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Evaluation einer Herpes-zoster-Impfkampagne drei Jahre nach Implementierung in England – eine populationsbasierte Studie

Beim Herpes zoster handelt sich um eine Reaktivierung einer latenten Varizellen-Infektion (Windpocken). Das Virus breitet sich entlang segmental innervierter Hautareale (Dermatome) aus, z.B. am Bauch (Gürtelrose). Dabei entstehen Bläschen, die diagnostisch wegweisend sind. Gefürchtet ist die oft lang dauernde, schmerzhafte und schwierig zu behandelnde postherpetische Neuralgie. Die Inzidenz des Herpes zoster steigt mit zunehmendem Alter und betrug beispielsweise in Großbritannien 7,1/1.000 Personenjahre in der Altersgruppe 75-79 Jahre im Zeitraum 2001-2006 (1). Ähnlich nimmt auch die Inzidenz der postherpetischen Neuralgie zu (2-4). Eine antivirale Therapie kann zwar die Dauer der akuten Hautveränderungen verkürzen, senkt aber offensichtlich nicht die Häufigkeit der postherpetischen Neuralgie (5-6). Seit 2006 ist ein abgeschwächter Lebendimpfstoff (Zostavax®) für immunkompetente Patienten zugelassen. Dieser Impfstoff ist in niedrigerer Dosis für die Varizellen-Impfung bei Kindern zugelassen (7). Inzwischen ist auch ein Totimpfstoff auf dem Markt, der in den USA bereits zugelassen ist (8). Zulassungsstudien haben gezeigt, dass sich durch beide Impfstoffe bei Patienten ≥ 70 Jahre sowohl die Inzidenz des Herpes zoster als auch noch stärker die Inzidenz des postherpetischen Schmerzsyndroms senken lässt (9). Im Jahr 2010 hat die Impfkommission in England die routinemäßige Impfung von Personen im Alter von 70 Jahren empfohlen (10-11).

Im Jahr 2013 wurde in England ein Herpes-zoster-Impfprogramm für Personen im Alter von 70 Jahren begonnen mit einem nach Phasen unterteilten Nachholprogramm (Catch up) für Menschen von 71-79 Jahren. Ergebnisse dieses Programms wurden jetzt in Form einer statistisch komplizierten, populationsbasierten Nachbeobachtung publiziert (12). Deren Ziel war es, die Wirksamkeit des Impfprogramms auf die Inzidenz von Herpes zoster und die postherpetische Neuralgie in dieser Population zu analysieren.

Für diese Studie wurden Daten aus einem Register von Hausärzten (164 Praxen) herangezogen. Dieses Netzwerk von Praxen erstreckt sich über das ganze Land, deckt ca. 1% der Gesamtbevölkerung ab und gilt als repräsentativ. Zur Evaluierung wurden alle Herpes-zoster-Impfungen sowie Diagnosen von Herpes zoster und postherpetischer Neuralgie bei Patienten zwischen 60 und 89 Jahren erfasst, die zwischen dem 1.10.2005 und dem 30.9.2016 diagnostiziert wurden. Diese Kohorte wuchs bis 2015 auf 335.402 Personen an und machte insgesamt 3,36 Mio. Patientendaten-Jahre aus. Die Patienten wurden unterteilt hinsichtlich des Jahres der durchgeführten Impfung (ab 2013), des Alters, der Region und des Geschlechts. Der Unterteilung in Altersgruppen lagen Kosteneffektivitäts-Analysen zugrunde, die die altersspezifische Inzidenz des Herpes zoster und der postherpetischen Neuralgie, die Abnahme der Impfeffektivität mit dem Alter und die geschätzte Dauer des Impfschutzes berücksichtigten. Drei Nachverfolgungs-Kohorten wurden untersucht: eine 1., die 2013, eine 2., die 2015 und eine 3., die 2016 geimpft wurde. Außerdem wurden vier „Catch-up“-Gruppen (s.o.) analysiert: 76 Jahre alt und geimpft 2015; 77 Jahre alt und geimpft 2014; 78 Jahre alt und geimpft 2014; 79 Jahre alt und geimpft 2013. Bei der seit 2013 begonnenen routinemäßigen Impfkampagne fiel die Impfrate von anfangs 72% auf 58% im Jahr 2016.

