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Selbst-Dosierung der antihypertensiven Therapie kann die Blutdruckeinstellung verbessern

Eine kürzlich im Lancet publizierte Untersuchung gibt Hinweise darauf, dass Hypertonie-Patienten, die ihren Blutdruck (BD) zu Hause messen und die Dosierung ihrer Medikation nach zuvor festgelegten Algorithmen selbst anpassen, eine bessere Einstellung erreichen können, als Patienten mit einem konventionellen Therapiemanagement (1).

In die Studie wurden von 24 britischen hausärztlichen Praxen Patienten zwischen 35 und 85 Jahren mit BD-Werten > 140/90 mm Hg unter bestehender moderater antihypertensiver Therapie (ein oder zwei Antihypertensiva) eingeschlossen. Wichtigste Ausschlusskriterien waren: BD > 200/100 mm Hg, terminale Erkrankungen, Demenz. Die Patienten wurden in eine Interventionsgruppe mit BD-Selbstmanagement (n = 263) und eine Kontroll-Gruppe (n = 264) randomisiert. Die Patienten der Interventionsgruppe wurden vom Studienteam im Gebrauch des BD-Messgeräts und in der Übermittlung ihrer BD-Werte mittels eines automatischen Modems unterwiesen. Die Patienten mussten jeweils in der ersten Woche jedes Monats täglich ihren BD selbst messen und an das Studienteam übermitteln. Als Grenzwerte galten 130/85 mm Hg bei Nicht-Diabetikern und 130/75 mm Hg bei Diabetikern. Zur Bewertung wurde ein Ampelsystem verwendet. Mit ihm kodierten die Patienten ihre Messungen als „grün” (BD-Werte an mindestens vier der sieben Tage unter dem Grenzwert, aber oberhalb eines Sicherheitslimits von 100 mm Hg systolisch), als „gelb” (oberhalb des Grenzwerts, aber unterhalb eines Sicherheitslimits von 200/100 mm Hg) oder als „rot” (außerhalb der Sicherheitslimits). Wenn die Messungen an zwei aufeinanderfolgenden Monaten im „gelben” Bereich lagen, mussten die Patienten ihre Medikation nach einem zuvor mit ihrem Hausarzt vereinbarten Schema (bestehend aus zwei Änderungen oder Dosiserhöhungen der Arzneimittel) adaptieren. Wenn BD-Messungen im „roten” Bereich lagen, mussten die Patienten den Hausarzt oder das Studienteam kontaktieren. Wenn sie das laut Telemonitoring nicht taten, wurden sie vom Studienteam telefonisch kontaktiert. In der Kontroll-Gruppe wurde das Therapiemanagement vollständig dem Hausarzt überlassen.

Primärer Endpunkt der Studie war die Änderung des mittleren systolischen BD nach 6 und 12 Monaten im Vergleich zum Ausgangswert (ambulant im Rahmen der Studienvisiten nach einheitlichem Verfahren gemessen durch das Studienteam). Es fanden sich in der Interventionsgruppe signifikant niedrigere systolische BD-Werte als in der Kontroll-Gruppe sowohl nach 6 Monaten (-12,9 vs. -9,2 mm Hg; Differenz 3,7 mm Hg; p = 0,013) als auch nach 12 Monaten (-17,6 vs. -12,2 mm Hg; Differenz 5,4 mm Hg; p = 0,0004). Diese BD-Senkung korrelieren die Autoren unter Berufung auf eine neuere Metaanalyse (2) mit einer Senkung des Schlaganfall-Risikos von 20% und des KHK-Risikos von 10%. Die unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) waren in beiden Gruppen etwa gleich, mit Ausnahme von Beinödemen, die in der Interventionsgruppe häufiger auftraten (32% vs. 22%; p = 0,022). In einer Subgruppen-Analyse fanden die Autoren einen nicht signifikanten Trend (p = 0,08) hin zu einer stärkeren BD-Senkung bei Patienten mit höherem Einkommen und höherem Bildungsgrad.

