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Werbung und Desinformation im medizinischen Alltag

Auf vielen Briefkästen steht „Bitte keine Werbung”. Diese Aufforderung ist verständlich, denn häufig ist die Werbung für den Empfänger uninteressant und die Beseitigung des Papiers lästig. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Papier ist in Deutschland in den letzten 55 Jahren um 700% gestiegen und lag 2006 bei horrenden 252,7 kg. Damit belegt Deutschland einen Spitzenplatz gleich hinter den USA, China und Japan (1). Wir Ärzte sind eine wichtige Zielgruppe der Arzneimittel-Werbung und tragen zu diesem hohen Papierverbrauch – wenn auch ungewollt – erheblich bei. Einem Krankenhausarzt der mittleren Führungsebene werden monatlich um die zehn Hochglanzzeitschriften unaufgefordert und kostenlos zugeschickt; hinzu kommt Werbung für Kongresse und von der Pharmaindustrie gesponserte „Fortbildungen”. Pharmareferenten bieten vielerlei Sonderdrucke und Werbebroschüren für Arzneimittel an. Zusammengenommen sind das im Jahr um die 40 kg Werbung. Viele dieser umweltschädlich hergestellten und meist überflüssigen Papierprodukte landen ungelesen im Papierkorb.

Leider besteht auch der Inhalt offizieller Zeitschriften medizinischer Fachgesellschaften zu einem beträchtlichen Teil aus Werbung der Pharmaindustrie. Zudem haben diese Zeitschriften häufig Beilagen mit klarem Werbeauftrag. Betrachtet man z.B. die Zeitschrift „Der Internist”, Heft 12, 2008, so findet man 20 ganzseitige Werbeanzeigen für verschiedene Arzneimittel. Diese Zeitschrift verfolgt hauptsächlich das Ziel, Internisten und Allgemeinärzte in Übersichtsarbeiten darüber zu informieren, was in der Therapie zurzeit als gesichert angesehen wird und hat damit Einfluss auf die Verordnung und Auswahl von Arzneimitteln. Arzneimittel sollten medizinisch-rational und unabhängig von den Verkaufsinteressen der Pharmaindustrie verordnet werden. Beim Durchsehen des oben genannten Heftes hat man allerdings an einigen Stellen Zweifel, dass dieses Ziel tatsächlich verfolgt wird, denn man findet Werbeanzeigen thematisch passend in die medizinischen Artikel platziert. Damit wird suggeriert, sie seien Bestandteil des Artikels und seiner inhaltlichen Aussage. So verwundert es z.B. (oder auch nicht), dass mitten in einem Beitrag zur rationalen Therapie der HIV-Infektion eine ganzseitige Werbeanzeige für einen bestimmten Proteaseinhibitor geschaltet ist. Noch nachdenklicher wird man, wenn man am Ende des Artikels die extrem kleingedruckten Interessenkonflikte liest und feststellt, dass der Erstautor Beraterhonorare just von dem Pharma-Hersteller bezieht, der die Werbung geschaltet hat. Gerade in der HIV-Therapie geht es um sehr teure Substanzen, mit denen die Pharmaindustrie hohe Gewinne erzielt.

Wir sind aufgefordert, den sinnlosen Papierverbrauch für Werbung zu reduzieren. 80% aller Urwälder sind bereits verschwunden. Alljährlich werden nach vorsichtigen Schätzungen weitere 13 Mio. ha Wald vernichtet. Die Folgen sind allgemein bekannt und tragen zu Umweltkatastrophen, Armut, Hunger und Tod vieler Menschen bei.

Literatur

  1. http://www.nabu.de/infomaterial/Memorandum.pdf Link zur Quelle