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Antibiotische Therapie der Otitis media bei Kindern erhöht das Rezidivrisiko

Die akute Otitis media ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten im Kindesalter und auch einer der häufigsten Gründe für die Verschreibung von Antibiotika. Auf Grund zunehmender Resistenzen sollte jeder Einsatz von Antibiotika jedoch kritisch geprüft werden. Leitlinien empfehlen, bei Patienten ohne Risikofaktoren mit einer unkomplizierten akuten Otitis media zunächst symptomatisch mit systemisch wirksamen Analgetika zu behandeln und auf die sofortige Antibiose zu verzichten. Auch bei Kindern zwischen 6 und 24 Monaten, die nicht schwer krank sind (kein Fieber, kein Erbrechen), kann eine engmaschige Befundkontrolle (innerhalb von 24 Stunden) vor Einleitung einer Antibiose erwogen werden (1, 2). Eine Arbeitsgruppe aus den Niederlanden zeigte in einer Metaanalyse, über die wir berichtet haben, dass in dieser Altersgruppe die Gabe von Antibiotika nur bei Kindern mit beidseitiger Otitis media oder mit Otitis media und gleichzeitiger Otorrhö gerechtfertigt ist (3, 4). Nur bei Kindern, die jünger als sechs Monate alt sind, sollte sofort eine antibiotische Therapie begonnen werden (1, 2).

Von der niederländischen Arbeitsgruppe wurden nun Ergebnisse einer Studie zu den Langzeitauswirkungen der antibiotischen Behandlung einer Otitis media publiziert (5). Zu dieser Frage ist bisher wenig bekannt. Einerseits können Antibiotika die Krankheitsdauer verkürzen (6), andererseits aber auch die Verschreibung von Antibiotika bei erneuten Infekten erhöhen (7). Darüber hinaus kann eine antibiotische Behandlung zu einer Kolonisierung der Gehörgänge mit resistenten Keimen führen, die möglicherweise Rezidive begünstigen (8).

Ausgewertet wurden die Daten der letzten Nachbeobachtung in einer Studie, die in den Jahren 1996 bis 1998 begonnen worden war und bei denen Kinder im Alter zwischen 6 und 24 Monaten mit einer akuten Otitis media randomisiert entweder Amoxicillin oder Plazebo erhalten hatten (6). Die Untersuchung wurde von einer staatlichen Organisation finanziert und in 53 hausärztlichen Praxen durchgeführt. Den Eltern war beim Einschluss in die Studie mitgeteilt worden, dass das Ergebnis der Randomisierung bis zur letzten Nachbeobachtung geheim bleiben würde. Ungefähr 3,5 Jahre nach Beginn der Studie wurden Fragebögen an die Eltern verschickt, in denen nach weiteren Episoden einer akuten Otitis media und einer Überweisung an einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt gefragt wurde. Primärer Endpunkt war eine erneute Episode einer akuten Otitis media. Die Eltern von 168 der ursprünglich randomisierten 240 Kinder (70%) schickten den Fragebogen zurück. Diese 168 Kinder unterschieden sich in wesentlichen Charakteristika wie u.a. Alter, Geschlecht und Geschwisterzahl nicht von den initial randomisierten Kindern. In der Amoxicillin-Gruppe war eine erneute Otitis media bei 47/75 (63%) Kindern aufgetreten, dagegen nur bei 37/86 (43%) in der Plazebo-Gruppe (Absolute Risikoreduktion 20%; 95%-Konfidenzintervall 5-35%). Nach Adjustierung für bestimmte Faktoren (Geschlecht, Allergien, anamnestisch wiederholte Episoden einer Otitis media), die das Ergebnis möglicherweise beeinflussen (Confounder), war das Risiko für eine erneute Otitis media in der Amoxicillin-Gruppe immer noch um das 2,5-fache höher als in der Plazebo-Gruppe. Bei der Häufigkeit der Überweisungen zum Facharzt fanden sich keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen.

Fazit: Leitlinien empfehlen, bei Kindern ohne Risikofaktoren mit einer unkomplizierten Otitis media auf eine sofortige antibiotische Therapie zu verzichten. In einer Erhebung in den Niederlanden zeigte sich, dass sechs Monate bis zwei Jahre alte Kinder, deren akute Otitis media mit Amoxicillin behandelt worden war, ein halbes bis drei Jahre nach der Therapie ein höheres Risiko für eine erneute Otitis media hatten. Dies ist ein weiteres Argument dafür, Antibiotika bei Kindern mit akuter Otitis media zurückhaltend zu verschreiben.

Literatur

  1. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Leitlinie Ohrenschmerzen 2004: Link zur Quelle
  2. American academy of pediatrics, American academy of family physicians: Diagnosis and management of acute otitis media 2004: Link zur Quelle
  3. AMB 2006, 40, 85. Link zur Quelle
  4. Rovers, M.M., et al.: Lancet 2006, 368, 1429. Link zur Quelle
  5. Bezáková, N., et al.: BMJ 2009, 339, b2525. Link zur Quelle
  6. Damoiseaux, R.A., et al.: BMJ 2000, 320, 350. Link zur Quelle
  7. Wiliamson, I., et al.: Br. J. Gen. Pract. 2006, 56, 170. Link zur Quelle
  8. Brook, I., und Gober, A.E.: J. Med. Microbiol. 2005, 54, 83. Link zur Quelle