Frage von Dr. C.J. aus M.: >> Auf deutschen Impf-Fortbildungen (aber auch z.B. in den brasilianischen Medien) taucht das Thema HPV-Impfung auch bei männlichen Jugendlichen auf. Es geht nicht nur um Krebsvorsorge im Genital- sondern auch im Oropharynxbereich. Gibt es belastbare Studien gegen Plazebo, dass diese Impfung Krebserkrankungen verhindert? <<
Antwort: >> Impfempfehlungen: Aktuell gibt es keine HPV-Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) für Männer. Die S3-Leitlinie für Ärzte zur Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien empfiehlt jedoch die Impfung für Jungen möglichst frühzeitig (1). In vielen anderen Ländern gibt es auch eine Impfempfehlung für männliche Jugendliche/Kinder von den zuständigen nationalen Gesundheitsbehörden (z.B. in den USA, Australien, Österreich). Es ist bekannt, dass die Impfung auch bei Männern zu einer starken Immunreaktion mit Bildung von Antikörpern führt. Diese schützen vor einer Infektion mit HPV und vor Genitalwarzen. Um einen größeren Schutz in der Bevölkerung zu erreichen, erscheint es sinnvoll, alle sexuell aktiven Personen gegen HPV zu impfen. Der Vierfachimpfstoff (Gardasil®) ist auch für Jungen ab neun Jahren und für Männer zugelassen. Die Impfung von Jungen wird in Deutschland zwar von der Leitlinie empfohlen, aber nicht von den Krankenkassen bezahlt.
HPV-assoziierte Erkrankungen, die durch die Impfung von Männern verhindert werden können:
Warzen: Die häufigste Erkrankung durch HPV sind Genitalwarzen (Condylomata acuminata, Feigwarzen). Sie sind nach Einführung der Impfung in Ländern mit hoher Akzeptanz für die Impfung, wie in Australien, fast verschwunden (2). Genitalwarzen sind zwar harmlos und heilen oft spontan ab, aber manchmal persistieren die Viren, und die chronische Entzündung kann zur Entwicklung einer bösartigen Erkrankung beitragen.
Analkarzinom: Das Analkarzinom ist eine Erkrankung bei Männern, die im engen Zusammenhang mit HPV-induzierten Warzen steht. Es sind besonders Männer betroffen, die mit Männern Sex haben (Übersicht bei 3).
Bösartige Erkrankungen im Kopf-Hals-Bereich: Eine Infektion mit HPV gilt als ein wichtiger Risikofaktor für bestimmte Plattenepithelkarzinome im Kopf-Hals-Bereich. Als Kopf-Hals-Tumoren werden Tumore des Oropharynx, des Nasopharynx, der Tonsillen, des Hypopharynx, aber auch des Larynx und der Trachea zusammengefasst. Vor allem Tumore des Oropharynx werden derzeit mit einer HPV-Infektion in Verbindung gebracht. Die Studien ergeben sehr unterschiedliche Inzidenzen für HPV (meist Genotyp 14) für diese Tumore. In Brasilien scheint die Inzidenz besonders hoch zu sein (4). Die mögliche Beteiligung von HPV bei Patienten mit Oropharynxkarzinom wird auch dadurch unterstützt, dass die sonst typischen Risikofaktoren, wie starker Tabak- und/oder Alkoholkonsum, fehlen können (5).
Peniskarzinom: Diese seltene Erkrankung wird häufig spät diagnostiziert. Sie ist sehr belastend und hat oft einen fatalen Ausgang. Man nimmt an, dass bis zu 40% dieser Karzinome mit HPV assoziiert sind (Übersicht bei 6).
Studienlage und Einschätzung: Neuere epidemiologische Studien aus den Niederlanden haben ergeben, dass die HPV-assoziierte Krankheitslast höher ist als bei allen anderen Infektionserkrankungen (7). In den Jahren 2011-2014, war die durchschnittliche HPV-Krankheitslast bei Frauen 10,600 DALYs (disability-adjusted life-years) (95%-KonfidenzintervalI = CI: 10,260-10,960) und bei Männern 3,346 DALYs (CI: 2,973-3,762). Bei Frauen waren es hauptsächlich Zervixkarzinome. Wenn man alle chronischen Erkrankungen, die mit HPV assoziiert sind, als 100% annimmt, so ist bei Frauen eine Abnahme von 90% im Jahr 1989 auf 74% im Jahr 2014 zu erkennen. Bei Männern hingegen nahm die Krankheitslast von 10% im Jahr 1989 auf 26% im Jahr 2014 zu. Die Hauptwirkung der HPV-Impfung bei Frauen in den Niederlanden wird für 2023 erwartet. Es ist daher mit einer noch größeren Verschiebung der Krankheitslast zu Ungunsten der Männer zu rechnen, wenn nicht auch Jungen geimpft werden (7).
Für Männer gibt es Daten aus Australien zur Reduktion von Genitalwarzen (8). Ähnliche Studien, wie bei Frauen, sind denkbar, wenn es gelänge, geeignete Endpunkte, wie bestimmte prämaligne Läsionen, z.B. für Oropharynxkarzinome, zu definieren (9). Aber das wird schwer zu realisieren sein. Über die großen prospektiven Studien zur Verhinderung von Zervixkarzinomen durch die HPV-Impfung haben wir mehrfach berichtet (2, 10). Über Jahre hat sich gezeigt, dass sich bei den Frauen nicht nur die Inzidenz von Genitalwarzen, sondern auch die Inzidenz von Dysplasien und Präkanzerosen im Genitalbereich verringert hat (8, 10). Zudem sind viele anfänglich bestehende Befürchtungen hinsichtlich eines Wandels bei den HPV-Typen oder gravierenden Nebenwirkungen nicht eingetreten. Die Impfung ist im Alltag effektiv, hat keine schweren Nebenwirkungen und sorgt auch für eine gewisse Herdenimmunisierung bei Nichtgeimpften, wenn die Impfakzeptanz hoch genug ist.
Nur langfristige Registerstudien bei hoher Impfakzeptanz können zeigen, ob auch bei Männern Tumore durch die HPV-Impfung zurückgehen. Da die Verträglichkeit des HPV-Impfstoffs akzeptabel ist und für das HPV auch bisher kein Nutzen für den Menschen belegt ist, halten wir eine Impfung auch bei Jungen vor Eintritt in die sexuell aktive Phase für sinnvoll, weil dadurch die Übertragung von Genitalwarzen und die Inzidenz von Zervixkarzinomen reduziert werden könnte und wahrscheinlich auch die seltenen bösartigen Erkrankungen bei Männern. <<
Literatur
- http://www.awmf.org/… Link zur Quelle
- AMB 2013, 47,65. Link zur Quelle
- Mensah, F.A., et al.: Oncologist 2016, 21, 453. Link zur Quelle
- Petito, G., et al.: Braz.J. Otorhinolaryngol. 2017, 83, 38. Link zur Quelle
- Zumsteg, Z.S., et al.:JAMA Oncol. 2016, 2, 1617. Link zur Quelle
- Diorio, G.J., undGiuliano, A.R.: Urol. Clin. North Am. 2016, 43, 419. Link zur Quelle
- McDonald, S.A., et al.: Cancer Causes Control. 2017, 28, 203. Link zur Quelle
- Donovan, B., et al.:Lancet Infect. Dis. 2011, 11, 39. Link zur QuelleAMB 2011, 45, 95. Link zur Quelle
- Guo, T., et al.:Cancer 2016, 122, 2313. Link zur Quelle
- AMB 2007, 41,92 Link zur Quelle . AMB 2011, 45, 95. Link zur Quelle