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Zwei erfolgversprechende neue Impfstoffe gegen Rotaviren

Im ersten Januarheft des N. Engl. J. Med. wurde in zwei Arbeiten über die Ergebnisse zweier neu entwickelter Impfstoffe gegen Rotaviren berichtet (1, 2). Der Impfstoff der ersten Studie (1) basiert auf einem abgeschwächten humanen Rotavirus-Stamm (G1P, Rotarix®, GlaxoSmithKline Biologicals), der andere Impfstoff (2) ist ein lebendes, genetisch rekombiniertes human-bovines Rotavirus (RotaTeq®, Merck, USA), das die Epitope der fünf (pentavalent) wichtigsten humanen Rotaviren enthält (G1, G2, G3, G4 und P). Beide Studien waren randomisiert, doppeltblind, plazebokontrolliert und prospektiv (Phase 3). Die erste Studie wurde in Latein-amerika und Finnland durchgeführt. 31673 Kinder bekamen den Impfstoff und 31552 Plazebo. Es wurden insgesamt zwei Dosen oral verabreicht und zwar ca. zwei Monate und ca. vier Monate nach der Geburt. Die routinemäßige orale Poliomyelitisimpfung musste mindestens einen Abstand von zwei Wochen vor und nach der Rotavirus-Impfung haben. Im Median wurden die Kinder 100 Tage nachverfolgt (1). In die zweite Studie, die hauptsächlich in Nordamerika und Europa durchgeführt wurde, wurden 68038 Kinder im Alter von 6-12 Wochen eingeschlossen (34035 geimpft und 34003 Plazebo). Kinder, die eine orale Poliomyelitisimpfung bis zu 42 Tage vor der geplanten Gabe des Rotavirus-Impfstoffs bekommen hatten, wurden ausgeschlossen. Der Impfstoff wurde dreimal in Abständen von 4-10 Wochen verabreicht (2). In beiden Studien wurde besonders auf die Nebenwirkung „Intussuszeption” (Invagination von Dünndarmabschnitten) geachtet. Diese Nebenwirkung hatte bei einem schon zugelassenen, sehr ähnlichen rekombinierten Impfstoff (tetravalenter Rhesus-humaner Rotavirus-Impfstoff) 1998 zur Rücknahme vom Markt geführt. Damals wurde eine Zunahme dieser Komplikation bei den geimpften Kindern vermutet. Das Risiko schätzte man auf ungefähr 2-5-fach erhöht gegenüber den erwarteten Spontanereignissen ein (3). Das Risiko erschien am höchsten zwischen dem 3.-14. Tag nach der ersten Impfung und zwischen dem 3.-7. Tag nach der zweiten Gabe des Impfstoffs.

Die hier vorgestellten Studien wurden mit Unterstützung der Impfstoff-Herstellerfirmen durchgeführt.

Beide Studien zeigten eine hohe Sicherheit und eine deutliche Wirksamkeit des Impfstoffs, Gastroenteritiden zu verhindern. Der humane, nicht-rekombinierte Impfstoff verhinderte eine schwere Rotavirusinfektion mit Hospitalisierung zu 85% gegenüber der Plazebo-Gruppe (p < 0,001; 1). Selbst wenn man die Hospitalisierungen im Beobachtungszeitraum wegen Durchfall aus allen Ursachen betrachtet, konnten diese durch die Impfung um 42% gesenkt werden (p < 0,001). Die Letalität wurde durch die Impfung in beiden Studien nicht gesenkt. In der ersten Studie hatten sechs geimpfte und sieben Kinder der Plazebo-Gruppe im Zeitraum von 31 Tagen nach Applikation eine intestinale Invagination (statistisch kein Unterschied; 1). Die Ergebnisse in der zweiten Studie sind sehr ähnlich. Hier wurden Invaginationen noch bis ein Jahr nach Gabe des Rotavirus-Impfstoffs verfolgt. In diesem Zeitraum traten bei 12 geimpften und bei 15 Kindern, die Plazebo erhalten hatten, Invaginationen auf (statistisch kein Unterschied; 2). Es wurden auch keine anderen schweren UAW berichtet.

Die europäische Arzneimittelbehörde EMEA hat den humanen abgeschwächten Rotavirus-Impfstoff (Rotarix®) mittlerweile zugelassen. Säuglinge können ab der 6. Lebenswoche mit der oralen Vakzine geimpft werden (Altersgipfel der Durchfallerkrankung: 6-24 Monat). Die zwei Impfungen kosten 265,20 EUR und sind damit billiger als ein Tag Krankenhausaufenthalt. Der andere Rotavirus-Impfstoff (RotaTeq®) wurde am 6.2.2006 von der FDA für die USA zugelassen.

Fazit: Rotavirus-Infektionen sind weltweit ein Hauptgrund für Krankenhausaufenthalte und Todesfälle bei Kleinkindern. In Deutschland sind Rotaviren die häufigste Ursache von Diarrhö bei Kleinkindern. Ein sicherer und effektiver Impfstoff ist daher sehr erwünscht. Nach den Ergebnissen der hier vorgestellten Studien stehen jetzt zwei wirksame und verträgliche orale Impfstoffe zur Verfügung. Die bei einem früher zugelassenen Rotavirus-Impfstoff vermutete UAW, dass nämlich durch die Impfung Invaginationen des Dünndarms häufiger auftreten, wurde in beiden Studien nicht gefunden.

Literatur

  1. Ruiz-Palacios, G.M., et al.: N. Engl. J. Med. 2006, 354, 11.
  2. Vesikari, T., et al. (REST = Rotavirus Efficacy and Safety Trial): N. Engl. J. Med. 2006, 354, 23.
  3. Murphy, T.V., et al.: N. Engl. J. Med. 2001, 344, 564.