Eine Verzögerung oder Verhinderung der Ejakulation beim Geschlechtsverkehr ist eine meist unerwünschte Arzneimittelwirkung (UAW) bei Dauerbehandlung depressiver Männer mit lang wirkenden selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI). Bei Patienten mit Ejaculatio praecox (EP; Ejakulation beim „Vorspiel” oder weniger als 1-2 Minuten nach Immissio penis) kann deshalb auch mit einem SSRI, wie Paroxetin, eine Behandlung (off label use) versucht werden. Die UAW sind jedoch erheblich, und die Behandlung nur wegen dieser Indikation ist selten vertretbar. Wir haben im AMB bereits hierüber berichtet (1).
Speziell für die Indikation EP wurde vom Hersteller, der ALZA Corporation, der kurz wirksame SSRI Dapoxetin entwickelt. Während es nach Verordnung konstanter Tagesdosen lang wirkender SSRI als Antidepressiva etwa zwei Wochen dauert bis konstante Plasmaspiegel erreicht sind, wird der höchste Plasmaspiegel von Dapoxetin nach Gabe einer Einzeldosis schon nach einer Stunde erreicht, und die initiale Halbwertszeit beträgt 1,2 Stunden (1). Deshalb scheint Dapoxetin für die „on demand”-Behandlung der EP geeignet zu sein, analog zur Behandlung der erektilen Dysfunktion mit speziellen Phosphodiesterase-Inhibitoren (z.B. Sildenafil).
J.L. Pryor et al. veröffentlichten im Lancet (2) für die Dapoxetin Study Group eine doppeltblinde Phase-III-Studie an etwa 2400 Männern aus 121 Zentren in den USA. Sie waren im Mittel ca. 40 Jahre alt, hatten eine mäßige bis schwere (moderate to severe) EP und nahmen nach einer Basisperiode mit Ermittlung der Ejakulationslatenz (Stoppuhr) entweder 30 mg (Gruppe 1) oder 60 mg Dapoxetin (Gruppe 2) oder Plazebo (Gruppe 3) etwa 1-3 Stunden vor dem erwarteten Geschlechtsverkehr ein, maximal eine Dosis in 24 Stunden. Etwa 2% der Teilnehmer litten an Diabetes mellitus, 14% an arterieller Hypertonie und ca. 5% an psychischen Erkrankungen. Die IELT (intravaginal ejaculatory latency time) als primärer Studienendpunkt musste weiterhin bei jedem Verkehr gemessen werden. Bei den Studienteilnehmern musste die IELT < 2 Minuten sein. Sekundäre Endpunkte waren die mit einer Skala ermittelte sexuelle Zufriedenheit beider Partner und UAW. Auswertungen erfolgten nach der ersten Dosis, nach 4, 8 und 12 Wochen.
Von den ca. 870 Patienten jeder Gruppe beendeten jeweils 198 in Gruppe 1 und 3 und 260 Patienten der Gruppe 2 die Studie vorzeitig. Bei den verbliebenen Patienten war die basale IELT etwa 0,9 ± 0,5 (Standardabweichung) Minuten. Sie verlängerte sich bereits nach der ersten Dosis in den Gruppen 1 und 2, nicht aber nach Plazebo signifikant. Nach 12 Wochen war die IELT in den Gruppen 1 und 2 mit durchschnittlich 2,78 bzw. 3,32 Minuten hochsignifikant verlängert. Die Zunahme in Gruppe 3 (Plazebo) auf 1,75 Minuten war nicht signifikant. Bei Frauen wie Männern nahm die erfragte sexuelle Zufriedenheit signifikant zu.
Dosisabhängig hatten initial 8,7% bzw. 20% der Patienten der Gruppen 1 und 2 leichte Übelkeit, 3% bzw. 6% Schwindel (dizziness) und 3,2% bzw. 3,7% klagten über Schläfrigkeit, alles signifikant häufiger als unter Plazebo. Studienabbruch wegen UAW war dosisabhängig häufiger in den Gruppen 1 und 2 als in Gruppe 3. Andere sexuelle Funktionsstörungen wie Libidoverlust, erektile Dysfunktion etc., wie sie bei Langzeitbehandlung mit konventionellen SSRI häufig auftreten, wurden nicht beobachtet. Suizidale Gedanken wie nach Absetzen einer Langzeittherapie mit SSRI wurden auch erfragt und angeblich stets verneint.
In einem themenbezogenen Editorial von F. Montorsi und A. Salonia aus Mailand werden die Ursachen und die Klinik der Ejaculatio praecox eingehend diskutiert. Die Autoren halten Dapoxetin im Vergleich mit Paroxetin für einen Fortschritt (3).
Fazit: Der in Deutschland noch nicht zugelassene kurz wirkende SSRI Dapoxetin scheint für die Behandlung der Ejaculatio praecox (bei Bedarf) geeignet zu sein und hat vermutlich weniger UAW als die Behandlung dieser psychisch oft sehr belastenden Störung mit konventionellen, lang wirkenden SSRI.
Literatur
- AMB 1999, 33, 86b. Link zur Quelle
- Pryor, J.L., et al.: Lancet 2006, 368, 929. Link zur Quelle
- Montorsi, F., und Salonia, A.: Lancet 2006, 368, 894. Link zur Quelle