Zusammenfassung: Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Ursache für Erblindung der älteren Bevölkerung in Industrieländern. Die neovaskuläre oder „feuchte“ Spätform der Erkrankung führt unbehandelt zu einem irreversiblen Verlust des zentralen Sehens. Seit dem Jahr 2004 steht mit mehreren Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)-Inhibitoren eine wirksame und sichere Therapie zur Verfügung. In Deutschland zugelassen und verfügbar sind derzeit Ranibizumab, Aflibercept und Brolucizumab. Ferner wird Bevacizumab „off-label“ eingesetzt. Die Therapie erfolgt nach unterschiedlichen zeitlichen und an klinischen Befunden orientierten Schemata mittels wiederholter Injektionen in den Glaskörper. Die Wirksamkeit der genannten Wirkstoffe ist in mehreren randomisierten kontrollierten Studien nachgewiesen.
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist die häufigste Erblindungsursache älterer Menschen in entwickelten Ländern (1). Bei geschätzten 3,5 Mio. Betroffenen in Deutschland und über 190 Mio. Betroffenen weltweit im Jahr 2020, sowie der erwarteten Zunahme aufgrund der Korrelation mit dem Alter, hat die Erkrankung neben der teils deutlichen Beeinträchtigung im Alltag auch enorme sozioökonomische Auswirkungen (2, 3). Die pathologischen Vorgänge bei der AMD spielen sich hauptsächlich im Bereich des gelben Flecks („Macula lutea“) ab, der für das zentrale Sehen verantwortlich ist. Das Sehen in der Peripherie der Retina bleibt typischerweise auch bei fortgeschrittenen Stadien erhalten. Dennoch sind in späten Stadien der AMD zahlreiche alltagsrelevante Fähigkeiten, wie etwa das gezielte Greifen nach Gegenständen, das Erkennen von Gesichtern und das Lesen stark eingeschränkt. Die zentrale Sehkraft lässt sich anhand der „bestkorrigierten Sehschärfe“ (Visus) ermitteln; dabei müssen mit bestmöglicher Brillenkorrektur international normierte Zeichen (z.B. Buchstaben) in verschiedenen Größen bei einer fest definierten Entfernung erkannt werden. Eine Verbesserung oder Verschlechterung der Sehkraft wird mittels dieser Prüfung als Gewinn oder Verlust von Buchstaben oder Zeilen quantifiziert. Ein allgemein anerkannter Studienendpunkt bei AMD-Therapeutika ist beispielsweise der Anteil an Studienteilnehmern mit 15 Buchstaben Gewinn (4).
Die Diagnose einer AMD wird anhand anatomischer Kriterien zunächst durch die Spiegelung des Augenhintergrunds (Funduskopie) gestellt. Zu den charakteristischen Veränderungen früher Stadien der AMD gehören so genannte Drusen, gelbliche Ablagerungen extrazellulären Materials zwischen äußerer Netzhaut und Gefäßhaut, genauer zwischen Bruchscher Membran und retinalem Pigmentepithel, sowie Ablagerungen von Pigment innerhalb oder unterhalb der Netzhaut (5).
Anhand ihrer Charakteristika werden in späten Stadien der AMD zwei verschiedene Formen unterschieden: 1. Die neovaskuläre Spätform (nvAMD; zwei Drittel der AMD-Spätformen; 6) geht mit Akkumulation von Flüssigkeit in oder unter der Netzhaut als Folge chorioidaler Neovaskularisationen (CNV) einher. Diese pathologisch gebildeten Gefäße sind sehr permeabel und können dadurch zu einer typischen Schwellung im Bereich des gelben Flecks (Makulaödem) oder Abhebungen des retinalen Pigmentepithels führen. Deshalb wird die neovaskuläre AMD auch als „feuchte“ Form der Erkrankung bezeichnet. 2. Die nicht-neovaskuläre Spätform der AMD oder geographische Atrophie findet sich bei einem Drittel der Spätformen (6) und ist durch einen progredienten Verlust der äußeren Netzhautschichten in der Makula gekennzeichnet. Zusammengenommen beträgt die Prävalenz der Spätformen 6-8% bei den Patienten mit AMD (3).
