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Endlich ein Warnhinweis in der Packungsbeilage von Iberogast®

Iberogast® (Kürzel: STW5) ist ein phytotherapeutisches Kombinationspräparat mit Extrakten aus neun Pflanzen: Schöllkraut, Süßholzwurzel, Pfefferminzblätter, Melissenblätter, Mariendistelfrüchte, Kümmelfrüchte, Kamillenblüten, Angelikawurzel, Bittere Schleifenblume. Es soll Erwachsenen, aber auch Kindern schon ab 3 Jahren bei Magenbeschwerden und Reizdarm helfen und wird vom Hersteller als pflanzliches und damit schonendes Arzneimittel in unterschiedlichen Medien stark beworben. Offensichtlich mit Erfolg: Die Umsätze steigen seit Jahren; im Jahr 2017 betrugen die ärztlichen Verordnungen des nicht rezeptpflichtigen Präparats 1,5 Mio. DDD (Kosten pro DDD 1,22 €; vgl. 1). Es gibt nach Herstellerangaben Studien, die für Iberogast® bei den genannten Indikationen eine Besserung der Symptome im Vergleich zu Plazebo nachweisen (2) sowie eine „empirisch“ nachgewiesene Wirksamkeit. Diesem fraglichen und anhand der Literatur kaum nachvollziehbaren „Nutzen“ steht jedoch ein bedeutsames Risiko gegenüber: Schöllkraut hat ein seit langem bekanntes, nicht unerhebliches Nebenwirkungspotenzial. Es kann durch einige seiner mehr als 20 Alkaloide Leberschäden verursachen und ist möglicherweise schädlich in Schwangerschaft und Stillzeit.

Phytotherapeutika mit einem hohen Anteil an Schöllkrautextrakten (> 2,5 mg Gesamtalkaloide/d berechnet als Cheloidin) mussten in Deutschland deshalb bereits 2008 nach einem Verfahren des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgrund einer negativen Risiko-Nutzen-Bewertung vom Markt genommen werden (3, 4). Für Präparate mit geringerem Anteil (2,5 μg bis 2,5 mg Gesamtalkaloide/d) wurden Warnhinweise in der Packungsbeilage verfügt. Der Hersteller von Iberogast® (früher Steigerwald, später von Bayer gekauft) weigerte sich aber und konnte durch einen jahrelangen Rechtsstreit mit dem BfArM, der die damals vorliegenden 50 Fallberichte zum Inhalt hatte, zunächst Zeit gewinnen. Nachdem aber bereits zwei Patienten, die Iberogast® eingenommen haben, an einem Leberversagen gestorben sind, erklärte sich Bayer Anfang September 2018 unerwartet bereit, die Packungsbeilage durch den Warnhinweis zu ergänzen (5). Dieser beinhaltet: 1. die Warnung vor seltenen, aber schweren Leberschäden durch Iberogast®; 2. Kontraindikationen wie bestehende oder vergangene Lebererkrankungen, gleichzeitige Einnahme leberschädigender Arzneimittel sowie Schwangerschaft und Stillzeit; 3. den Hinweis, dass bei Zeichen einer Leberschädigung (z.B. Oberbauchschmerzen, Ikterus, dunkler Urin, heller Stuhl) die Einnahme sofort beendet und ein Arzt aufgesucht werden muss. Das späte Einlenken von Bayer führte in Medien und auf politischer Ebene zu Diskussionen über die (mangelnde) ethische Verantwortung der pharmazeutischen Unternehmer und das (mangelnde) Durchgriffsrecht des BfArM. In der Schweiz beispielsweise darf die zuständige Behörde Swissmedic bereits während laufender Verfahren („vorläufiger Rechtsschutz“) die Ergänzung von Warnhinweisen verfügen, was für Iberogast® Anfang des Jahres auch geschah (6).

Eine weitere Mixtur enthält ebenfalls Schöllkraut: Ukrain®. Es wird ohne Wirksamkeitsnachweis von einer Wiener Firma als Krebsmittel vertrieben, ist in der EU aber nicht zugelassen. Wir haben vor längerer Zeit mehrfach sehr kritisch darüber berichtet (7). Wegen des Vorwurfs des schweren gewerbsmäßigen Betrugs läuft in Österreich seit 2015 eine Klage gegen den Hersteller aus der Ukraine.

Fazit: Wegen seltenen, aber schweren, vereinzelt auch letal verlaufenen Fällen von Leberversagen muss der Hersteller des Schöllkraut-haltigen Phytotherapeutikums Iberogast® (Bayer) nach langem Widerstand einen entsprechenden Warnhinweis in die Packungsbeilage aufnehmen. Wegen einer ungünstigen Risiko-Nutzen-Relation raten wir von der Einnahme von Iberogast® ab.

Literatur

  1. Mössner, J. in: Schwabe, U., Paffrath, D., Ludwig, W.-D., Klauber, J. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018. Springer-Verlag GmbH 2018. S. 598.

  2. https://www.iberogast.de/wissen/ Link zur Quelle

  3. https://www.bfarm.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/ Risikoinformationen/RisikoBewVerf/s-z/ schoellkraut-anhoerung_050506.pdf?__blob=publicationFile&v=4 Link zur Quelle

  4. https://www.bfarm.de/SharedDocs/ Downloads/DE/Arzneimittel/Pharmakovigilanz/ Risikoinformationen/RisikoBewVerf/ s-z/schoellkraut_bescheid_080409.pdf?__blob=publicationFile&v=4 Link zur Quelle

  5. https://www.bfarm.de/SharedDocs/ Risikoinformationen/Pharmakovigilanz/ DE/RV_STP/s-z/schoellkraut.html Link zur Quelle

  6. https://www.swissmedic.ch/… Link zur Quelle

  7. AMB 2002, 36, 39a Link zur Quelle . AMB 2001, 35, 87a Link zur Quelle . AMB 2001, 35, 64 Link zur Quelle . AMB 1999, 33, 63. Link zur Quelle