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Diabetes-Folgestudien VADT und ACCORD: Unterschiedlich strenge Blutzuckereinstellung und Folgeerkrankungen

Vor 5-6 Jahren wurden mehrere Studien zum Typ-2-Diabetes mellitus beendet, mit denen festgestellt werden sollte, ob eine strenge (nahe normale) Einstellung des Blutzuckers im Vergleich mit weniger strenger Kontrolle (HbA1c 6,5-8%) die Inzidenz von makrovaskulären Komplikationen und die Letalität günstig beeinflusst. Die Antwort war im Wesentlichen: nein, außer bei jüngeren Patienten mit kurzer Dauer des Diabetes und fehlenden makrovaskulären Veränderungen bei Studienbeginn (vgl. 1, 2).

Eine der von uns besprochenen Studien war die der US-amerikanischen Veterans Affairs Administration (VADT), in der bei 1.791 diabetischen Veteranen der Armee (überwiegend Männer) über im Median 5,6 Jahre die Ergebnisse einer strengeren Einstellung (erzielter mittlerer HbA1c-Wert: 6,9%) mit denen einer weniger strengen Einstellung (HbA1c: 8,4%) verglichen wurde (3). Die intensivere Therapie erfolgte mit verschiedenen oralen Antidiabetika und, wenn notwendig, auch mit Insulinen. In dieser multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Studie war die Zeit bis zu einer ersten kardiovaskulären Komplikation (Herzinfarkt, kardiovaskuläre Interventionen, Schlaganfall) bei den intensiver Behandelten geringfügig, aber nicht signifikant länger. Nach Abschluss dieser Studie wurden die Patienten der beiden Kohorten in einer Folgestudie nach geltendem Standard (usual care) weiterbehandelt und nachbeobachtet.

Dieser kürzlich publizierten Folgestudie (4) ist zu entnehmen, dass sich die HbA1c-Werte in den ersten drei Jahren bei den ursprünglich weniger streng eingestellten Patienten (Gruppe B) gering verbesserten, bei der aus strengerer Kontrolle entlassenen (Gruppe A) jedoch schnell anstiegen. Nach im Median zehn Jahren war das HbA1c in der Gruppe A im Median 8,1%, in Gruppe B 8,3%, allerdings mit großen Standardabweichungen. Für die Folgestudie konnten die Daten von 92,4% der ursprünglichen Kohorten ausgewertet werden. Der primäre zusammengesetzte Endpunkt der Auswertung nach zehn Jahren war die Zeit bis zum Auftreten eines der folgenden ersten Ereignisse: Angina pectoris, Schlaganfall, Herzinsuffizienz, Amputationen wegen PAVK. Sekundärer Endpunkt war die Gesamt- und die kardiovaskuläre Letalität.

Ergebnisse: Bei Eintritt in die Folgestudie war das mittlere Alter in beiden Gruppen 60 ± 8 Jahre. Der primäre Endpunkt ereignete sich in Gruppe A (ehemals strengere Einstellung) mit einer Inzidenz von 44,1 Ereignissen pro 1.000 Personenjahre, in Gruppe B mit 52,7 pro 1.000 Personenjahre. Die Hazard ratio war 0,83 mit einem 95%-Konfidenzintervall von 0,70-0,99 zugunsten von Gruppe A (p = 0,04). Die Gesamtletalität war in beiden Gruppen fast gleich (32 vs. 30,3 pro 1.000 Patientenjahre; p = 0,54).

Diskussion: Das grenzwertig signifikant spätere Eintreten eines kardiovaskulären Ereignisses in Gruppe A könnte eine Folge der über 5-6 Jahre strengeren Einstellung des Diabetes während der ersten Studie sein. In der Gesamtletalität findet sich dieser kleine Vorteil jedoch nicht wieder. Eine andere der oben erwähnten Studien war die ACCORD-Studie (5). In deren intensiver behandelter Kohorte war die Letalität etwas höher als in der Kontroll-Gruppe, weshalb die Studie vorzeitig beendet wurde. Die HbA1c-Senkung in ACCORD war etwas stärker als in der VADT-Studie. Auch hierzu ist im vorigen Jahr eine Folgepublikation erschienen (6). Bei den Patienten der ursprünglich für 3-7 Jahre intensiver behandelten Gruppe von ACCORD war in der Nachbeobachtung nach ca. zwei Jahren weniger strenger Therapie ebenfalls ein kleiner Vorteil hinsichtlich kardiovaskulärer Komplikationen im Vergleich mit der ursprünglichen Kontroll-Gruppe erkennbar. Lediglich in den britischen UKPDS-Studien, in die überwiegend jüngere Diabetiker mit kürzerer Krankheitsdauer eingeschlossen worden waren, hatte die intensiver behandelte Gruppe (aber weniger intensiv als in VADT und ACCORD) im Vergleich mit „usual care“ in Folgestudien nach zehn Jahren anhaltend weniger kardiovaskuläre Komplikationen. Auch war die Gesamtletalität geringer (7, 8).

Fazit: Bei älteren Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2, die bereits erkennbare oder subklinische kardiovaskuläre Folgekrankheiten haben (können), sollten HbA1c-Werte von 6,5-7,5% angestrebt werden, ohne dabei ein erhebliches Hypopglykämie-Risiko einzugehen. Der optimale HbA1c-Bereich ist allerdings umstritten (1). Bei jüngeren Patienten, besonders bei adipösen mit neu entdecktem Diabetes, sollten durch Gewichtsreduktion und Therapie mit Metformin annähernd normale Blutzucker- und HbA1c-Werte das Ziel sein. Auch bei ihnen sind Hypoglykämien zu vermeiden. Die Ergebnisse der beiden besprochenen Folgestudien ändern an diesen Richtlinien nichts Wesentliches.

Literatur

  1. AMB 2010, 44, 13. Link zur Quelle
  2. AMB 2010, 44, 29a. Link zur Quelle
  3. Duckworth, W., et al.(VADT = Veterans Affairs DiabetesTrial):N. Engl. J. Med. 2009, 360,129. Link zur Quelle
  4. Hayward, R.A., et al. (VADT = Veterans Affairs DiabetesTrial):N. Engl. J. Med. 2015, 372, 2197. Link zur Quelle
  5. Gerstein, H.C.,et al. (ACCORD= Action to Control CardiOvascular Risk in Diabetes):N. Engl. J. Med. 2008, 358, 2545 Link zur Quelle. AMB 2008, 42, 59. Link zur Quelle
  6. Gerstein, H.C., et al. (ACCORD = Actionto Control CardiOvascular Risk in Diabetes):Lancet 2014, 384, 1936. Link zur Quelle
  7. Holmann, R.R., et al. (UKPDS 80 = UK ProspectiveDiabetes Study 80): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 1577 Link zur Quelle . AMB 2008, 42,94. Link zur Quelle
  8. Holmann, R.R., et al. (UKPDS 81 = UK ProspectiveDiabetes Study 81): N. Engl. J. Med. 2008, 359, 1565 Link zur Quelle . AMB 2008, 42,94. Link zur Quelle