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Empfehlungen zur Praxis der postkoitalen oder „Notfall”-Kontrazeption

Alle Hausärzte und Gynäkologen sollten mit den Methoden der postkoitalen Kontrazeption (PK) vertraut sein, auch wenn die geplante Kontrazeption mit hormonalen Kontrazeptiva, intrauterinen Spiralen oder Kondomen immer Vorrang hat. Oft stellt sich Panikstimmung ein, wenn ein Paar ohne eine solche Prävention und ohne den Wunsch, ein Kind zu zeugen, ungeschützten Verkehr hatte oder das Kondom zerreißt. Die Wahrscheinlichkeit, daß bei Geschlechtsverkehr in der Nähe des Ovulationszeitpunkts eine Schwangerschaft entsteht, ist bei Frauen im Alter von 19 Jahren ca. 50%, in anderen Zyklusphasen und bei älteren Frauen deutlich geringer. Wir haben dieses Thema mehrfach besprochen (s. 1, 2).

Im N. Engl.J.Med. (3) erschien kürzlich unter der Rubrik „Clinical Practice” ein Übersichtsartikel von Carolyn Westhoff aus New York zur „Emergency Contraception”, dessen wichtigste Empfehlungen zusammengefaßt werden sollen. Wie bereits früher mitgeteilt, ist die einmalige Einnahme von 1,5 mg Levonorgestrel (LNG), möglichst innerhalb der ersten 3 Tage nach ungeschütztem Verkehr, den älteren Methoden (zweimalige Einnahme einer hochdosierten Östrogen/Gestagen-Pille oder zweimalige Einnahme von LNG) hinsichtlich Schwangerschaftsverhütung gleichwertig. Im Vergleich mit der Östrogen/Gestagen-Methode ist dieses Vorgehen mit nur geringen Nebenwirkungen behaftet, so daß es kaum Kontraindikationen gibt. Deshalb bemüht sich das American College of Obstetricians and Gynecologists zur Zeit bei der FDA, die rezeptfreie Abgabe von LNG für den Zweck der PK zu erwirken. Bisher gibt es diese Präparate in den USA und auch in Deutschland nur auf Rezept. An Wochenenden ist es allerdings nicht leicht, einen Arzt zu erreichen. Die Ärzte in den USA werden aufgefordert, Paaren, die die PK einmal in Anspruch genommen haben, auf Wunsch eine zweite Packung (2 Tabl. à 0,75 mg LNG) zu verschreiben. Es wird aber kein Zweifel daran gelassen, daß die prophylaktische Kontrazeption weiterhin absoluten Vorrang hat. Jede Beratung zur PK sollte auch für eine gründliche Beratung zur prophylaktischen Kontrazeption genutzt werden. Einer Frau, die die PK in Anspruch nimmt, sollte, sofern sie auch weiterhin Verkehr haben wird, sofort ein orales Kontrazeptivum verschrieben werden, mit dessen Einnahme sie (zusätzlich zur Einnahme von 1,5 mg LNG) sofort beginnen sollte. Alternativ kommt bei Frauen, die bereits Kinder haben, die sofortige Einlage einer kupferhaltigen intrauterinen Spirale infrage. In diesem Fall erübrigt sich die akute Gabe von LNG. Die prophylaktische Verschreibung von zweimal 0,75 mg oder einmal 1,5 mg LNG zur PK kommt auch infrage für Frauen, die nur selten Verkehr haben, und die nicht durch eine intrauterine Spirale geschützt sind.

Die PK mit LNG führt meist zu einer Verlängerung des Zyklus. Ein Schwangerschaftstest sollte nur durchgeführt werden, wenn 4 Wochen nach PK oder nach Beginn der regulären kombinierten hormonalen Kontrazeption keine Menstruation aufgetreten sein sollte. Die Schwangerschaftsrate nach PK hängt natürlich vom Alter der Frauen und vom Abstand des Verkehrs von der Zyklusmitte ab und bewegt sich im Mittel um 1-2%. Bisher gibt es aus Studien keinen Anhalt dafür, daß trotz PK gezeugte und ausgetragene Kinder häufiger Fehlbildungen haben. Das gilt auch für Schwangerschaften, in deren früher Phase versehentlich weiter orale Kontrazeptiva eingenommen wurden.

In Deutschland sind für die PK jetzt zwei Spezialitäten (jeweils 2 Tabl. à 0,75 mg LNG) auf dem Markt: Duofem® von Hexal für 10,65 EUR und Levogynon® von Schering für 17,34 EUR.

Fazit: Um unerwünschte Schwangerschaften nach ungeschütztem Verkehr und Schwangerschaftsabbrüche zu reduzieren, sollten praktizierende Ärzte mit den Methoden der postkoitalen Kontrazeption vertraut sein. Hierfür kommt in erster Linie die einmalige Einnahme von 1,5 mg Levonorgestrel so früh wie möglich nach Verkehr oder die sofortige Einlage einer kupferhaltigen intrauterinen Spirale infrage. Vorrang behält auf jeden Fall die prophylaktische Kontrazeption.

Literatur

  1. AMB 1998, 32, 69a.
  2. AMB 2003, 37, 24a.
  3. Westhoff, C.: N. Engl. J. Med. 2003, 349, 1830.