In den ersten drei Jahren nach Beginn der Impfkampagne sank die Inzidenz von Herpes zoster in den drei Nachverfolgungs-Kohorten insgesamt um 35% (Incidence Rate Ratio = IRR: 0,65; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,60-0,72) und die Inzidenz der postherpetischen Neuralgie um 50% (IRR: 0,50; CI: 0,38-0,67). In den “Catch-up”-Gruppen waren die Ergebnisse ähnlich: Senkung um 33% für Herpes zoster (IRR: 0,67; CI: 0,61-0,74) und um 38% für postherpetische Neuralgie (IRR: 0,62; CI: 0,50-0,79). Diese Reduktionen entsprechen Impfeffektivitäten bei Herpes zoster von ca. 62% und bei postherpetischer Neuralgie 70-88%.

Dies ist die erste Studie, die einen Effekt der Herpes-zoster-Impfung auf Populationsebene zeigt. Die Übertragung der Ergebnisse auf die Bevölkerung in England bedeutet nach Berechnungen der Autoren: ca. 17.000 weniger Herpes-zoster-Erkrankungen und 3.300 weniger postherpetische Neuralgie bei den 5,5 Mio. Einwohnern in den ersten drei Jahren des Impfprogramms. Wegen der abnehmenden Impfraten mahnen die Autoren eine aktivere Kommunikation des bestehenden Impfprogramms an.

In einem Kommentar zu dieser Publikation (13) wird auf einen neuen, verbesserten Impfstoff hingewiesen (Shingrix®; GlaxoSmithKline, Brentford, UK). Er verhindert offenbar noch effektiver Herpes-zoster-Infektionen und postherpetische Neuralgien. In den USA hat dies schon zu entsprechenden Änderungen in den Impfempfehlungen geführt (14). In Deutschland hingegen hat die STIKO hierzu bisher keine Empfehlung abgegeben (15).

Fazit: Die Impfung gegen Herpes zoster ist auf Populationsebene effektiv. Sie sollte bei der gegenwärtigen Zunahme der über 70-Jährigen auch in Deutschland empfohlen werden.

Literatur

  1. Gauthier, A., et al.: Epidemiol. Infect. 2009, 137, 38. Link zur Quelle
  2. Pinchinat, S., et al.: BMC Infect. Dis. 2013, 13, 170. Link zur Quelle
  3. Kawai, K., et al.: BMJ Open 2014, 4, e004833. Link zur Quelle
  4. Kawai, K., et al.: Int. J. Infect. Dis. 2015, 34, 126. Link zur Quelle
  5. Whitley, R.J., et al.: J. Clin. Virol. 2010, 48 Suppl. 1, S20. Link zur Quelle
  6. Chen, N., et al.: Cochrane Database Syst. Rev. 2014, 2, CD006866. Link zur Quelle
  7. https://www.pei.de/DE/arzneimittel/ impfstoff-impfstoffe-fuer-den-menschen/ varizellen-windpocken/ varizellen-windpocken-node.html Link zur Quelle
  8. AMB 2016, 50, 85. Link zur Quelle
  9. AMB 2015, 49, 37a Link zur Quelle . AMB 2005, 39, 51a Link zur Quelle . AMB 2016, 50, 85. Link zur Quelle
  10. Joint Committee on Vaccination and Immunisation. Statement on varicella and herpes zoster vaccines. March 29, 2010. Link zur Quelle
  11. van Hoek, A.J., et al.: Vaccine 2009, 27, 1454. Link zur Quelle
  12. Amirthalingam, G., et al.: Lancet Public Health 2017, December 21. Link zur Quelle
  13. Ogunjimi, B., und Beutels, P.: Lancet Public Health 2017, December 21. Link zur Quelle
  14. CDC. Shingles (Herpes zoster) vaccination information for healthcare providers. Link zur Quelle
  15. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/Herpes_zoster/FAQ-Liste.html Link zur Quelle