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Prophylaxe der Röntgenkontrastmittel-Nephropathie

Zusammenfassung: Die durch Röntgenkontrastmittel (KM) induzierte Verschlechterung der Nierenfunktion (KM-Nephropathie = KMNP) ist eine klinisch ernste und in Anbetracht zunehmender arteriosklerotischer Gefäßerkrankungen mit der Notwendigkeit von Angiographien eine häufigere Komplikation, vor allem bei Diabetikern mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion. Die sicherste Vorbeugung besteht im Vermeiden unnötiger KM-Untersuchungen und – falls möglich – in der Anwendung anderer Verfahren. Bei zwingender Indikation zur KM-Untersuchung sollte eine möglichst geringe Menge appliziert werden. Außerdem sollten potenziell nephrotoxische Medikamente (z.B. ACE-Hemmer, Diuretika und NSAID) möglichst Tage zuvor abgesetzt werden. Die Aufforderung zum Trinken bzw. die i.v. Hydrierung mit isotoner Kochsalzlösung (1 ml/kg/h innerhalb von 12 Stunden vor und nach der Untersuchung) wird nach Ergebnissen mehrerer Studien allgemein als nephroprotektiv bei Patienten mit Risikofaktoren für eine KMNP angesehen, wobei klinische Kontraindikationen zu beachten sind. Die orale Gabe von dreimal 600 mg Acetylcystein (ACC) im Abstand von 12 Stunden vor und einmal 600 mg nach der KM-Gabe ist dabei offenbar additiv wirksam. Es fehlen jedoch größere Studien, in denen die gezeigten nephroprotektiven Effekte von ACC und anderer Substanzen qualitativ und quantitativ untereinander und mit der Hydratation verglichen werden. Hämodialyse zur Steigerung der Elimination des KM – auch sofort nach der Applikation – scheint zu spät zu kommen und klinisch eher nachteilig zu sein. Ob kontinuierliche venovenöse Hämofiltration vor und nach KM-Gabe KMNP vermindern kann, müssen weitere Untersuchungen bestätigen.

Die nach i.v. Gabe eines Röntgen-KM möglicherweise auftretende Nephropathie (KMNP) wird von vielen Autoren definiert als Anstieg des Serumkreatinins um mindestens 0,5 mg/dl oder um mindestens 25% des Ausgangswerts innerhalb von 24-72 Stunden. In der Regel sinkt der Kreatininwert in den folgenden zwei Wochen wieder auf den Ausgangswert. Machmal erholt sich die verschlechterte Nierenfunktion jedoch nicht vollständig oder es kommt sogar zum dialysepflichtigen Nierenversagen. Ein erhöhtes Risiko für eine KMNP besteht nach den Ergebnissen älterer Studien bei dehydrierten und älteren Patienten, bei bereits eingeschränkter Nierenfunktion, Diabetes mellitus, Plasmozytom sowie bei Verwendung größerer KM-Mengen. Durch die KMNP steigen Morbidität und Letalität, und oft verlängert sich der Krankenhausaufenthalt (1).

I.v. gegebene KM verschlechtern die Nierenfunktion, indem sie zu lokalen Ischämien in der Niere führen bzw. direkt toxisch auf die Tubuluszellen wirken, was u.a. auf eine vermehrte Freisetzung von Radikalen („oxidativer Streß“) zurückgeführt wird. Dies zeigt sich z.B. auch in einer erhöhten Ausscheidung tubulärer Enzyme im Urin. Durch verschiedene pharmakologische Interventionen sowie mit einer Steigerung der KM-Elimination durch Hämodialyse bzw. Hämofiltration bei bereits niereninsuffizienten Patienten wurde in den letzten Jahren versucht, die Häufigkeit der KMNP zu verringern.

1994 konnte eine vorbeugende Wirkung durch i.v. Gabe 0,45%iger NaCl-Lösung (1 ml/kg/h) über einen Zeitraum von 12 Stunden vor und nach KM-Exposition belegt werden (2). In einer nachfolgenden Studie mit 1620 Patienten hat sich die 0,9%ige NaCl-Lösung der 0,45%igen als überlegen gezeigt (3). Auch Theophyllin, ein Adenosin-Rezeptor-Antagonist mit durchblutungssteigernder Wirkung, hat sich nach oraler Gabe als protektiv erwiesen; möglicherweise ist der Effekt aber nicht additiv zur alleinigen Gabe von 0,9%iger NaCl-Lösung (4). Fenoldopam, ein neuartiges, i.v. zu gebendes Antihypertensivum, das selektiv auf die peripheren Dopamin-A1-Rezeptoren wirkt, zeigte in kleinen Studien eine prophylaktische Wirkung (5, 6, 14), nicht jedoch in einer neuen, großen Untersuchung (23). Die Gabe von KM mit niedriger Osmolarität soll ebenfalls seltener zu einer KMNP führen (7, 8).

