Baclofen zur Behandlung der Alkoholsucht?
Fragen von Dr. M. B. aus Radevormwald und Dr. J. W. aus Delmenhorst: >> Wie ist die Wirksamkeit von Baclofen (Lioresal®, Generika) zur Behandlung der Alkoholsucht einzuschätzen? << Auf diese mögliche Indikation sind die beiden Leser durch die Biographie eines Arztes aufmerksam geworden, in der dieser seine Heilung durch Baclofen beschreibt (1).
Antwort: >> Baclofen ist eine seit Jahrzehnten zur Therapie muskulärer Spastik eingesetzte Substanz mit geringer Toxizität. Als GABA-(B)-Rezeptor-Agonist kann Baclofen auch Emotionalität und Angst beeinflussen.
Für die Therapie der Alkoholkrankheit mit Baclofen gibt es neben Fallberichten drei plazebokontrollierte Studien, von denen zwei einen signifikant positiven Effekt auf die Abstinenz und das „Craving” hatten (2-4). In der negativen Studie (4) waren Patienten mit geringerem täglichen Alkoholkonsum eingeschlossen. Deshalb bleibt offen, ob möglicherweise nur bestimmte Gruppen Alkoholkranker von dieser Therapie profitieren. Auch ist die optimale Dosis unbekannt. In den Studien wurde dreimal 10 mg Baclofen/d eingenommen, in Einzelfallberichten z.T. wesentlich mehr. Eine der drei Studien wurde an Patienten mit Leberzirrhose durchgeführt (3). Auch hier wurde Baclofen gut vertragen. Die Leberfunktion verschlechterte sich nicht.
Unter Berücksichtigung dieser Datenlage und den bekanntermaßen sehr geringen Therapiemöglichkeiten der Alkoholsucht, erscheint ein individueller Versuch mit Baclofen grundsätzlich gerechtfertigt. Bedacht werden muss aber, dass therapeutische Hoffnungen aufgrund kleiner Studien in der Praxis oft enttäuscht werden. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass jegliche Pharmakotherapie der Alkoholsucht immer in einen psychiatrischen Therapieplan eingebunden sein muss. Der Einsatz von Baclofen ist in dieser Indikation „Off-label”, und es existiert eine zugelassene Pharmakotherapie (Acamprosat = Campral®; vgl. 5). <<
Literatur
- Ameisen, O.: Das Ende meiner Sucht. Kunstmann.
- Addolorato, G., et al.: Alcohol Alcohol. 2002, 37, 504. Link zur Quelle
- Addolorato, G., et al.: Lancet 2007, 370, 1915. Link zur Quelle
- Garbutt, J.C., et al.: Alcohol. Clin. Exp. Res. 2010 vorveröffentlicht. Link zur Quelle
- AMB 2004, 38, 57. Link zur Quelle