Die Optionen für die Behandlung der aktivierten Gonarthrose sind vielfältig: beispielweise chirurgische Verfahren, intraartikuläre Injektion(en) eines Glukokortikosteroids, von Plasma oder „Gelenkschmiere“, Physiotherapie, Ultraschall- und Elektromagnetfeld-Behandlungen, Schmerzmittel lokal und systemisch, Balneo- und Blutegel-Behandlung, Akupunktur. Welche Therapie jeweils angewendet wird, entscheidet oft die individuelle Erfahrung oder Einschätzung des behandelnden Arztes. Der Geldbeutel des Patienten und die Verfügbarkeit der verschiedenen Verfahren spielen aber sicher auch eine Rolle. Die Vielfalt der Therapieoptionen spiegelt wohl die geringe Wirksamkeit der verschiedenen Methoden wider. 2005 haben wir über eine Metaanalyse berichtet, wonach Nichtsteroidale Antiphlogistika (NSAID) den Schmerz bei Kniegelenkarthrose nur kurzfristig bessern und nur wenig besser wirken als Plazebo (1). Wir haben uns daher aufgrund der Nebenwirkungen gegen eine langfristige Verordnung von NSAID bei dieser Indikation ausgesprochen.
Das „Center for Treatment Comparison and Integrative Analysis” des Tufts Medical Center in Boston hat nun eine Netzwerk-Metaanalyse veröffentlicht, die sich erneut mit der Wirksamkeit von NSAID und intraartikulären Injektionen befasst (2). In die Analyse wurden 137 randomisierte kontrollierte Studien aus den Jahren 1980-2014 eingeschlossen, in denen Symptome bei aktivierter Gonarthrose (knee osteoarthritis) mit mindestens zwei Interventionen vergleichend behandelt wurden. Folgende Interventionen bzw. Komparatoren wurden untersucht: Paracetamol, Diclofenac, Ibuprofen, Naproxen, Celecoxib oder Plazebo (jeweils oral) sowie intraartikuläre Injektionen von Glukokortikosteroiden, Hyaluronsäure oder Plazebo. Drei Zielparameter wurden untersucht: Schmerz, Funktion und Gelenksteifigkeit innerhalb von drei Monaten.
Wegen der unterschiedlichen Fallzahlen und Endpunktmessungen in den analysierten Studien wurde der Therapieeffekt in Effektstärken umgerechnet (Hedges g-Wert; vgl. 3). Dieser dimensionslose Wert bezeichnet die Differenz zwischen mittlerem Ausgangs- und Endwert, geteilt durch die gepoolte Standardabweichung. Der verwendete Hedges g-Wert berücksichtigt zudem die Größe der Stichprobe. Je größer der Wert, desto stärker der Vorteil. Ein Beispiel: Studie 1 hat 60 Patienten eingeschlossen, Behandlung 1 hat gegenüber Plazebo eine mittlere Verbesserung von 2/10 Punkten erzielt mit einer Standardabweichung von 1,5. Studie 2 hat 230 Patienten eingeschlossen, Behandlung 1 hat eine mittlere Verbesserung gegenüber Plazebo von 5/20 Punkten erzielt mit einer Standardabweichung von 3. Hieraus errechnet sich eine Effektstärke von 1,0. Je größer die Standardabweichungen oder je kleiner die Mittelwerte, desto kleiner ist die Effektstärke.
Ergebnisse: Die Zahl der in die Studien eingeschlossenen Patienten variierte zwischen 24 und 779; 45 Studien (34%) hatten < 100 Patienten. Die Qualität der Studien war sehr unterschiedlich. So war die Methode der Randomisierung nur bei 75 Studien (55%) eindeutig nachzuvollziehen. Eine verblindete Auswertung der Ergebnisse erfolgte nur bei 68 Studien (50%) und eine Intention-to-treat-Auswertung war nur bei 92 Studien angegeben (67%).
Schmerzlinderung: Hierbei fand sich der größte Unterschied zwischen den verschiedenen Therapien. Alle getesteten Wirkstoffe waren wirksamer als Plazebo oral (s. Tab. 1). Die Effektstärken waren jedoch bei allen Behandlungsverfahren eher gering, d.h. zwischen 0,18 und 0,63; vgl. Tab. 1).
