Die medikamentöse Behandlung der Osteoporose haben wir mehrfach besprochen (1, 2). Sie ist schwierig und wegen unterschiedlicher Empfehlungen von Fachgesellschaften und Interessengruppen schwer durchschaubar. Ein großes Problem ist, daß bei Diagnosestellung der Knochenabbau häufig bereits so weit fortgeschritten ist, daß die antiresorptiven Therapiestrategien, wie z.B. Bisphosphonate, (zu) spät kommen und klinisch nur begrenzt wirksam sind. Notwendig sind Therapieansätze, unter denen neue Knochenmatrix aufgebaut wird, wie z.B. die teure pulsatile Gabe von Parathormon (2).
In diesem Kontext wird nun ein alter Therapieansatz neu belebt: Strontium. Dieses Element wird mit hoher Affinität vom Knochen aufgenommen („Knochensucher”) und stimuliert den Aufbau von Knochenmatrix. Der genaue Mechanismus ist allerdings nicht klar. Strontium wurde bereits in den 50er Jahren zur Therapie der Osteoporose eingesetzt, verlor dann aber wieder an Bedeutung, weil es zu Mineralisationsdefekten geführt hatte, die möglicherweise auf verminderter Calcitriol-Synthese beruhen. Heute wird spekuliert, daß dies an einem Mangel an Vitamin D und Kalzium in der Ernährung gelegen hat und außerdem die Dosierungen zu hoch gewählt waren (3).
In einer aktuellen Multicenterstudie (4) wurde Strontium-Ranelat (eine Substanz mit zwei Atomen stabilen Strontiums als organisches Salz) prospektiv über 3 Jahre an 1649 postmenopausalen Frauen (im Mittel 69 Jahre alt) mit verminderter Knochendichte und Wirbelkörperfrakturen getestet. Alle Frauen erhielten täglich bis zu 1 g elementares Kalzium und 400-800 I.U. 25-OH-Cholecalciferol (Vigantol, Ospur, Dekristol, u.a.). Nach einer Run-In-Periode von 2-24 Wochen, je nachdem wie ausgeprägt das Defizit an Kalzium bzw. Vitamin D war, wurden die Patientinnen zu Strontium-Ranelat (einmal 2 g täglich oral als Pulver) oder Plazebo randomisiert.
Neben den klinischen und radiologischen Erfolgsparametern wurde die Knochendichte der Lendenwirbelkörper und des proximalen Femurschafts gemessen. Weiterhin wurden Blutwerte zur Beurteilung des Knochenstoffwechsels bestimmt (knochenspezifische alkalische Phosphatase als Marker des Knochenaufbaus, C-Telopeptid-Cross-Links als Marker des Knochenabbaus, Parathormon, 25-OH-Vitamin D, 1,25-(OH)2-Vitamin D = Calcitriol, Calcitonin). Außerdem wurden bei 20 Freiwilligen Knochenbiopsien durchgeführt.
Primäre Endpunkte der Studie waren neu auftretende Wirbelkörperfrakturen und unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW). Die Daten wurden von der Firma Servier gesammelt und statistisch ausgewertet. Die Autoren deklarieren jedoch, daß sie Zugang zu allen Daten hatten und erklären sich für deren Richtigkeit verantwortlich.
Ergebnisse: Von den 1649 randomisierten Frauen kamen 1442 in die Intention-to-treat-Analyse (87,4%). 198 Frauen wurden ausgeschlossen, weil keine Verlaufs-Röntgenbilder vorlagen. Unter Strontium-Ranelat kam es zu einer signifikanten Verminderung neuer Wirbelkörperfrakturen nach einem Jahr und auch weiter nach drei Jahren (s. Tab. 1). Nach Berechnungen der Autoren besteht eine NNT von 9 pro 3 Jahre. Der Mineralgehalt des Knochens nahm densitometrisch in der Strontium-Gruppe stetig zu, in der Kontroll-Gruppe leicht ab (s. Tab. 1). Die histologischen Veränderungen an den gewonnenen Knochenproben, z.B. die Osteoid-Dicke, unterschieden sich nicht wesentlich zwischen beiden Gruppen. Die Stoffwechselmarker im Serum zeigten unter Strontium-Ranelat im Vergleich zu Plazebo einen steten Knochenaufbau (Erhöhung der knochenspezifischen AP) und eine Hemmung des Knochenabbaus (niedrigere C-Telopeptid-Cross-Links).
Die Verträglichkeit von Strontium-Ranelat war gut und die Compliance mit 83% während der drei Jahre ähnlich hoch wie mit Plazebo. Die häufigste UAW war Diarrhö (6,1% vs. 3,6% mit Plazebo).
Kritisch muß bei dieser Studie angemerkt werden, daß bei manifester Osteoporose ein Plazeboarm mitgeführt wurde, obwohl zum Zeitpunkt der Studienplanung bereits die Wirksamkeit von Bisphosphonaten belegt war. Weiterhin fehlt jegliche Information zu „Lebensqualität”, Häufigkeit von Krankenhausbehandlungen und Beeinflussung von Schmerzen, unseres Erachtens leicht zu gewinnende und ganz entscheidende Daten zur Beurteilung der Güte der Therapie.
Fazit: Strontium-Ranelat scheint, zumindest über einen begrenzten Zeitraum, die Häufigkeit osteoporotisch bedigter Frakturen zu vermindern. Es ist jedoch nicht klar, ob mit Langzeitkomplikationen zu rechnen ist, z.B. an extraossären Geweben. Ob diese Therapie Einfluß auf die „Lebensqualität” und auf die Prognose der Erkrankung hat, wird von der vorliegenden Studie leider nicht beantwortet und muß, ebenso wie die genaue Indikation für diese neue Substanz, weiter untersucht werden.
Literatur
- AMB 1998, 32, 41 und 49; 2002, 36, 29.
- Lindsay, R., et al.: Lancet 1997, 350, 550.
- El-Hajj Fuleihan, G.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 504.
- Meunier, P.J., et al.: N. Engl. J. Med. 2004, 350, 459.