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Vorbehandlung mit Clopidogrel macht Abciximab wirkungslos

Die periinterventionelle Gabe von GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten (GP-RA: Abciximab = ReoPro®, Tirofiban = Aggrastat®, Eptifibatid = Integrilin®) hat die Koronarintervention bei akuten Koronarsyndromen durch Verminderung thrombotischer Komplikationen sicherer gemacht (s.a. 1, 2).

Die mindestens einmonatige Gabe von ADP-Rezeptorantagonisten (ADP-RA: Ticlopidin, Clopidogrel = Iscover®, Plavix®) vermindert nach einer Stent-Implantation die Häufigkeit von Stent-Thrombosen und Restenosen (s.a. 3, 4).

Da die meisten Studien mit GP-RA noch ohne die mittlerweile übliche Vorbehandlung mit ADP-RA durchgeführt wurden, ist unklar, inwieweit diese Vorbehandlung, z.B. mit hochdosiertem Clopidogrel, den Nutzen der GP-RA beeinflußt. Es wäre sowohl denkbar, daß durch eine Vorbehandlung mit Clopidogrel der Effekt von GP-RA noch größer wird, aber auch, daß der Effekt der teuren GP-RA kleiner wird, weil die Hemmung der Thrombozyten durch Clopidogrel bereits ausreichend ist.

Die nun publizierte ISAR-REACT-Studie (5) ging dieser wichtigen Frage nach. Diese Arbeitsgruppe sieht einen wesentlichen Vorteil von Clopidogrel gegenüber Ticlopidin in seinem schnelleren Wirkeintritt. Mit einer Gabe von 600 mg (8 Tabletten à 75 mg) tritt angeblich nach bereits nach zwei Stunden eine maximale Hemmung der Thrombozytenaggregation ein.

In ISAR-REACT wurden multizentrisch zwischen Mai 2000 und Februar 2003 insgesamt 2159 Patienten (mittleres Alter 66 Jahre, 76% Männer, 20% Typ-2-Diabetiker) mit geplanter Koronarintervention eingeschlossen. Patienten mit akuten Koronarsyndromen, also der eigentlichen Indikation für GP-RA, waren von der Studie ausgeschlossen.

Alle Patienten erhielten mindestens zwei Stunden (Median 7,4 h) vor dem Eingriff 600 mg Clopidogrel und 235-500 mg Azetylsalizylsäure p.o. Nach angiographischer Darstellung der Stenose erfolgte die 1:1-Randomisierung in zwei Therapiearme: Gruppe 1 (n = 1079) erhielt Abciximab- und Heparin- (70 I.U./kg) Infusionen über 12 h und Gruppe 2 (n = 1080) erhielt einen Plazebo-Bolus, gefolgt von einer Infusion über 12 h, und einmalig einen Heparin-Bolus (140 I.U./kg).

Primärer Studienendpunkt war ein kumulatives Ereignis bestehend aus Tod, Myokardinfarkt und Notfall-Revaskularisationsmaßnahmen. Nach den Daten der Literatur wurde dieser Endpunkt mit einer Häufigkeit von 4,4-6,8% erwartet. Tatsächlich trat er sowohl in der Plazebo-Gruppe wie auch in der Abciximab-Gruppe bei 4% der Patienten ein. Jedes der untersuchten Einzelereignisse war etwa gleich selten in beiden Gruppen, und das Ergebnis war in allen Subgruppen identisch, auch bei Diabetikern (n = 441). Demgegenüber stehen etwa gleich häufig Blutungskomplikationen (große Blutungen bei 1%, leichtere Blutungen bei 2%). Bei 1% in der Abciximab-Gruppe trat eine beträchtliche Thrombopenie auf, aber bei keinem Patienten der Clopidogrel-Gruppe.

Kritisch muß angemerkt werden, daß die Studie bei unkomplizierten Patienten durchgeführt wurde, die normalerweise nicht routinemäßig einen GP-RA erhalten würden. Trotzdem ist – im historischen Vergleich – die anscheinend gleiche Wirksamkeit bemerkenswert. Wenn dies auch auf akute Koronarsyndrome zuträfe, ließen sich zukünftig erhebliche Kosten sparen.

Fazit: Bei Vorbehandlung mit einer hohen Dosis Clopidogrel (600 mg) ist die Gabe von Abciximab nach einer Stent-Implantation wirkungslos. Ob man unter diesen Bedingungen auch bei akuten Koronarsyndromen zukünftig, zumindest teilweise auf die teuren GP-IIb/IIIa-Rezeptor-Antagonisten verzichten kann, muß in Folgestudien geklärt werden.

Literatur

  1. AMB 1996, 30, 43.
  2. AMB 2001, 35, 21; 48; 81.
  3. AMB 1999, 33, 11.
  4. AMB 2000, 34, 32a und 67.
  5. Kastrati, A., et al.: (ISAR-REACT = Intracoronary Stenting and Antithrombotic Regimen – Rapid Early Action for Coronary Treatment): N. Engl. J. Med. 2004, 350, 232.