Artikel herunterladen

Metformin versus Insulin zur Behandlung des Gestationsdiabetes

Vor sieben Jahren haben wir über eine Studie zur Behandlung des milden Gestationsdiabetes (GD) mit Glibenclamid (Glyburid) statt mit Insulin berichtet (1). In einem Leserbrief wurde damals vor der Verallgemeinerung der Studienergebnisse – keine signifikanten Nachteile für Mutter und Kind – gewarnt (2). Inzwischen aber hat sich die Anwendung dieses ursprünglich für kontraindiziert gehaltenen oralen Antidiabetikums (OAD) in verschiedenen Praxen und Zentren durchgesetzt (3). Da der GD erst im zweiten oder dritten Trimenon der Schwangerschaft auftritt, muss nicht mit embryotoxischen Effekten der OAD gerechnet werden.

Im N. Engl. J. Med. erschienen jetzt zwei Hauptartikel zum GD. In der umfangreichen HAPO-Studie (4) wird über die Beziehung zwischen Nüchternblutzucker bzw. Blutzucker zwei Stunden nach einem 75-Gramm-Glukosetrunk bei 25 505 Frauen in der 24.-32. Schwangerschaftswoche (SSW) und den Auswirkungen beim Feten bzw. beim Neugeborenen berichtet. Es zeigte sich, dass bereits ein hoch-normaler Blutzucker zu einem erhöhten Geburtsgewicht des Kindes, erhöhter C-Peptid-Konzentration im Nabelschnurblut und Neigung zu verfrühtem Geburtstermin führen kann. Zwischen den Blutzuckerwerten und unerwünschten Auswirkungen beim Kind gab es eine kontinuierlich-positive Beziehung, d.h. es ließ sich keine scharfe Grenze des Risikobeginns feststellen. Hieraus lässt sich ableiten, dass auch ein milder GD behandelt werden sollte, zunächst jedoch nur mit Intervention bei der Ernährung, wie auch beim Diabetes mellitus Typ 2.

Der andere Artikel aus Australien und Neuseeland von J.A. Rowan et al. (5) berichtet über eine randomisierte offene Multicenter-Studie zur Behandlung des GD entweder mit Insulin oder mit Metformin. 751 Frauen zwischen 18 und 45 Jahren, die in der 20.-33. SSW die GD-Kriterien der Australasian Diabetes in Pregnancy Society erfüllten (keine Mehrlings-SS), wurden in die Studie eingeschlossen. Weiterhin mussten sie nach einer Diätperiode mindestens zweimal einen Nüchtern-Blutzucker > 5,4 mmol/l (> 97,2 mg/dl) und Zwei-Stunden-Postprandial-Werte > 6,7 mmol/l (> 120,6 mg/dl) haben. Die durchschnittlichen Nüchtern-BZ-Werte vor Diät waren in beiden Gruppen 102,6 mg/dl, die Zwei-Stunden-Werte nach 75 Gramm Glukose oral waren durchschnittlich 174,6 mg/dl (Metformin-Gruppe) bzw. 169,2 mg/dl (Insulin-Gruppe). Ziel der Therapie mit bis zu 2500 mg Metformin/d in 2-3 Einzeldosen oder Insulin nach Ermessen des Arztes, meist wohl nur prandiales Insulin 2-3 mal am Tag, waren Nüchtern-Blutzucker-Werte < 99 mg/dl und Zwei-Stunden-Postprandial-Werte < 126 mg/dl. Waren diese Ziele mit Metformin allein nicht zu erreichen, konnte Insulin hinzugefügt werden. Das wurde bei 46,3% der Frauen notwendig. Die Studie war zur Prüfung auf Nichtunterlegenheit („non inferiority”) von Metformin verglichen mit Insulin angelegt.

Ergebnisse: Aus verschiedenen Gründen beendeten 7,4% der Frauen die begonnene Metformin-Therapie. Die Inzidenz des primären zusammengesetzten Endpunktes (Hypoglykämie beim Neugeborenen, „Respiratory distress”, Geburtstrauma, ungünstiger Apgar-Score fünf Minuten postpartal und vorzeitige Geburt) war 32% in der Metformin- und 32,2% in der Insulin-Gruppe. Schwere Hypoglykämien beim Neugeborenen waren in der Insulingruppe signifikant häufiger als nach Metformin (8% vs. 3%). Geburt vor der 37. SSW war nach Metfomin signifikant häufiger (12,1% vs. 7,6%). Anthropometrische Messungen des Kindes waren in beiden Gruppen gleich, ebenso die glykämische Kontrolle bei den Frauen. Frauen der Metformin-Gruppe, die zusätzlich Insulin benötigten, hatten ein höheres Körpergewicht und höhere Blutzuckerwerte vor Beginn der Intervention als Frauen, die mit Metformin allein die Therapieziele erreichten. Die Befragung der Frauen nach der Entbindung ergab – wie zu erwarten – dass sie die Behandlung mit Metformin als weniger belastend empfanden als die mit Insulin.

Ob sich die Behandlung mit OAD bei GD durchsetzt, wird die Zukunft zeigen. Bei Frauen mit mildem GD, bei denen aber eine diätetische Intervention nicht ausreicht, scheinen Glibenclamid und Metformin vertretbare Optionen zu sein, da erfreulicherweise bisher keine nachteiligen Wirkungen bei Mutter und Kind feststellbar waren. Selbstverständlich sind auch bei GD die bekannten Kontraindikationen für OAD zu beachten. Frauen mit ausgeprägtem GD bedürfen ohnehin weiterhin einer Insulintherapie, ebenso alle Frauen mit schon vor der Schwangerschaft bekanntem Diabetes mellitus. Letztere müssen im ersten Trimenon der Schwangerschaft immer mit Insulin behandelt werden wegen möglicher embryotoxischer Effekte der OAD.

Die Kinder der HAPO-Studie sollen hinsichtlich ihrer Entwicklung weiter beobachtet werden. Die Kinder von Frauen, die wegen eines Polyzystischen-Ovar-Syndroms während der Schwangerschaft mit Metformin behandelt wurden, sollen 18 Monate postpartal keine beunruhigenden Befunde gezeigt haben (6). Die Ergebnisse der beiden hier referierten Studien werden im gleichen Heft kompetent von J.L. Ecker und M.F. Greene aus Boston kommentiert (3).

Fazit: Zwischen der Höhe des Blutzuckers im zweiten Trimenon einer Schwangerschaft und negativen Auswirkungen beim Neugeborenen gibt es eine kontinuierliche Beziehung, die schon im normalen Blutzuckerbereich beginnt. In der HAPO-Studie führte die Behandlung von Frauen mit leichterem Gestationsdiabetes mit Metformin nicht zu schlechteren Befunden bei Müttern und Neugeborenen als die übliche Behandlung mit Insulin.

Literatur

  1. AMB 2000, 34, 85. Link zur Quelle
  2. AMB 2001, 35, 32a. Link zur Quelle
  3. Ecker, J.L., und Greene, M.F.: N. Engl. J. Med. 2008, 358, 2061. Link zur Quelle
  4. Metzger, B.E., et al. (HAPO = Hyperglycaemia and Adverse Pregnancy Outcome): N. Engl. J. Med. 2008, 358, 1991. Link zur Quelle
  5. Rowan, J.A., et al. (MiG = Metformin in Gestational diabetes): N. Engl. J. Med. 2008, 358, 2003. Link zur Quelle
  6. Glueck, C.J., et al.: Hum. Reprod. 2004, 19, 1323. Link zur Quelle