Besonders häufig wurde Acetylcystein (ACC), das den oxidativen Streß und somit theoretisch die toxischen Effekte des KM auf die Nierentubuli reduzieren kann, untersucht. In einer kleinen Studie aus dem Jahre 2000 wurde erstmals ein nephroprotektiver Effekt gezeigt (9; s.a. Tab. 1). Tepel et al. führten eine Computertomographie mit 75 ml Iopromid (Ultravist®), einem niedrigosmolaren, nichtionischen KM, durch und analysierten die Serumkreatininwerte von 83 Patienten mit einem Ausgangskreatinin von > 1,2 mg/dl bzw. einer Kreatininclearance von < 50 ml/min. Die Patienten der Verum- und der Plazebo-Gruppe wurden 12 h vor und 12 h nach der Untersuchung mit 0,45%iger Kochsalzlösung (1ml/kg KG/h) hydriert. In der Gruppe, die zweimal täglich 600 mg ACC oral am Tag vor und am Tag der Untersuchung erhielt, fiel das Serumkreatinin im Mittel von 2,5 auf 2,1 mg/dl ab; in der Kontroll-Gruppe stieg es dagegen leicht von 2,4 auf 2,6 mg/dl an.

Im vergangenen Jahr erschien im J. Am. Coll. Cardiol. eine Studie mit 121 Patienten mit erheblich eingeschränkter Nierenfunktion, die koronarangiographiert wurden (10). Das mittlere Ausgangskreatinin lag bei 2,8 mg/dl. Neben einer Hydrierung mit 0,45%iger NaCl-Lösung erhielten die Patienten für zwei Tage Plazebo oder zweimal 400 mg ACC/d oral. In der Verum-Gruppe kam es bei nur zwei von 60 Patienten zu einem Kreatininanstieg von über 0,5 mg/dl im Vergleich zu 15 von 61 Patienten aus der Plazebo-Gruppe (p < 0,001).

Eine weitere Untersuchung an 183 Patienten, die neben der üblichen i.v. Hydrierung zweimal 600 mg ACC oder Plazebo oral vor und nach einer Angiographie erhielten, stellten die Autoren bei 6,5% der Patienten in der Verum-Gruppe und bei 11% in der Plazebo-Gruppe eine KMNP fest (p < 0,22; 11). Signifikant war der Vorteil für ACC nur bei KM-Mengen unter 140 ml.

Durham et al. änderten die Dosis und die Applikationsintervalle von ACC (12). Sie hydrierten die Patienten und gaben 1200 mg ACC oder Plazebo eine Stunde vor und drei Stunden nach der KM-Untersuchung. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede im Hinblick auf die Verschlechterung der Nierenfunktion in beiden Gruppen. Tendenziell schnitt die Verum-Gruppe sogar schlechter ab.

