Die DCCT- und andere Studien haben gezeigt, daß bei Typ-1-Diabetikern eine nahezu euglykämische Einstellung die stark behindernden diabetischen Spätkomplikationen Retinopathie, Neuropathie und Nephropathie verzögern kann (1-4; Übersicht und Metaanalyse bei 5). Die DCCT-Studie hatte zwei Gruppen, intensivierte bzw. konventionelle Diabetestherapie, miteinander verglichen und endete nach 6,5 Jahren. Die Patienten beider Gruppen wurden danach von ihren Hausärzten weiterbehandelt und motiviert, mit der intensivierten Therapie fortzufahren bzw. auf die intensivierte Therapie überzugehen. In der EDIC-Studie werden seit dieser Zeit jährlich (inzwischen länger als acht Jahre) die Daten dieser Patienten ausgewertet (6-8). Die beiden ehemaligen DCCT-Gruppen (intensivierte Therapie: n = 676; konventionelle Therapie: n = 673) unterschieden sich zum Zeitpunkt des Eintritts in die EDIC-Studie in wesentlichen epidemiologischen Parametern nicht: Alter (34 Jahre vs. 33 Jahre), Geschlecht (49% vs. 46% Frauen), Diabetesdauer (12 Jahre), Raucher (23% vs. 22%), Serum-Kreatinin (0,85 mg/dl vs. 0,84 mg/dl), 125I-Iothalamat-Clearance (125 vs. 126 ml/Min. pro 1,73 m2), LDL-Cholesterin (113 mg/dl vs. 115 mg/dl), Blutdruck (> 140/90 mmHg: 11%). Signifikante Unterschiede als Folge der vorausgegangenen Therapieregime bestanden im HbA1C (7,4% vs. 9,1%; p < 0,001), in der Albuminausscheidung im Urin (> 28 µg/Min. = > 40 mg/d; 7,4% vs. 12,9% der Patienten) sowie im Body-Mass-Index (26,5 vs. 25,0).
Ergebnisse: Während der Nachbeobachtungsjahre glichen sich die HbA1C-Werte beider Gruppen allmählich an, blieben jedoch nach acht Jahren immer noch statistisch unterschiedlich (8,0% vs. 8,2%; p = 0,002). Trotz dieser Angleichung vergrößerte sich der anfängliche Unterschied in Prävalenz und kumulativer Inzidenz der Mikroalbuminurie weiter, denn 6,8% der ursprünglich normoalbuminurischen, intensiviert behandelten Patienten entwickelten neu eine Mikroalbuminurie, während es in der zuvor konventionell behandelten Vergleichsgruppe 15,8% waren. Neue, „klinische Albuminurie“ (> 208 µg/Min. = > 300 mg/d) trat bei 1,4% der Patienten in der ursprünglich intensiviert behandelten Gruppe auf vs. 9,4% in der konventionell behandelten Gruppe.
Hinsichtlich der Protektion der Nierenfunktion sind die Ergebnisse weniger unterschiedlich: 1,5% verdoppelten die Kreatininwerte vs. 2,5% in der ehemals konventionell behandelten Gruppe (p = 0,17). Nimmt man jedoch das Erreichen eines Kreatininwerts von > 2 mg/dl als Maßstab, waren die Unterschiede signifikant (0,7% vs. 2,8%; p = 0,004). Leider wurden die sequenziellen Messungen der glomerulären Filtrationsrate (125I-Iothalamat-Clearance) aus der DCCT-Studie nicht weitergeführt, so daß die Daten hinsichtlich der Progression der Niereninsuffizienz nicht sehr valide sind. Der Anteil der dialysepflichtig gewordenen Patienten betrug 0,6% vs. 1,0% (p = 0,14).
Sehr auffällig sind die Ergebnisse hinsichtlich der behandlungsbedürftigen arteriellen Hypertonie. Zu Beginn der EDIC-Studie war die Prävalenz mit 11% in beiden Gruppen gleich. Sie nahm in der ursprünglich intensiviert behandelten Gruppe geringer zu als in der konventionell behandelten und erreichte nach dem zweiten Jahr Signifikanzniveau. Nach acht Jahren betrug sie 29,9% vs. 40,3% (p = 0,001). Diese Unterschiede sind nach Angaben der Autoren nicht auf unterschiedliche antihypertensive Therapieregime zurückzuführen. ACE-Hemmer z.B. wurden zu 21,6% vs. 29,0% eingesetzt, was auch wichtig ist für die Interpretation der Albuminurie-Daten.
Die Ergebnisse bestätigen die Überlegenheit und auch einen länger anhaltenden günstigen Effekt der intensivierten Therapie bei Diabetes mellitus Typ 1 hinsichtlich Nierenfunktion und Hypertonie, wie er auch schon für die diabetische Retinopathie gezeigt worden ist (3).
Fazit: Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 sollten gleich zu Beginn der Erkrankung eine intensivierte Diabetes-Therapie erhalten. Die EDIC-Studie zeigt, daß Patienten, die zunächst 6,5 Jahre lang konventionell behandelt und erst dann auf eine intensivierte Diabetestherapie umgestellt wurden, auch acht Jahre danach noch Nachteile haben: die Albuminurie ist stärker, die Niereninsuffizienz entwickelt sich wahrscheinlich rascher und die arterielle Hypertonie ist häufiger.
Literatur
- DCCT = Diabetes Control and Complications Trial: N. Engl. J. Med. 1993, 329, 977.
- DCCT = Diabetes Control and Complications Trial: Kidney Int. 1995, 47, 1703.
- DCCT = Diabetes Control and Complications Trial: N. Engl. J. Med. 2000, 342, 381.
- AMB 1995, 29, 33.
- Wang, P.H., et al.: Lancet 1993, 341, 1306.
- EDIC = Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications: Diabetes Care 1999 22, 99.
- EDIC = Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications: JAMA 2002, 287, 2563.
- EDIC = Epidemiology of Diabetes Interventions and Complications: JAMA 2003, 290, 2159.