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Q-Fieber-Infektionen durch „Frischzellen-Therapie“ in Deutschland

Die Frischzellentherapie ist nach unserer Einschätzung ein obsoletes Verfahren mit dem angeblichen Ziel, die körpereigene Immunabwehr zu stärken. Das Verfahren geht auf einen Schweizer Sanatoriumsdirektor (Paul Niehans) zurück und ist nur noch in wenigen Ländern erlaubt. In Deutschland wird es nach wie vor von „Kurkliniken“ und Praxen (Ärzte und Heilpraktiker) angeboten im Rahmen von „Anti-Aging“-Therapien und vielen anderen dubiosen Indikationen. Dabei werden Zellsuspensionen meist von fetalen oder juvenilen Kälbern oder Lämmern injiziert. Die Injektion vitaler tierischer Zellen ist mit verschiedenen Risiken verbunden, wie z.B. Infektionskrankheiten (Tollwut, BSE, Q-Fieber u.a.). Aber auch lebensgefährliche allergische Reaktionen oder Autoimmunerkrankungen (z.B. Enzephalitis, Vaskulitis) können durch das Fremdeiweiß induziert werden (1-3). Besonders in den 1980er Jahren waren Frischzelleninjektionen in Deutschland sehr populär, weil auch Prominente, wie Bundeskanzler Konrad Adenauer und der Trainer der Fußballnationalmannschaft, Helmut Schön, sich damit behandeln ließen.

Nach einigen Todesfällen, die mit dieser Frischzellentherapie in Verbindung gebracht worden sind, wurde 1997 durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer die Herstellung und der Verkauf von Frischzellen in Deutschland verboten. Der Begründung für dieses Verbot ist eigentlich nichts hinzuzufügen: Die Wirksamkeit dieses Verfahrens ist wissenschaftlich nicht belegt; darüber hinaus sind mit diesem Therapieverfahren zusätzlich unkalkulierbare Risiken mit zum Teil schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden bis hin zu tödlichen Zwischenfällen (1-3). Auf Initiative der Interessenvertreter (Ärzte und Kurkliniken) wurde dieses Verbot im Jahre 2000 durch das Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben. Die fadenscheinige Begründung lautete: Der Umgang mit Frischzellen, die direkt in den jeweiligen Kliniken hergestellt und dort injiziert würden, stelle kein „Inverkehrbringen“ dar und sei daher nicht durch das Arzneimittelgesetz zu regeln.

Seitdem blüht in Deutschland das Geschäft mit diesem Verfahren weiterhin in ca. 10 Privatkliniken und auch in Praxen. Die einwöchige Behandlung muss teuer bezahlt werden. Auch „Medizintouristen“ aus dem Ausland kommen extra deshalb nach Deutschland, weil diese „Therapieform“ in ihren Ländern nicht zur Verfügung steht (z.B. USA, Kanada). Im Zeitraum von September bis November 2014 wurde bei fünf New Yorkern, die als Teil einer Reisegruppe von 15 Personen einen Arzt in Deutschland (Lachen-Speyerdorf, Rheinland-Pfalz) besuchten, die Diagnose einer Q-Fieber-Infektion gestellt (4, 5). Der Arzt hatte ihnen Frischzellen von einem fetalen Schaf i.m. gespritzt. In Kanada erkrankte eine weitere Patientin an Q-Fieber, die sich ebenfalls bei diesem Arzt in Rheinland-Pfalz einer solchen Prozedur unterzogen hatte. Die Daten wurden an die deutschen Behörden übermittelt mit der Bitte, diesem Vorgang weiter nachzugehen. Dabei stellte sich heraus, dass das Gesundheitsministerium von Rheinland-Pfalz gerade einen Q-Fieber-Ausbruch im Zusammenhang mit einer Schafherde untersuchte, aus der der Arzt seine Zellen bezogen hatte. Die anderen Personen der Reisegruppe konnten von den amerikanischen und kanadischen Behörden nicht ermittelt werden, da sie aus anderen Ländern stammten. Coxiella burnetii – der Erreger des Q-Fiebers – vermehrt sich mit hoher Erregerkonzentration, z.B. in der Plazenta von infizierten Schafen (6).

Alle sechs Patienten (vier Frauen, zwei Männer) hatten keine weitere erkennbare Exposition gegenüber Coxiella burnetii, jedoch erhöhte Antikörper-Titer und entsprechende Symptome wie Fieber, Kopfschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen. Drei der betroffenen Patienten hatten wegen der Symptome schon ärztliche Hilfe gesucht, bevor die Behörden den Ausbruch untersuchten. Die beiden anderen Patienten gaben die Symptome anamnestisch an, hatten aber deswegen keinen Arzt konsultiert. Im Median waren die Patienten 62 Jahre (59-83 Jahre) alt. Die Symptome traten ca. eine Woche nach der Injektion auf und dauerten 10-90 Tage. Drei Patienten berichteten über Beschwerden, wie Abgeschlagenheit, Schüttelfrost und Schlafstörungen, auch noch 9-10 Monate nach der Injektion. Nach Diagnosestellung wurden alle Patienten mit Doxycyclin behandelt. Der Arzt, der die Frischzellen injiziert hatte, hatte die Patienten nicht über das Risiko einer Q-Fieber-Infektion durch die Injektion aufgeklärt.

Die deutschen Behörden (Robert Koch-Institut) haben offenbar den Vorgang nicht mit großem Nachdruck untersucht. In einer Mitteilung des Paul-Ehrlich-Instituts werden neben der kanadischen Patientin noch zwei weitere Patienten aus Deutschland aufgelistet, die sich offenbar im Rahmen dieses Q-Fieber-Ausbruchs durch Frischzellen infiziert haben (7). Im Stadtkreis München wurde ein weiterer Fall von Q-Fieber gemeldet, der von Experten mit dem Ausbruch in Lachen-Speyerdorf in Verbindung gebracht wird. Dem Vernehmen nach war ein Arzt, der Frischzellen hergestellt hatte, selbst daran erkrankt. Das ist alles, was wir im Internet dazu gefunden haben (4, 5). Im RKI-Ratgeber zum Q-Fieber findet sich kein Hinweis auf das Risiko, sich durch eine Frischzellentherapie zu infizieren (8).

Fazit: Frischzellentherapie ist nach unserer Einschätzung obsolet, zur Stärkung der körpereigenen Immunabwehr nicht geeignet und gefährlich. Neben anderen Erregern kann Coxiella burnetii übertragen werden, der Erreger des Q-Fiebers.

Literatur

  1. Bohl,J,. et al.: Z. Rechtsmed. 1989, 103, 1. Link zur Quelle
  2. DeRidder, M., et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 1987, 112, 1006. Link zur Quelle
  3. AMB 1986, 20, 25. AMB 1986, 20,63. AMB 1987, 21, 80.
  4. Robyn, M.P., et al.: Morbidity and MortalityWeekly Report (MMWR) 2015, 64, 1071. Link zur Quelle
  5. http://www.rheinpfalz.de/nachrichten/titelseite/artikel/q-fieber-aus- der-pfalz-nachkanada/ Link zur Quelle
  6. Schneider,T., et al.: Dtsch. Med. Wochenschr. 1993, 118, 689. Link zur Quelle
  7. http://www.pei.de/SharedDocs/Downloads/ vigilanz/bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/ 2014/4-2014.pdf?__blob=publicationFile&v=7 Link zur Quelle
  8. http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Q-Fieber.html Link zur Quelle