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Leserbrief: Rationale Therapieumstellung zwischen Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor [CME]

Frage von C.J. aus M.: >> Ist es korrekt, dass man beim Umsetzen von Prasugrel auf Clopidogrel nicht, beim Umsetzen von Ticagrelor auf Clopidogrel jedoch mit 300 mg Clopidogrel aufsättigen sollte (wenn z.B. Ticagrelor oder Prasugrel nicht vertragen wird)? <<

Antwort: >> Es ist richtig, dass – in einem chronisch-stabilen Setting und ohne erhöhtes Blutungsrisiko – bei Umstellung von Ticagrelor auf Clopidogrel eine Clopidogrel-Aufsättigungsdosis (allerdings 600 mg, nicht 300 mg) eingenommen werden sollte, während dies bei Umstellung von Prasugrel auf Clopidogrel nicht erforderlich ist. Es existieren dazu seitens kardiologischer Fachgesellschaften detaillierte Handlungsempfehlungen, die wir im Folgenden ausführlicher erläutern wollen.

Die duale Antiplättchen-Therapie (DAPT) mit einem P2Y12-Inhibitor (Clopidogrel = Clo; Prasugrel = Pra; oder Ticagrelor = Tic) zusätzlich zu Acetylsalicylsäure ist Standard bei Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK) sowohl bei/nach elektiver perkutaner Koronarintervention (PCI; Clo üblicherweise für 6 Monate) als auch bei/nach akutem Koronarsyndrom (ACS; Clo, Pra oder Tic üblicherweise für 12 Monate). Clo, Pra und Tic haben relevante Unterschiede, die sich teils durch die Pharmakodynamik, teils durch die Ergebnisse klinischer Studien erklären (s. Tab. 1). Im klinischen Alltag kommt es daher aus verschiedenen Gründen nicht selten vor, dass eine Umstellung der Therapie von einem P2Y12-Inhibitor auf einen anderen erwogen wird:

  1. „De-Eskalation“ = Umstellung von einem der beiden „potenteren“ Wirkstoffe (Pra oder Tic) auf Clo. Häufigste Indikationen: Unverträglichkeit von Pra oder Tic, erhöhtes Blutungsrisiko (z.B. Blutungsereignis, Trauma, OP), erforderliche Antikoagulation (z.B. neues Vorhofflimmern), neues Auftreten von Kontraindikationen gegen Pra und Tic, Patienten-/Arztpräferenz sowie unter gewissen sozioökonomischen Gegebenheiten die Kosten. In der EU sind Clo und Pra generisch verfügbar, Tic steht noch bis 2036 unter Patentschutz. Die De-Eskalation ist das in der klinischen Praxis am weitaus häufigsten anzutreffende Szenario (geschätzt bei bis zu einem Viertel bis einem Drittel aller Patienten nach ACS), und es ist auch in Studien untersucht. Wir haben 2018 über zwei kontrollierte randomisierte Studien berichtet, die auf eine Nicht-Unterlegenheit einer De-Eskalation gegenüber der Standardtherapie hinweisen – wenn auch mit gewissen Einschränkungen und Widersprüchen [1]. Wie wir bereits damals kritisch angemerkt haben, sollte eine De-Eskalation von Pra oder Tic auf Clo zurückhaltend erfolgen, wenn von einem höheren (Stent-)Thromboserisiko auszugehen ist (z.B. Patienten nach komplexer PCI, nach Stent-Thrombose, mit komplexer KHK etc.).
  2. „Eskalation“ = Umstellung von Clo auf Pra oder Tic. Häufigste Indikation: neu aufgetretenes ACS unter laufender DAPT mit Clo. Diese Entscheidung betrifft in aller Regel Krankenhausärzte.
  3. Umstellung von Pra auf Tic oder umgekehrt. Häufigste Indikation: Neues Auftreten einer Unverträglichkeit und/oder Kontraindikation unter Pra oder Tic (s. Tab. 1).

Zur Frage, wie eine solche Therapieumstellung im Detail, d.h. mit welcher Dosierung und in welchem Zeitabstand, durchgeführt werden soll, existieren übereinstimmende Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften [2][3], die ganz überwiegend auf Expertenkonsens beruhen (z.B. [4]); die begrenzten Studiendaten dazu kommen fast ausschließlich aus Registern und pharmakodynamischen Studien. Die Empfehlungen unterscheiden zwischen einer Akut-Situation (≤ 30 Tage nach Indexereignis, d.h. in der Regel nach Akut-PCI bei ACS) und einer chronisch-stabilen Situation (> 30 Tage nach Indexereignis). Prinzipiell sollte in der Akut-Situation immer eine erneute vollständige Aufsättigungsdosis verordnet werden, dagegen in einer chronisch-stabilen Situation nur bei Umstellung von Tic (kurze Halbwertszeit) auf eine der beiden anderen Wirkstoffe. Bei Patienten mit Blutungen oder erhöhtem Blutungsrisiko sollte bzw. kann statt der Aufsättigungsdosis eine Erhaltungsdosis erwogen werden. Die Erstdosis des neuen Wirkstoffs sollte grundsätzlich 24 Stunden nach der letzten Dosis des alten Wirkstoffs eingenommen werden – außer im Falle einer „Eskalation“ bei ACS, bei der die Aufsättigung mit Pra bzw. Tic unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Clo-Einnahme erfolgen sollte (s. Abb. 1). <<

 

 

Literatur

  1. AMB 2018, 52, 01 (Link zur Quelle)
  2. Valgimigli, M., et al.: Eur. Heart J. 2018, 39, 213. (Link zur Quelle)
  3. Angiolillo, D.J., et al.: Circulation 2017, 136, 1955. (Link zur Quelle)
  4. Rollini, F., et al.: Nat. Rev. Cardiol. 2016, 13, 11. (Link zur Quelle)