Besserung der Gelenkfunktion: Bei den meisten Interventionen konnte eine geringe Überlegenheit gegenüber Plazebo nachgewiesen werden, nur nicht mit intraartikulären Glukokortikosteroid-Injektionen. Naproxen, Ibuprofen, Diclofenac und Celecoxib wirkten bei diesem Endpunkt signifikant besser als Paracetamol. Intraartikuläre Injektionen von Hyaluronsäure wirkten nicht besser als NSAID oral.
Besserung der Gelenksteifigkeit: Sie war mit Naproxen, Ibuprofen, Diclofenac und Celecoxib signifikant besser als mit Plazebo oral oder Paracetamol. Intraartikuläre Injektionen scheinen bei diesem Endpunkt keine Vorteile gegenüber NSAID oral zu haben.
Nebenwirkungen: Darüber wurde in den Studien leider nur lückenhaft berichtet. Bei NSAID fanden sich erwartungsgemäß vermehrt Nebenwirkungen im Bereich des Gastrointestinaltrakts und hinsichtlich der Nierenfunktion. Kardiovaskuläre Nebenwirkungen wurden in weniger als 50% der Studien beobachtet. Die häufigsten Nebenwirkungen bei intraartikulären Injektionen waren lokale Reaktionen (Schmerz, Schwellung, Arthralgie), die in der Regel nach wenigen Tagen abklangen. In 29 Studien mit 3.152 Patienten und insgesamt 9.500 Injektionen wurde nur über eine septische Arthritis berichtet (nach Injektion von Plazebo). Studienabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen waren generell häufiger bei oraler Einnahme von NSAID.
Die Autoren weisen selbst darauf hin, dass aus den Ergebnissen ihrer Metaanalyse nur eingeschränkt Schlüsse zu ziehen sind. So können sie statistische Fehler bei derartig komplexen Analysen nicht ausschließen. Beim tabellarischen Vergleich mit mehreren anderen, kleineren Metaanalysen aus den vergangenen Jahren konnten sie jedoch nachweisen, dass ihre Ergebnisse plausibel sind. Sie kritisieren, dass Langzeitdaten zur Effektivität und Sicherheit der Behandlung der aktivierten Gonarthrose fehlen. Außerdem gehen sie von einem erheblichen „publication bias“ zu Gunsten der geprüften Therapien aus.
Fazit: Die Ergebnisse dieser aktuellen Metaanalyse zur medikamentösen Behandlung bei aktivierter Gonarthrose sorgen für mehr Ratlosigkeit als Klarheit. Demnach sind NSAID hinsichtlich Schmerzlinderung und Wiederherstellung der Gelenkfunktion nur gering wirksam. Paracetamol und Celecoxib schneiden dabei am schlechtesten ab. Nebenwirkungen nach längerer Anwendung von NSAID – vor allem bei älteren Patienten mit Polypharmazie infolge von Begleiterkrankungen –mahnen zum kurzfristigen und eventuell intermittierenden Einsatz. Intraartikuläre Injektionen von Hyaloronsäure sind ähnlich, in Studien teilweise besser analgetisch wirksam als NSAID oral, wobei nur Hyaluronsäure (i.a.) die Gelenkfunktion signifikant gegenüber Plazebo (per os) verbessert. Gelenkinjektionen sind jedoch mit einem Infektionsrisiko verbunden. Als Konsequenz aus dieser umfangreichen Netzwerk-Metaanalyse und trotz des Wissens um den sicher vorhandenen Plazeboeffekt bei i.a. Injektionen sollte – wie bisher – bei Gonarthrose-Beschwerden primär nichtinvasiv lokal behandelt werden. Falls NSAID erforderlich sind, sollten sie zeitlich nur begrenzt eingenommen werden, unterstützt von Physiotherapie/Balneotherapie. Primum nil nocere!
Literatur
- AMB2005, 39, 23a. Link zur Quelle
- Bannuru, R.R.,et al.: Ann. Intern. Med. 2015, 162, 46. Link zur Quelle
- Hedges,L.V., und Pigott,T.D.: Psychol. Methods 2001, 6, 203. Link zur Quelle