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Neues onkologisches Arzneimittel: Eribulin (Halaven®)

Eribulin ist ein strukturell vereinfachtes synthetisches Analogon von Halichondrin B, das aus dem Meeresschwamm Halichondria okadai isoliert wird. Die Substanz wirkt als Inhibitor der Mikrotubuli-Dynamik, indem es die Polymerisation von Tubulin-Molekülen zu Mikrotubuli hemmt, durch fehlende Ausbildung des Spindelapparats die Mitose blockiert und schließlich zum apoptotischen Zelltod führt (1). Von anderen bekannten Inhibitoren der Mikrotubuli, wie z.B. den Taxanen, unterscheidet sich Eribulin u.a. durch die Bindungsstelle an den Mikrotubuli (2).

Eribulin wurde im März 2011 zugelassen als Monotherapie für Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom, bei denen nach mindestens zwei Chemotherapien wegen einer fortgeschrittenen Brustkrebserkrankung eine weitere Progression eingetreten ist. Die Vortherapien sollten ein Anthrazyklin und ein Taxan enthalten haben, es sei denn, diese Behandlungen waren ungeeignet für die Patientin (1).

Die Zulassung basiert hauptsächlich auf einer offen durchgeführten Phase-III-Studie (EMBRACE), die vom Hersteller finanziert wurde (3, 4). Angestellte des Herstellers waren außerdem an der Planung der Studie sowie an der Auswertung und Interpretation der Daten beteiligt (3). In die Studie eingeschlossen wurden 762 Frauen mit lokal rezidiviertem oder metastasiertem Brustkrebs, die nach Randomisierung (2:1) entweder mit Eribulin (1,4 mg/m2 i.v. über 2-5 Min. an Tag 1 und 8 eines 21-tägigen Therapiezyklus) behandelt wurden oder eine Therapie nach Wahl des behandelnden Arztes (treatment of physician’s choice = TPC; ganz überwiegend eine Monochemotherapie) erhielten. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben in der Intention-to-treat-Analyse. Zu den sekundären Endpunkten gehörte das progressionsfreie Überleben (PFS). Daten zur Lebensqualität wurden, wie in vielen Zulassungsstudien zu neuen Wirkstoffen in der Onkologie, leider nicht erhoben.

Die Erstdiagnose lag bei den Patientinnen im Median 5,2 Jahre zurück. Sie hatten im Median bereits vier andere Chemotherapien erhalten. Aus den Daten des Bewertungsberichts der europäischen Arzneimittelbehörde ergibt sich, dass im Widerspruch zu den Einschlusskriterien der Studie fünf Patientinnen eingeschlossen worden waren, obwohl sie keine bzw. erst eine Chemotherapie erhalten hatten und außerdem auch nicht jede Frau mit einem Taxan und einem Anthrazyklin vorbehandelt worden war (4).

Bei 132 der 762 Patientinnen (16%) zeigten die Tumoren eine Überexpression des Human epidermal growth factor receptor 2 (HER2); 144 (19%) waren Östrogen- und Progesteronrezeptor sowie HER2-negativ.

Frauen im Eribulin-Arm (n = 508) wurden im Median 3,9 Monate lang behandelt (0,7-16,3 Monate). Im Vergleichsarm (n = 254) erhielten die meisten Frauen (96%) eine Chemotherapie, u.a. mit Vinorelbin, Gemcitabin oder Capecitabin, alle übrigen (4%) eine Hormontherapie.

Frauen in der Eribulin-Gruppe überlebten im Median 2,5 Monate länger als Frauen in der TPC-Gruppe (absolut 13,1 Monate; 95%-Konfidenzintervall = CI: 11,8-14,3 vs. 10,6 Monate; CI: 9,3-12,5). Das Ergebnis war statistisch signifikant (Hazard ratio = HR: 0,81; CI: 0,66-0,99; p = 0,041; 4). In der Auswertung durch unabhängige Experten war das mediane PFS dagegen in der Eribulin-Gruppe nicht signifikant verlängert (3,7 Monate; CI: 3,3-3,9 vs. 2,2 Monate; CI: 2,1-3,4; HR: 8,87; CI: 0,71-1,05; p = 0,137; 3).

Exploratorische Analysen hinsichtlich des HER2-Status ergaben bei Patientinnen sowohl mit HER2-positiven als auch HER2-negativen Tumoren eine Verlängerung des Überlebens unter Eribulin, die allerdings nicht signifikant war (3). Eine Auswertung nach Östrogen- oder Progesteronrezeptor-Status wurde nicht veröffentlicht (3, 4).