Die Resultate der Studie stehen im Einklang mit bekannten positiven Effekten von BD-Selbstmessungen sowie etablierten Selbst-Management-Konzepten in anderen Therapiebereichen (orale Antikoagulation, Diabetes mellitus, Asthma bronchiale). Kritisch zu bemerken ist, dass in der TASMINH2-Studie von initial 7637 eingeladenen Patienten letztlich nur 527 (knapp 7%) randomisiert wurden. 78% lehnten ab, wobei die Gründe in der Publikation nicht näher erläutert werden. 15% wurden wegen Ausschlusskriterien abgelehnt. Denkbar wäre, dass Patienten mit der Logistik des Selbst-Managements überfordert waren. Dafür würde das Ergebnis der o.g. Subgruppen-Analyse sprechen. Ein Kommentator (3) merkt deshalb an, dass als Voraussetzung für eine breite Anwendung der Methode im klinischen Alltag eine weitere Evaluierung erforderlich wäre, insbesondere bei Patienten mit niedrigem Einkommen und geringem Bildungsgrad. Diese Limitationen gelten naturgemäß für alle Selbst-Management-Konzepte. Ein weiterer Grund für die häufige Ablehnung, an der Studie teilzunehmen, könnte eine fehlende Akzeptanz des Telemonitorings sein. Dies spielte in der Studie (anders als aus dem Titel zu vermuten wäre) jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Nur bei 3% aller Patienten musste das Studienteam Kontakt aufnehmen wegen unterlassener Meldung von BD-Werten im „roten” Bereich. Der Schwerpunkt des Studiendesigns lag in der Therapiemodifikation durch die Patienten selbst und nicht in der Telemonitoring-gesteuerten Intervention durch ärztliches oder nicht-ärztliches Personal.

Eine methodische Einschränkung der Studie sehen wir in der Art der BD-Messung in der Nachbeobachtung. Sie erfolgte standardisiert mittels mehrfacher Messungen durch automatische Sphygmomanometer. Die Autoren schreiben in der Diskussion, dass sie keine Hinweise auf einen Gewöhnungseffekt an BD-Messungen in der Interventionsgruppe sehen.

Weitere Studien zum Selbst-Management der Hypertoniebehandlung sind in Planung, einschließlich einer Evaluierung der Methode bei Hochrisiko-Patienten mit Schlaganfall oder KHK, die wahrscheinlich von einer häufigen BD-Kontrolle und -Einstellung besonders profitieren dürften. Auch hinsichtlich der Kosteneffizienz werden von den Autoren weitere Analysen angekündigt.

Fazit: Ein Selbst-Management, wie es in der Diabetestherapie oder für die orale Antikoagulation etabliert ist, scheint auch bei antihypertensiver Therapie und geeigneten Patienten positive Effekte auf die Zielwert-Einstellung zu haben. Inwieweit dieses Konzept im klinischen Alltag und für breite Bevölkerungsschichten praktikabel ist, muss noch evaluiert werden. Einschränkungen durch die höheren Anforderungen an Logistik und Selbstorganisation der Patienten könnten durch positive Effekte auf die „Adherence” ausgeglichen werden. Klinische Endpunktdaten zu Letalität und Morbidität liegen (wie übrigens auch für Konzepte aus anderen Bereichen) nicht vor. Patienten in Behandlungskonzepte einzubinden und ihnen Eigenverantwortung und Handlungsspielraum zu überlassen, halten wir für sinnvoll.

Literatur

  1. McManus, R.J., et al. (TASMINH2 = Telemonitoring And Self-Management IN the control of Hypertension2): Lancet 2010, 376, 163. Link zur Quelle
  2. Law, M.R., et al.: BMJ 2009, 338, b1665. Link zur Quelle
  3. Ogedegbe, G.: Lancet 2010, 376, 144. Link zur Quelle