Artikel herunterladen

HIV-Therapie: Je früher desto besser

Wir haben schon mehrmals über die Vorteile einer früh eingeleiteten Therapie bei HIV-Infektion berichtet (1-3). So haben Registerstudien aus Nordamerika gezeigt, dass die Letalität durch Tumor- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei sehr früh behandelten HIV-Infizierten geringer war, als bei (leitlinienkonform) später behandelten Patienten (1). Auch hat eine große prospektive Kohorte aus den USA gezeigt, dass eine vollständige Rekonstitution des Immunsystems nur möglich ist, wenn sehr früh bei akuter HIV-Infektion – am besten noch vor der Serokonversion – die Therapie begonnen wird (2) und dass sich durch eine frühe Therapie auch Infektionen bei Partnern reduzieren lassen (3). Diese Studien haben dazu geführt, dass die Leitlinien zur Therapie der HIV-Infektion geändert wurden und empfohlen wird, schon ab CD4-T-Zellzahlen von 350/µl mit der Therapie zu beginnen. Über einen Beginn der Therapie bei noch höheren CD4-T-Zellzahlen wird diskutiert.

Allerdings gibt es bisher keine prospektiven Studien zu den Vor- und Nachteilen einer sehr frühen HIV-Therapie (> 500 CD4-T-Zellen/µl) im Vergleich zu HIV-Patienten, die eine antiretrovirale Therapie erst bei ≤ 350 CD4-T-Zellen/µl beginnen. Nun wurden erste Ergebnisse einer großen internationalen Studie zu dieser Frage publiziert (4).

In diese randomisierte Studie (START) wurden HIV-infizierte erwachsene Patienten aufgenommen mit > 500 CD4-T-Zellen/µl im peripheren Blut. Eine Gruppe begann sofort mit der antiretroviralen Therapie („immediate-initiation“ Gruppe = IIG), eine andere Gruppe später, als die CD4-T-Zellen auf ≤ 350/µl abgefallen waren („deferred-initiation“ Gruppe = DIG). Der primäre zusammengesetzte Endpunkt war: jede Art von schwerwiegender Komplikation im Zusammenhang mit der HIV-Infektion, jedes schwerwiegende nicht-HIV-assoziierte Ereignis oder Tod durch welchen Grund auch immer. 4.685 Patienten (2.329 in der IIG und 2.359 in der DIG) wurden im Median drei Jahre nachverfolgt. Bei Studienbeginn war die Viruslast im Median 12.759 Kopien/ml und die mediane CD4-T-Zellzahl 651/µl. Am 15. Mai 2015 wurde auf Basis einer Zwischenauswertung festgestellt, dass die Fragestellung der Studie beantwortet ist. Allen weiteren Patienten wurde eine sofortige Therapie angeboten. Der primäre Endpunkt wurde bei 42 Patienten (1,8%; 0,6 Ereignisse/100 Patientenjahre) in der IIG und bei 96 Patienten (4,1%; 1,39 Ereignisse/100 Patientenjahre) in der DIG erreicht (Hazard-Ratio: 0,43; 95%-Konfidenzintervall: 0,3-0,62; p > 0,001). Wichtig ist auch, die Komponenten des zusammengesetzten Endpunkts einzeln zu betrachten. So waren nicht nur schwerwiegende HIV-assoziierte Ereignisse in der IIG seltener, sondern auch bösartige Erkrankungen. In der DIG starben fast doppelt so viele Patienten (21 vs. 12), was bei der insgesamt geringen Zahl allerdings statistisch nicht signifikant war. Bemerkenswert ist, dass bei mehr als zwei Drittel der Patienten der primäre Endpunkt bei einer CD4-T-Zellzahl von > 500/µl erreicht wurde. Die CD4-T-Zahlen stiegen in der IIG rasch und deutlich an und waren im Median nach drei Jahren bei fast 1.000/µl, während in der DIG im Median nur ca. 600/µl erreicht wurden.

Fazit: Eine sofortige Therapie (noch bei > 500 CD4-T-Zellen/µl) ist für HIV-Infizierte deutlich günstiger als abzuwarten bis die CD4-T-Zellen auf 350/µl abfallen sind. Vereinfacht kann man sagen, dass jeder HIV-infizierte Patient sofort nach der Diagnose mit der Behandlung beginnen sollte, und dies unabhängig von der Zahl der CD4-T-Zellen. Die Verträglichkeit der antiretroviralen Therapie ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden.

Literatur

  1. AMB 2009, 43, 44. Link zur Quelle
  2. AMB 2013, 47, 23a. Link zur Quelle
  3. AMB 2011, 45, 72. Link zur Quelle
  4. INSIGHT — START Study Group (International Network for StrategicInitiatives in Global HIV Trials Strategic Timing of AntiRetroviralTreatment): N. Engl. J. Med. 2015. Link zur Quelle