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) traten in der Eribulin-Gruppe häufiger auf als in der TPC-Gruppe (497/503 Patientinnen = 99% vs. 230/247 = 93%). Hinsichtlich der häufigsten UAW in beiden Gruppen, Schwäche und Müdigkeit, beruhte der Unterschied hauptsächlich auf leichteren UAW (Grad 1-2 nach Common terminology criteria for adverse events = CTCAE). Bei 35% (174/503) der mit Eribulin behandelten Patientinnen traten periphere Neuropathien auf, die ebenfalls überwiegend (133/174) als Grad 1-2 eingestuft wurden. Periphere Neuropathie war jedoch die UAW, die am häufigsten zum Abbruch der Therapie mit Eribulin führte (24/503 Patientinnen = 5%) und die möglicherweise die Lebensqualität der betroffenen Patientinnen über einen längeren Zeitraum beeinträchtigt hat, eventuell sogar bis zu deren Lebensende (4). Schwere Neutropenien (Grad 3-4) bzw. febrile Neutropenien waren unter Eribulin häufig (45% bzw. 4%), führten aber nur selten zum Abbruch der Therapie (4). Andere schwere UAW (Grad 4) waren in beiden Gruppen selten (< 1%; 3).

In einem begleitenden Editorial werden Ergebnisse einer Fragebogenerhebung zu Studienendpunkten bei metastasiertem Brustkrebs erwähnt. Danach schätzten Onkologen eine Lebensverlängerung um zwei bis sechs Monate als relevanten Gewinn ein, während bei den meisten Patientinnen der Schwellenwert bei zehn Monaten lag (6, 7).

Die Arzneimittelkosten für sechs Zyklen Halaven® betragen ca. 18.000 € (5).

Fazit: In einer offen durchgeführten, vom Hersteller finanzierten Studie zeigte sich bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs unter Eribulin (Halaven®) eine Verlängerung der Überlebenszeit von im Median 2,5 Monaten verglichen mit Patientinnen, die eine Therapie nach Wahl des Arztes erhielten. Angesichts der meist langjährigen Dauer der Krankheit ist die Verlängerung der Überlebenszeit unter Eribulin marginal. Darüber hinaus wird die Aussagekraft der Studie durch methodische Schwächen eingeschränkt, u.a. durch nicht eingehaltene Einschlusskriterien und fehlende Differenzierung der Wirksamkeit von Eribulin in Abhängigkeit vom Rezeptorstatus der Tumoren. Auch die Behandlungen in der Vergleichsgruppe werfen Fragen auf: keine Patientin wurde ausschließlich mit supportiven Maßnahmen behandelt und Patientinnen mit HER2-positiven Tumoren erhielten nicht Trastuzumab (Herceptin®; 8, vgl. 9). Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren, ähnlich wie bei Taxanen, unter Eribulin häufiger als in der Vergleichsgruppe, insbesondere Neutropenien, periphere Neuropathien, aber auch Alopezie.

Für Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs ist neben der Verlängerung der Überlebenszeit die Verbesserung der Lebensqualität relevant. Dazu fehlen in dieser Studie Angaben. Bis die Ergebnisse zur Verbesserung des Überlebens in weiteren randomisierten Studien bestätigt worden sind und Daten zur Lebensqualität vorliegen, sollte Halaven® nur im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden.

Literatur

  1. Eisai: Fachinformation Halaven®0,44 mg/ml Injektionslösung. Stand März 2011.
  2. Dumontet, C., und Jordan, M.A.:Nat. Rev. Drug Discov. 2010, 9,790. Link zur Quelle Erratum: Nat. Rev. Drug Discov. 2010, 9, 897.
  3. Cortes, J., et al.(EMBRACE = Eisai Metastatic BReast cancerstudy Assessing physician’s Choice versus E7389): Lancet 2011, 377, 914. Link zur Quelle
  4. European Medicines Agency(EMA): European public assessment report (EPAR) for Halaven. Link zur Quelle Letzter Zugriff: 7.2.2012.
  5. AkdÄ: Halaven®. Stand13.10.2011. Link zur Quelle Letzter Zugriff: 7.2.2012.
  6. Lin, N.U., und Burstein,H.J.: Lancet 2011, 377, 878. Link zur Quelle
  7. Sheik-Yousouf, A., etal.: Eur. J. Canc. 2010, 8, 77 (Abstr. 63).
  8. Ludwig Boltzmann Institut2011: Link zur Quelle Letzter Zugriff: 7.2.2012.
  9. AMB 2000, 34, 61b.Link zur Quelle AMB 2006, 40, 41. Link zur Quelle