit im Therapieansprechen von Voriconazol gegenüber K-AMB. Für diese Auswertungen wurde eine ”Modified intention-to-treat”-Population herangezogen, d.h. nur Patienten, die zumindest eine Dosis des Antimykotikums erhalten hatten und deren Ausgangsdiagnose (gesicherte oder wahrscheinliche IA) durch ein ”Data-review committee” bestätigt wurde. Sowohl Therapieansprechen (52,8% versus 31,6%) als auch Überlebensrate (70,8% versus 57,9%) waren für Patienten, die mit Voriconazol behandelt wurden, signifikant besser. Leider enthält die Publikation keine Angaben zur genauen Dauer der Neutropenie in den beiden Gruppen, einem Faktor, der den Therapieerfolg entscheidend beeinflußt. Schwere UAW (z.B. generalisierte Störungen wie Fieber, Schüttelfrost, anaphylaktische Reaktionen; Nierenfunktionsstörungen; Hypokaliämie) traten unter K-AMB, Sehstörungen (45% versus 4%) und Halluzinationen unter Voriconazol häufiger auf.
Fazit: Voriconazol war in einer multizentrischen Studie bei Patienten mit gesicherter oder wahrscheinlicher invasiver Aspergillose konventionellem Amphotericin B hinsichtlich Therapieansprechen und Überleben überlegen. Die unter Amphotericin B bekannten schweren UAW traten unter Voriconazol signifikant seltener, Sehstörungen und Halluzinationen jedoch signifikant häufiger auf. Weitere randomisierte Studien unter vergleichbaren Bedingungen (z.B. hinsichtlich Dauer der antimykotischen Therapie und der Neutropenie) müssen diese Ergebnisse bestätigen. In der empirischen antimykotischen Therapie bei Patienten mit Fieber und Neutropenie exisitieren bisher keine Daten aus kontrollierten klinischen Studien, die eine Überlegenheit von Voriconazol gegenüber Amphotericin B zeigen.
Literatur
- Hoffman, H.L., und Rathbun, R.C.: Expert. Opin. Investig. Drugs 2002, 11, 409.
- Walsh, T.J., et al.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 225.
- Powers, J.H., et al.: N. Engl. J. Med. 2002, 346, 289.
- Herbrecht, R., et al.: N. Engl. J. Med. 2002, 347, 408.