Artikel herunterladen

Inseltransplantation versus weitere Insulintherapie bei Typ-1-Diabetikern mit gefährlichen Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen

Die allogene Transplantation pankreatischer Inseln (TPI) in die Portalvene, die sich dann in der Leber ansiedeln, ist eine selten durchgeführte Behandlung bei Patienten mit Typ-1-Diabetes (DM 1), die trotz individuell optimaler Therapie mit Insulin immer wieder Hypoglykämien erleiden. Manche Patienten mit langer DM 1-Dauer nehmen diese bedrohlichen Hypoglykämien nicht mehr wahr. Dadurch wird oft fremde Hilfe notwendig, oder es treten schwere Komplikationen auf.

Probleme bei TPI sind Mangel an Donor-Organen und die Notwendigkeit einer dauerhaften Immunsuppression mit entsprechenden Nebenwirkungen. Die TPI wird deshalb auch nach Nierentransplantation wegen diabetischer Nephropathie durchgeführt, weil diese Patienten ohnehin eine Immunsuppression erhalten. Manche dieser Patienten erhalten statt TPI simultan mit dem Nierentransplantat eine Pankreastransplantation. Bei zuvor sehr schlecht einzustellendem DM 1 und Zustand nach Nierentransplantation kann eine TPI die Prognose des Nierentransplantats verbessern (1). In Frankreich wurden Forscher von 15 Universitätskliniken, die TPI durchführen (TRIMECO trial investigators) von der französischen Gesundheitsbehörde aufgefordert (und finanziell unterstützt), eine randomisierte kontrollierte Studie zur TPI versus fortgesetzte intensivierte Insulintherapie (IIT) bei Patienten mit den o.g. Indikationen durchzuführen. Aufgrund des Ergebnisses sollte entschieden werden, ob TPI in Zukunft von den Krankenkassen bezahlt wird. Diese Studie wurde kürzlich unter Federführung von S. Lablanche (1) publiziert. Zwischen Juli 2010 und Juli 2013 wurden 50 Patienten randomisiert (26 für TPI = Gruppe 1 und 24 für IIT = Gruppe 2). Die Patienten der Gruppe 1 sollten so bald wie möglich die Transplantation erhalten, und in Gruppe 2 wurden erneut alle Anstrengungen unternommen, die Einstellung des Blutzuckers durch Schulung, Umstellung auf Insulin-Pumpe, kontinuierliches Glukose-Monitoring etc. zu verbessern. In Gruppe 1 war es das Ziel, mittels einer oder maximal dreier TPI (minimalinvasiv in die Portalvene) ca. 11.000 Inseln/kg Körpergewicht zuzuführen. Die Inseln siedeln sich in den kleinen intrahepatischen Portalvenen an und geben – physiologisch reguliert und Blutzucker-abhängig – Insulin und Glukagon in das Blut ab. Nach 6 Monaten erfolgte eine Evaluierung beider Gruppen, und anschließend konnten auch die Patienten der Gruppe 2 eine TPI erhalten.

Primärer Endpunkt für Gruppe 1 war ein „modified beta-score“ (MBS), der die Funktion der Betazellen der Inseln aufgrund von Nüchternblutzucker, HbA1c, basalem oder stimuliertem Plasma-C-Peptid und ggf. weiterer Notwendigkeit der Therapie mit Insulin oder oralen Antidiabetika (OAD) quantifiziert. Ein Score von 0 bedeutet keine Inselfunktion, > 6 = TPI-Erfolg, 8 = optimale Funktion. Für die Beurteilung der Gruppe 2 wurde ein anderer Score angewendet. Bei allen Patienten wurde vor und nach 6 Monaten ein nicht stimulierbares C-Peptid gemessen. Es gab verschiedene prädefinierte sekundäre Endpunkte, von denen einer eine Kosten-Nutzen-Analyse betraf.

Ergebnisse: In Gruppe 1 erhielten de facto 25 Patienten eine TPI, von denen 16 (64%) nach 6 Monaten einen MBS von > 6 hatten. Bei den restlichen Patienten war der MBS 3-5. In Gruppe 2 hatte sich nur bei einigen die Stoffwechselsituation leicht gebessert. Das HbA1c in Gruppe 1 war 6 Monate nach TPI im Median von 8,1% vor TPI auf 5,6% gesunken. Der Insulinbedarf war im Median von ca. 0,55 E/kg Körpergewicht auf ca. 0,05 E/kg abgefallen, und die meisten Patienten benötigten kein Insulin mehr. Schwere Hypoglykämien wurden deutlich reduziert. In Gruppe 2 waren HbA1c und Insulinbedarf vor und nach Intervention unverändert. Bei Patienten der Gruppe 1 ohne Nierentransplantat war die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) 12 Monate nach TPI von basal im Median 90,5 auf 71,8 ml/min abgefallen. Bei den 5 Patienten der Gruppe 1 mit Nierentransplantat fiel die GFR von 63 auf 57 ml/min ab (zum Teil als Nebenwirkung der Immunsuppressiva).

