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Ist die primäre Androgen-Entzugstherapie bei älteren Männern mit gut differenziertem Prostatakarzinom Stadium T1/T2 sinnvoll?

Eine Androgen-Entzugstherapie (AET) kann bei fortgeschrittenem Prostatakarzinom (PK) das Tumorwachstum verlangsamen. Die AET (Orchiektomie oder wiederholte Injektionen von Depot-GnRH-Agonisten, die zu einer Herunterregulierung der Testosteronsekretion führt), ist mit erheblichen UAW, wie Atrophie und Schwäche der Muskulatur sowie Osteoporose mit Knochenbrüchen belastet (1). Wir haben deshalb mehrfach empfohlen, diese Therapieform nur bei Tumorstadien mit in Studien nachgewiesenem Überlebensvorteil einzusetzen (1, 2).

Kürzlich erschien im JAMA eine Studie von Lu-Yao et al (3), in der die Therapieergebnisse bei 19 271 Medicare-Patienten der USA (Alter bei PK-Diagnose 66 Jahre oder älter, im Mittel 79 Jahre in der AET-, 77 Jahre in der Kontroll-Gruppe) mit Tumorstadium T1 und T2 und guter oder mäßiger zytologischer Differenzierung nach Gleason ausgewertet wurden. Patienten mit PK-Diagnose zwischen 1992 und 2002 wurden eingeschlossen. Verglichen wurden die Überlebenszeiten von 7 867 Männern, bei denen eine primäre AET (d.h. vorher keine Prostata-Operation oder -Bestrahlung) durchgeführt wurde, mit den Überlebenszeiten von 11 045 Patienten, bei denen keine Therapie erfolgte. Da die ausgewerteten Unterlagen keine Angaben über eine Therapie mit Antiandrogenen (Flutamid, Finasterid etc.) enthielten, ist der Einsatz solcher Medikamente bei einigen Patienten in der Kontroll-Gruppe nicht ausgeschlossen. Die Gesamtletalität wurde bis Ende 2006 ermittelt, die PK-spezifische Letalität bis Ende 2004.

Die Gesamt-Letalität war in der AET-Gruppe im Beobachtungszeitraum 10,4%, in der Kontroll-Gruppe 8,8%. Die PK-spezifische Letalität (Tod durch PK) war in der AET-Gruppe 1,7% und in der Kontroll-Gruppe 0,8%, d.h. die PK-spezifische Letalität war sehr niedrig, aber in der AET-Gruppe eher höher als in der Kontroll-Gruppe. Auf die sehr niedrige PK-spezifische Letalität in dieser Altersgruppe bei wenig fortgeschrittenem und relativ gut differenziertem PK haben wir erst kürzlich hingewiesen (4).

Obwohl es sich um eine retrospektive Studie handelt und die Patienten in der AET-Gruppe bei Diagnosestellung im Mittel zwei Jahre älter waren als die der Kontroll-Gruppe, sprechen die Ergebnisse eindeutig gegen den Nutzen der AET bei Patienten dieser Altersgruppe mit auf die Prostata beschränktem PK und relativ guter Differenzierung. Sie können aber nicht auf jüngere PK-Patienten extrapoliert werden. Da die AET mit GnRH-Agonisten teuer und der Androgenentzug insgesamt mit erheblichen UAW belastet ist, sollte er bei Patienten mit den hier beschriebenen Krankheitsmerkmalen möglichst nicht angewendet werden. Statt dessen sollten sich die Patienten regelmäßig Kontrolluntersuchungen unterziehen.

Fazit: Eine Androgen-Entzugstherapie (Orchiektomie oder GnRH-Agonisten) ohne vorherige Prostata-Operation oder -Bestrahlung führte bei älteren Männern mit auf die Prostata beschränktem Karzinom mit gutem oder mäßigem zytologischen Differenzierungsgrad zu einer tendenziell höheren Gesamt- und Karzinom-spezifischen Letalität als keine Therapie. Sie sollte deshalb bei diesen Patienten nicht durchgeführt werden.

Literatur

  1. AMB 2005, 39, 77. Link zur Quelle
  2. AMB 2007, 41, 43. Link zur Quelle
  3. Lu-Yao, G.L., et al.: JAMA 2008, 300, 173. Link zur Quelle
  4. AMB 2007, 41, 44. Link zur Quelle