Akute respiratorische Infektionen der Atemwege gehören zu den häufigsten Anlässen eines Arztbesuchs. Oft wird dann ein Antibiotikum verschrieben (1-2). Die Erwartungen der Patienten und die häufigen Verschreibungen lassen den Verbrauch von Antibiotika nach einem Rückgang vor ca. 10 Jahren wieder konstant ansteigen (3). Diese Praxis ist einer der Gründe, warum bakterielle Resistenzen und schwer zu behandelnde Infektionen zunehmen (4-5). Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, gibt es die Möglichkeit, zunächst einmal den natürlichen Verlauf akuter respiratorischer Infektionen abzuwarten, denn sie sind meist durch Viren verursacht. Allerdings gibt es Befürchtungen, dass durch diese Strategie die Symptome schlechter unter Kontrolle zu bringen sind (6). Außerdem wird kontrovers darüber diskutiert, ob eine abwartende Verschreibung wirklich Antibiotika einspart (6). Zu dieser Frage wurde jetzt eine sehr praxisnahe Studie im BMJ publiziert (7).
In diese offene, randomisierte Studie wurden 889 Patienten ab drei Jahren mit akuter oberer respiratorischer Infektion von März 2010 bis März 2012 in 25 Praxen in England eingeschlossen. Patienten, die nach Ansicht des Arztes akut kein Antibiotikum brauchten, wurden in vier Gruppen randomisiert: A = Patienten wurden nach ein paar Tagen wieder einbestellt (n = 108), B = das Antibiotikum-Rezept wurde für einen späteren Termin der Einlösung mitgegeben (n = 114), C = das Antibiotikum-Rezept wurde in der Apotheke zur Abholung hinterlegt (n = 105), D = das Antibiotikum-Rezept wurde dem Patienten zur Einlösung seinen Bedürfnissen entsprechend mitgegeben (n = 106). Die Patientencharakteristika waren in den randomisierten Gruppen nicht unterschiedlich. Das Alter lag in den vier randomisierten Gruppen im Median zwischen 30 und 34 Jahren.
Insgesamt haben in diesen Gruppen < 40% der Patienten die Antibiotikumrezepte tatsächlich eingelöst. Der Schweregrad der Symptome nach 2-4 Tagen war zwischen den einzelnen Gruppen nicht unterschiedlich: Gruppe A: 1,60; Gruppe B: 1,82; Gruppe C: 1,68; Gruppe D: 1,75 (Wahrscheinlichkeitstest X2: 2,61; p = 0,625). Es wurde auch kein Unterschied in der Dauer der Symptome gefunden. Auch die Zufriedenheit der Patienten wurde nicht unterschiedlich angegeben. Das Vertrauen in die Wirksamkeit der Antibiotika war sehr ähnlich in diesen Gruppen (74%, 73%, 72%, 66%; p = 0,805).
Während dieser Studie wurden zwei weitere Arme parallel durchgeführt. In dem einem wurden die Patienten (n = 233) mit einem Antibiotikum behandelt, in dem anderen nicht (n = 122). Der Ausgangswert für den Schweregrad der Erkrankung war höher in der Gruppe, bei der sich die Ärzte für eine sofortige Therapie mit einem Antibiotikum entschieden. In der nicht mit einem Antibiotikum behandelten Vergleichsgruppe lag das Alter im Median bei 29 Jahren, in der mit Antibiotikum behandelten Gruppe bei 37 Jahren. Primäre Studienziele waren Schweregrad der Symptome (auf einer Skala von 0-6) am Tag 2-4, der Antibiotikaverbrauch und das Vertrauen der Patienten in die Wirksamkeit des Antibiotikums.
Patienten, die sofort mit einem Antibiotikum behandelt wurden, glaubten stark an die Wirksamkeit dieser Medikamente (93%). Objektivieren ließ sich die Wirksamkeit jedoch nicht: Schweregrad der Symptome nach 3-4 Tagen: 1,76 und Symptomdauer im Median vier Tage, im Vergleich dazu die Gruppe ohne Antibiotika: 1,62.
Fazit: Diese sehr praxisnahe Studie zeigt, dass durch verschiedene Strategien bei akuten Atemwegsinfekten junger Patienten die Einnahme von Antibiotika eingeschränkt werden kann, ohne dass hierdurch insgesamt Nachteile für den Patienten entstehen.
Literatur
- Kai,J.: BMJ 1996, 313, 987. Link zur Quelle
- Cornford, C.S.: Br. J.Gen. Pract. 1998, 48, 1751. Link zur Quelle
- http://www.dh.gov.uk/health/2012/11/eaad-resourcesLink zur Quelle
- Goossens, H., et al.: Lancet2005, 365, 579. Link zur Quelle
- Costelloe,C., et al.: BMJ 2010, 340, c2096. Link zur Quelle
- Spurling, G., et al.: CochraneDatabase Syst Rev2010;3:CD004417. Link zur Quelle
- Little, P., et al. (PIPS = Pragmatic trial of Ibuprofen, Paracetamoland Steam): BMJ 2014, 348, g1606. Link zur Quelle