Im JAMA wurden in diesem Jahr die Ergebnisse einer prospektiven, randomisierten, plazebokontrollierten Doppeltblindstudie vorgestellt zum Effekt von ACC auf die Serumkreatininkonzentration von 200 koronarangiographierten Patienten (13). Einschlußkriterium war eine chronische Niereninsuffizienz mit einem Serumkreatinin > 1,2 mg/dl oder mit einer Kreatininclearance < 60 ml/Min. Im Mittel lag der Kreatininwert bei 1,36 mg/dl. Die Patienten der beiden Gruppen unterschieden sich nicht hinsichtlich Alter, Geschlecht, Grunderkrankung, Begleitmedikation und Grad der Niereninsuffizienz. Die Kreatininclearance wurde mittels der Cockcroft-Gault-Formel (22; Tab. 1) geschätzt und mit einer Messung des 24-Stunden-Sammelurins verifiziert. Vor der Koronarangiographie, die überwiegend zusammen mit einer Ventrikulografie und in ungefähr 30% der Fälle mit einer PTCA durchgeführt wurde, erhielten alle Patienten über einen Zeitraum von 12 Stunden vor und 6 Stunden nach der Untersuchung i.v. 1 ml isotone Kochsalzlösung/kg KG/h. Zudem forderte man die Studienteilnehmer auf, reichlich zu trinken. In der Verum-Gruppe wurde den Patienten im Abstand von jeweils 12 Stunden dreimal 600 mg ACC vor und einmal 600 mg nach der Untersuchung per os verabreicht und in der Kontroll-Gruppe entsprechend Plazebo. Alle Patienten wurden mit durchschnittlich 140 ml Iopamidol (Solutrast, Unilux), einem parenteralen KM niedriger Osmolarität, untersucht. In definierten Zeitabständen wurden bis zu 7 Tage nach der Untersuchung die Serumkreatininwerte gemessen. In der ACC-Gruppe sank das mittlere Serumkreatinin von anfangs 1,35 auf 1,22 mg/dl, in der Plazebo-Gruppe stieg der Mittelwert leicht auf 1,38 mg/dl. Jedoch kam es bei 12 Patienten in der Plazebo-Gruppe zu einem Anstieg des Kreatininwertes von über 25% im Vergleich zu 4 Patienten in der Verum-Gruppe (p < 0,05). Nicht signifikant entwickelten mehr Patienten in der Kontroll-Gruppe einen Kreatininanstieg > 50% bzw. eine Oligurie (zwei versus null bzw. drei versus einem Patienten). Die Aufenthaltsdauer im Krankenhaus war in der ACC-Gruppe signifikant kürzer. In Subanalysen profitierten vor allem Diabetiker und Patienten, die größere KM-Mengen erhielten, von ACC.

Eine weitere Arbeit verglich den nephroprotektiven Effekt von 0,45%iger NaCl-Lösung mit dem von zusätzlich gegebenem ACC oral bzw. Fenoldopam bei 123 Patienten, die koronarangiographiert wurden. Dabei ergab sich für beide Substanzen kein zusätzlicher Vorteil im Vergleich mit der Kochsalzlösung (14).

In der APART-Studie wurden 54 relativ alte Patienten (mittleres Alter 73 Jahre), die elektiv kardial katheterisiert wurden und dazu im Mittel 184 ml Ioxilan erhielten, untersucht (15). Die Kontroll-Gruppe erhielt 0,45%ige NaCl-Lösung 2-12h vor und 12 h nach der Untersuchung, die Verum-Gruppe zusätzlich einmal 600 mg ACC vor und dreimal 600 mg ACC nach der Prozedur. Eine KMNP trat bei 13 von 29 Patienten (45%) in der Kontroll- und bei 2 von 25 Patienten (8%) in der ACC-Gruppe auf. Kein Patient wurde dialysepflichtig.

In einer sehr sorgfältigen und kritischen Metaanalyse dieser 7 genannten Publikationen (9-15) mit den etwas heterogenen Ergebnissen kommen Birck et al. (16; s.a. Tab. 2) zu dem Schluß, daß oral gegebenes ACC im Vergleich zur alleinigen Hydratation mit NaCl-Lösung zusätzlich vor einer KMNP schützt. Schwer zu erkären ist allerdings der Befund, daß das Relative Risiko der in diesen Studien beobachteten KMNP unabhängig war vom Grad der vorbestehenden Niereninsuffizienz und von der applizierten KM-Menge.

Häufig bleibt vor dringlichen KM-Untersuchungen bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion nicht genug Zeit für eine längere Hydrierung mit oraler Gabe von ACC. Deshalb wurden die Effekte einer kurzfristigen i.v. ACC-Gabe in der RAPPID-Studie untersucht (17). 80 Patienten mit einem mittleren Serumkreatinin von 1,8 mg/dl wurden randomisiert und in zwei Gruppen eingeteilt. Die Patienten der Verum-Gruppe erhielten 30 Min. vor der Untersuchung 150 mg ACC/kg KG in 500 ml 0,9%iger NaCl-Lösung i.v. Nach der KM-Exposition wurden 50 mg ACC/kg in 500 ml 0,9 %iger Kochsalzlösung über einen Zeitraum von 4 Stunden infundiert. In der Plazebo-Gruppe wurde 1 ml/kg KG/h isotone Kochsalzlösung über 12 Stunden vor und nach der Prozedur verabreicht. Als KM applizierten die Untersucher durchschnittlich 230 ml isoosmolares, nichtionisches Iodixanol (Visipaque®). In der Kontrollgruppe stieg im Mittel der Kreatininwert 48 bzw. 96 Stunden nach KM-Applikation von 1,75 mg/dl auf 1,81 bzw. 1,80 mg/dl und sank dagegen in der Verum-Gruppe von 1,85 mg/dl auf 1,77 bzw. 1,79 mg/dl (p < 0,02 bzw. p < 0,03). Eine KMNP trat bei acht Patienten in der Kontroll- und bei zwei Patienten in der ACC-Gruppe auf (p < 0,05). Kein Patient wurde dialysepflichtig. In beiden Gruppen entwickelten jeweils zwei Patienten ein Lungenödem. Deshalb sollte man sich vor einer Flüssigkeitsgabe stets einer guten linksventrikulären Funktion versichern. Sechs Patienten der Verum-Gruppe klagten über Juckreiz und Exantheme im Sinne einer milden anaphylaktischen Reaktion; bei drei Patienten mußte die i.v. Gabe nach dem ACC-Bolus abgebrochen werden. Diese unerwünschten Arzneimittelwirkungen und die geringe prophylaktische Wirksamkeit des kurzfristig i.v. verabreichten ACC lassen dieses Regime als unverhältnismäßig riskant erscheinen.

