In den USA wird der Hersteller Shire Pharmaceuticals das Arzneimittel Midodrin mit Wirkung vom 30.9.2010 vom Markt nehmen. Ob diesem Schritt auch der Lizenznehmer in Deutschland und Österreich folgen wird (Gutron®, Nycomed), bleibt abzuwarten. Shire kommt einer angekündigten Sanktion der FDA zuvor (1). Diese hatte wenige Tage zuvor angekündigt, Midodrin wegen unzureichender Wirksamkeitsdaten die Zulassung zu entziehen. Dabei soll wahrscheinlich ein Exempel statuiert werden. Die Zulassung von Midodrin erfolgte bereits 1996 in einem beschleunigten Verfahren (accelerated approval) für die Indikation schwere orthostatische Hypotension mit der Auflage, Postmarketing-Studien (Phase IV) durchzuführen. Dies hat der Hersteller – wie übrigens viele andere in dieser Situation auch (5) – offensichtlich nicht getan, obwohl allein im Jahre 2009 in den USA über 100000 Patienten ein Midodrin-Rezept eingelöst haben. Das Vorgehen der FDA ist konsequent und zu begrüßen, andererseits sind viele Arzneimittel zugelassen, deren Wirksamkeitsnachweis auf weit wackligeren Beinen steht.
Midodrin ist ein Prodrug eines direkten Alpha-Sympathikomimetikums, das über eine arterielle Vasokonstriktion den Blutdruck steigern und über eine Minderung des venösen Poolings die kardiale Vorlast erhöhen soll. Zugelassen ist Midodrin hierzulande für „die Behandlung der orthostatischen Hypotonie und zur Zusatztherapie bei urinaler Stress-Inkontinenz Grad I und II nach Ingelman-Sundberg”. Off-label-Anwendungen sind das Hepatorenale Syndrom und das Chronic Fatigue Syndrom.
Die Behandlung der orthostatischen Hypotension besteht primär aus dem Weglassen ursächlicher Arzneimittel (Sympathikolytika, Vasodilatanzien, Diuretika), salzreicher Kost und vermehrter Flüssigkeitsaufnahme, dem Vermeiden großer Mahlzeiten und physikalischen Maßnahmen, wie langsames Aufstehen, Tragen von Kompressionsstrümpfen und bestimmten Streckmanövern. Bei einigen Patienten können auch Arzneimittel notwendig sein (Fludrocortison, Sympathikomimetika).
In der größten plazebokontrollierten Studie mit Midodrin behandelten P.A. Low et al. aus der Mayo Klinik (2) multizentrisch 171 Patienten mit orthostatischer Hypotension sechs Wochen lang mit dreimal 10 mg/d oder Plazebo (47% Männer, mittleres Alter 60 Jahre). 25% litten ursächlich an einem Shy-Drager Syndrom, 23% an Diabetes. Midodrin führte in dieser Studie zu einer signifikanten Erhöhung des Blutdrucks im Stehen und Besserung der Symptome. J. Jankovic et al. aus Houston (3) fanden bei 79 Patienten im Alter von 22-86 Jahren mit orthostatischer Hypotension und autonomer Dysfunktion in einer plazebokontrollierten Studie über vier Wochen, dass Midodrin den systolischen Blutdruck im Stehen gegenüber Plazebo um 22 mm Hg erhöhte und sich die Symptome (Schwindel, Schwäche, Müdigkeit, Synkopen, Depression) signifikant besserten. Wir haben in einer Übersicht zur Behandlung neurokardiogener Synkopen im Jahre 2000 Midodrin gegenüber anderen Alpha-Agonisten (Ephedrin, Etilefrin) auf Grund der besseren Studienlage präferiert (4). Langzeitdaten zur Sicherheit fehlen allerdings bis heute.
Fazit: Die FDA zwingt den Hersteller von Midodrin, das Arzneimittel in den USA vom Markt zu nehmen. Bei der Zulassung war dem Hersteller zur Auflage gemacht worden, mehr Daten zu Sicherheit und Wirksamkeit bei Langzeittherapie zu bringen. Diese Phase-IV-Evaluation ist offenbar nicht zufriedenstellend erfolgt. Der Vorgang ist beachtlich und vorbildlich. Das Instrument der Phase-IV-Prüfung wird unseres Erachtens viel zu selten angewandt.
Literatur
- http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm222580.htm Link zur Quelle
- Low, P.A., et al.: JAMA 1997, 277, 1046. Link zur Quelle Erratum JAMA 1997, 278, 388.
- Jankovic, J., et al.: Am. J. Med. 1993, 95, 38. Link zur Quelle
- AMB 2000, 34, 33. Link zur Quelle
- Avorn, J.: N. Engl. J. Med. 2007, 356, 1697. Link zur Quelle