Insgesamt erhielten bis zur Auswertung der Ergebnisse im Jahr 2017 von den ursprünglich randomisierten Patienten 48 eine TPI. Als wichtigste Komplikation – neben den Nebenwirkungen der Immunsuppression – erlitten 7 Patienten infolge der TPI-Prozedur eine als „serious adverse event“ eingestufte Blutung. Die Gesamtkosten in der Gruppe 1 beliefen sich bis zum 6. Monat im Median auf 52.240 €, in Gruppe 2 auf 184 €. Mehr als die Hälfte der TPI-Kosten entfielen auf die Gewinnung der Pankreas-Inseln.

Im Jahr 2016 war bereits eine Phase-III-Studie zur TPI aus 8 Zentren in Nordamerika erschienen (3). Die Zentren (das Clinical Islet Transplantation Consortium = CITC) rekrutierten ab 2008 insgesamt 48 Patienten mit den gleichen Indikationen wie in der Studie von Lablanche et al. (2). In Abstimmung mit der Food and Drug Administration (FDA) ging es offenbar um eine Lizenzierungsstudie für ein standardisiertes Präparationsverfahren pankreatischer Inseln. Die Inselpräparate wurden nach identischem Verfahren in jedem Zentrum hergestellt. Primärer Endpunkt waren ein HbA1c-Wert < 7% ein Jahr nach TPI plus Freiheit von schweren Hypoglykämien zwischen dem 28. und dem 365. Tag nach TPI. Dieser Endpunkt wurde bei 87,5% der Patienten nach einem Jahr und von 71% nach 2 Jahren mit medianen HbA1c-Werten von 5,6% zu beiden Zeitpunkten erreicht. Komplikationen waren ähnlich wie in der französischen Studie.

Zusammen mit der Studie von Lablanche et al. (2) erschien ein Editorial von Autoren aus Edinburgh/UK und aus Edmonton/Kanada (4). Die Autoren weisen darauf hin, dass eine TPI bei Patienten mit schweren Hypoglykämien und Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen erst indiziert sei, wenn alle Möglichkeiten einer Sensoren-unterstützten Insulinpumpen-Therapie (SUP) erschöpft sind. Es sei aber notwendig, die TPI in das gestufte Vorgehen für anders nicht zufriedenstellend behandelbare Patienten zu integrieren. Einer der Ko-Autoren dieses Editorial (A.M. Shapiro) hat zusammen mit Kollegen des dortigen TPI-Zentrums die „cost-effectiveness“ von TPI unter dem Aspekt des Gewinns von „quality-adjusted life years“ (Qalys) untersucht (5). Für einige, streng selektierte Patienten bringe die Methode eine erhebliche Verbesserung der Prognose. Im Vergleich mit Insulinpumpentherapie oder SUP sei sie aber bei sehr hohen Kosten nicht kosteneffizient.

Fazit: Bei Typ-1-Diabetikern ist die Transplantation pankreatischer Inseln (TPI) in die Portalvene kein Konkurrenzverfahren gegenüber einer wie auch immer intensivierten Insulintherapie mit Glukose-Monitoring. Sie ist vorbehalten für Patienten mit trotz optimaler Insulintherapie nicht vermeidbaren schweren Hypoglykämien mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen. Da es sich um eine allogene Transplantation handelt, ist immer eine Immunsuppression erforderlich, die oft zur Funktionsverschlechterung der Nieren führt, auch bei Patienten mit Zustand nach Nierentransplantation infolge terminaler diabetischer Nephropathie. Die TPI ist mit hohen Kosten verbunden.

Literatur

  1. Fiorina, P., et al.: J. Am. Soc. Nephrol. 2003, 14, 2150. Link zur Quelle
  2. Lablanche, S. et al. (TRIMECO = Trial comparing metabolic efficiency of islet graft to intensive insulin therapy for type 1 diabetes’s treatment): Lancet Diabetes Endocrinol. 2018, May 15, pii: S2213-8587(18)30078-0. Link zur Quelle
  3. Hering, B.J., et al.: Diabetes Care 2017, 40, e111. Link zur Quelle
  4. Forbes, S., et al.: Lancet Diabetes Endocrinol. 2018, May 15, pii: S2213-8587(18)30107-4. Link zur Quelle
  5. Wallner, K., et al.: BMC Endocr. Disord. 2016, 16, 17. Link zur Quelle