Unter der Vorstellung, daß eine raschere und schnellere Elimination des KM nephroprotektiv wirken könnte (18), wurden mehrere Studien mit Hämodialyse (19, 20) und eine neuere mit kontinuierlicher venovenöser Hämofiltration (21) bei bereits niereninsuffizienten Patienten initiiert. Eine Hämodialysebehandlung nach KM-Untersuchung kann zwar zusätzlich KM eliminieren, scheint jedoch eine KMNP nicht verhindern zu können oder sogar nachteilig zu sein (19, 20). Dies wird darauf zurückgeführt, daß die Behandlung offenbar zu spät kommt, d.h. die renale Schädigung bereits eingesetzt hat, und daß möglicherweise hämodynamische Veränderungen unter der Hämodialyse die Nierenfunktion verschlechtern. Recht positiv sind dagegen erste Ergebnisse mit kontinuierlicher venovenöser Hämofiltration, die bereits 4-6 h vor der Kontastmitteluntersuchung begonnen und direkt danach 18-24 h lang weiter durchgeführt wurde (21). Diese Ergebnisse sollten durch andere Arbeitsgruppen überprüft werden.

Literatur

  1. Levy, E.M., et al.: JAMA 1996, 275, 1489.
  2. Solomon, R., et al.: N. Engl. J. Med. 1994, 331, 1416.
  3. Mueller, C., et al.: Arch. Intern. Med. 2002, 162, 329.
  4. Erley, C.M., et al.: Nephrol. Dial. Transplant. 1999, 14, 1146.
  5. Madyoon, H., et al.: Catheter Cardiovasc. Interv. 2001, 53, 341.
  6. Tumlin, J.A., et al.: Am. Heart J. 2002, 143,894.
  7. Barrett, B.J., und Carlisle, E.J.: Radiology 1993, 188, 171.
  8. Rudnick, M.R.S., et al.: Kidney Int. 1995, 47, 254.
  9. Tepel, M., et al.: N. Engl. J. Med. 2000, 343, 180.
  10. Shyu, K.G., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2002, 40, 1383.
  11. Briguori, C., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2002, 40, 298.
  12. Durham, J.D., et al.: Kidney Int. 2002, 62, 2202.
  13. Kay, J., et al.: JAMA 2003, 289, 553.
  14. Allaqaband, S., et al.: Catheter Cardiovasc. Interv. 2002, 57, 279.
  15. Diaz-Sandoval, L.J., et al. (APART = Acetylcysteine to Prevent Angiography-related Renal Tissue injury): Am.J.Cardiol. 2002, 89, 356.
  16. Birck, R., et al.: Lancet 2003, 362, 598.
  17. Baker, C.S., et al. (RAPPID = RApid Protocol for the Prevention of contrast-Induced renal Dysfunction): J. Am. Coll. Cardiol. 2003, 41, 2114.
  18. Schindler, R., et al.: Nephrol. Dial. Transplant. 2001, 16, 1471.
  19. Berger, E.D., et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 2001, 126, 162.
  20. Vogt, B., et al.: Am. J. Med. 2001, 111, 692.
  21. Marenzi, G., et al.: N. Engl. J. Med. 2003, 349, 1333.
  22. Cockroft, D.W., und Gault, M.H.: Nephron 1976, 16, 31.
  23. Stone, G.W., et al. (CONTRAST-Studie): JAMA 2003, 290,2284.

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