Methotrexat (MTX) ist ein Antagonist der Folsäure und wirkt immunsuppressiv, zytostatisch und antiinflammatorisch. Unterschieden werden muss zwischen dem Einsatz von MTX in hoher Dosierung als Zytostatikum zur Behandlung verschiedener hämatologischer Neoplasien und solider Tumore und der Verwendung in niedriger Dosierung als Immunsuppressivum zur Therapie von verschiedenen rheumatischen und dermatologischen Autoimmunerkrankungen (vgl. 1). In den letztgenannten Indikationen wird Methotrexat typischerweise einmal pro Woche gegeben (7,5-25 mg p.o., s.c., i.m.). Auf Grund des ungewöhnlichen Applikationsintervalls kommt es jedoch immer wieder vor, dass Patienten die einmal wöchentlich einzunehmende Methotrexat-Dosis versehentlich täglich erhalten. Das kann insbesondere durch Myelosuppression mit Leuko- bzw. Thrombozytopenie und Mukositis mit Ulzerationen der Mundschleimhaut und des Gastrointestinaltrakts – Auftreten jeweils nach 7-14 Tagen – zu schweren Schäden mit teilweise tödlichem Ausgang führen. Fehler können auftreten während des gesamten Medikationsprozesses in Krankenhäusern, Arztpraxen, Apotheken und bei dem Patienten zu Hause (2, 3). In der Literatur finden sich zahlreiche Fallberichte (3-5): So missverstand ein Patient die Dosierungsanordnung und nahm Methotrexat jeden Morgen ein statt, wie angeordnet, jeden Montag. Bei einem anderen Patienten wurde eine Medikationsliste aus einem alten Arztbrief übernommen, in der es hieß: „MTX 10 mg 1-0-0 freitags Pause“. Das Pflegepersonal interpretierte die missverständliche Anordnung so, dass der Patient täglich MTX erhalten solle bis auf Freitag.
Das Problem ist seit vielen Jahren bekannt. In den meisten europäischen Ländern gibt es bereits Maßnahmen, die das Risiko einer Überdosierung minimieren sollen, beispielsweise durch spezifische Empfehlungen für die Einnahme von MTX im ambulanten und stationären Bereich (3) oder Warnhinweise auf der Umverpackung und in der Packungsbeilage (6). Ein aktuell durchgeführter periodischer Sicherheitsbericht der europäischen Arzneimittel-Agentur (European Medicines Agency = EMA) ergab jedoch, dass schwerwiegende Nebenwirkungen, einschließlich Todesfälle, im Zusammenhang mit einer Überdosierung von Methotrexat immer noch auftreten (7). Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz der EMA wird nun die vorhandenen Daten analysieren und nach weiteren Maßnahmen suchen, um das Risiko von Dosierungsfehlern zu minimieren. Dabei soll auch die Arbeit von Institutionen berücksichtigt werden (z.B. Stiftung für Patientensicherheit in der Schweiz; Aktionsbündnis Patientensicherheit in Deutschland), die sich vorrangig mit Fragen der Patientensicherheit (z.B. in der Arzneimitteltherapie) beschäftigen.
So haben zunächst die Stiftung für Patientensicherheit (3) und etwas später auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit (5) in Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen (u.a. der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft) Handlungsempfehlungen herausgegeben zur Vermeidung von oralen Überdosierungen und generell zum Einsatz von Methotrexat (4). Empfohlen wird dort beispielsweise, MTX auf der Station nicht vorrätig zu halten, und an der Schnittstelle stationär/ambulant für eine korrekte Übermittlung (z.B. an den Hausarzt) zu sorgen bezüglich der vorliegenden Indikation für die niedrig dosierte Therapie mit MTX, die aktuelle Dosis und das Dosierungsintervall. Bei einer Neueinstellung muss zusammen mit dem Patienten der Wochentag festgelegt werden, an dem die einmal wöchentliche Einnahme erfolgt. Dieser Wochentag sollte auch auf der Verordnung vermerkt und vom Apotheker auf der Verpackung dokumentiert werden. Der Patient muss durch regelmäßige klinische Untersuchungen und Laborkontrollen, insbesondere des Blutbilds, überwacht werden.
Fazit: Nach wie vor kommt es zu Methotrexat-Überdosierungen durch versehentliche tägliche Einnahme der einmal wöchentlichen Dosis mit teilweise lebensbedrohlichen Nebenwirkungen. Die EMA hat ein Risikobewertungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, weitere Maßnahmen zur Vermeidung dieses Dosierungsfehlers zu entwickeln. Ein klarer Hinweis auf das ungewöhnliche Applikationsintervall an alle Beteiligten scheint von zentraler Bedeutung zu sein.
Literatur
- AMB 2013, 47, 53. Link zur Quelle
- Cairns, R., et al.: Med. J. Aust. 2016, 204, 384. Link zur Quelle
- Quick-Alert Nr. 28 der Stiftung für Patientensicherheit: Link zur Quelle
- Blinova, E., et al.: JCPH 2008, 61, No. 4. Link zur Quelle
- http://www.aps-ev.de/… Link zur Quelle
- Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Drug Safety Mail 2012-210. Link zur Quelle
- http://www.ema.europa.eu/… Link zur Quelle