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Leserbrief: Selen bei Endokriner Orbitopathie

Frage von Dr. H.B. aus M.: >> Ich stolpere in einem Artikel auf Deximed darüber, dass Selen eine Therapieoption bei Endokriner Orbitopathie darstelle. Die Daten sind von 2012. Bei einer weiteren Suche stoße ich auf keine aktuelleren Daten. Können Sie mir etwas Neues zum Stand des Wissens berichten? <<

Antwort: >> Freie Radikale und Zytokine spielen eine Rolle in der Pathogenese der Endokrinen Orbitopathie (EO; Graves’ orbitopathy). Selen ist ein lebensnotwendiges Spurenelement (vgl. 1). Selenoproteine sind u.a. Teil des antioxidativen Systems beim Menschen und im Tierreich.

Marcocci et al. (2) untersuchten in einer multinationalen europäischen randomisierten kontrollierten Studie den Effekt von zweimal täglich 100 µg Na-Selenit für 6 Monate auf den Verlauf milder klinischer Formen von EO. Nach 6 und auch nach 12 Monaten waren der ophthalmologische Befund und der Lebensqualitäts-Index (QoL) in der Verum-Gruppe signifikant besser als unter Plazebo. In dieser sorgfältig durchgeführten Studie wurden keine unerwünschten Effekte von Na-Selenit registriert. Das in derselben Studie geprüfte Pentoxifyllin, ein u.a. antientzündlicher Wirkstoff, hatte keinen Effekt auf den Verlauf der EO.

Eine europäische Leitlinie für die Therapie der EO aus dem Jahr 2016 (3) enthält folgende Empfehlung (übersetzt): „Wir empfehlen die Supplementierung von Selen für 6 Monate zur Behandlung milder Manifestationen von EO bald nach Beginn der Symptome, weil diese Therapie die Augensymptome sowie die Lebensqualität verbessern und das Fortschreiten zu schwereren Formen der EO verhindern kann“. Dagegen wird eine Behandlung mit Selen von chronischen Folgen einer nicht mehr aktiven EO nicht empfohlen. Zum Effekt einer Begleittherapie mit Selen bei Beginn mittelschwerer oder schwerer akuter Symptome einer EO, die in der Regel eine anfangs hoch dosierte Therapie mit Prednisolon oder Methylprednisolon erforderlich machen, gibt es keine gesicherten Aussagen. <<

Literatur

  1. AMB 2013, 47, 27. Link zur Quelle
  2. Marcocci, C., et al. (EUGOGO = EUropean Group On Graves’ Orbitopathy): N. Engl. J. Med. 2011, 364, 1920. Link zur Quelle
  3. Bartalena, L., et al. (EUGOGO = EUropean Group On Graves’ Orbitopathy): Eur. Thyroid J. 2016, 5, 9. Link zur Quelle