In der Augenheilkunde stehen hoch auflösende optische Methoden zur sehr genauen Charakterisierung der Netzhautbefunde zur Verfügung. Hierzu gehört die Fluoreszein-Angiographie, mit der pathologische CNV-Membranen bei der nvAMD mithilfe eines konfokalen Lasergeräts als hyperfluoreszente Areale nach i.v. Injektion des Farbstoffs Fluoreszein dargestellt werden können. Anhand des Verteilungsmusters werden die CNV im klinischen Kontext nach ursprünglicher Definition in eine überwiegend klassische, eine minimal klassische und eine okkulte Form eingeteilt (7). Neben der Angiographie gehört das Schichtbildverfahren, die optische Kohärenztomographie (OCT) heute zu den diagnostischen Standardmethoden. Durch diese lassen sich nicht invasiv die anatomischen Besonderheiten der Netzhaut detailgetreu beurteilen und anhand morphologischer Parameter, wie der zentralen Netzhautdicke, auch quantitativ bemessen (8).
Die ersten nvAMD-Therapien: Bei unbehandelter nvAMD sind Spätkomplikationen zu befürchten, wie Blutungen und irreversible Fibrosierungen. Über lange Zeit gab es keine Behandlung, die diese Komplikationen und die hieraus resultierende Erblindung zuverlässig reduzieren konnte (5). Im Jahr 1982 wurde in der „Macular Photocoagulation Study“ erstmals der Nutzen der Photokoagulation bei einer bestimmten Form der nvAMD gezeigt. Dies betraf jedoch nur den kleinen Anteil der Patienten, die eine CNV außerhalb der Sehgrube hatten. Mehr als ein Jahrzehnt später wurde in den „Treatment of AMD with Photodynamic Therapy“-Studien eine Methode für ein breiteres Patientenkollektiv geschaffen. Diese Therapie beruht auf der zytotoxischen Wirkung freier Radikale auf die subretinalen Strukturen nach i.v. Injektion von Verteporfin (Visudyne®, Novartis AG; Cheplapharm) und folgender Laserlichtbestrahlung (9). Nach 24 Monaten hatten 69% der unbehandelten Augen, dagegen nur 41% der mittels photodynamischer Therapie (PDT) behandelten Augen einen Sehverlust von ≥ 15 Buchstaben erlitten (10).
Ein therapeutischer Durchbruch bei nvAMD waren die Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)-Inhibitoren Ranibizumab und Bevacizumab. In einer der ersten größeren Studien mit Bevacizumab bei nvAMD (ABC-Studie) gewannen 32% der Teilnehmer im Therapiearm mindestens 15 Buchstaben hinzu, während dies nur bei 3% der Teilnehmer aus dem Kontrollarm zutraf. Bereits kurz nach der Zulassung von Bevacizumab für die Behandlung von Patienten mit Kolonkarzinom wurde der Wirkstoff off-label aber schon von Ophthalmologen bei neovaskulärer AMD eingesetzt – zunächst systemisch in Form intravenöser und bereits kurz danach mittels intravitrealer Injektionen, die sich dann etablierten, weil systemische Wirkungen seltener waren (11, vgl. 31). Ende 2004 wurde der erste antiangiogenetische Wirkstoff zur Behandlung der nvAMD zugelassen, Pegaptanib (12). Die Zulassung von Ranibizumab erfolgte im Jahr 2006 (13, 14).
Ältere Therapieverfahren haben seit der Einführung der VEGF-Hemmer deutlich an Bedeutung verloren. Die PDT wird derzeit nur noch zur Behandlung einer Sonderform der nvAMD als relevant eingestuft, der polypoidalen choroidalen Vaskulopathie, die hauptsächlich in asiatischen Ländern vorkommt. Die thermische Laserkoagulation gilt inzwischen als obsolet (8).
Der VEGF als molekulare Zielstruktur: Der VEGF umfasst verschiedene Proteine, unter anderem VEGF-A, VEGF-B, VEGF-C, VEGF-D und den Placental Growth Factor (PlGF; 15). VEGF-A ist einer der Hauptfaktoren, der das Gefäßwachstum beim Menschen induziert; das wurde schon im Jahr 1948 spekuliert (9). VEGF-A begünstigt das Wachstum von Endothel in verschiedenen Gefäßen des Körpers (5). Chemisch gesehen ist VEGF-A ein homodimerisches Glykoprotein mit einem Gewicht von 36-46 kDa. Seine Wirkung entfaltet es über die Tyrosinkinase-Rezeptoren VEGFR1 (Begünstigung von Inflammation) und VEGFR2 (Induktion von Angiogenese; 15, 16). Durch alternatives „Splicing“ entstehen in den Zellen verschiedene Isoformen von VEGF-A, von denen VEGFA-165 die häufigste und relevanteste Form ist. Neben VEGF-A sind auch die Faktoren VEGF-B und PlGF in angiogenetische Prozesse eingebunden (15).
Therapeutika bei nvAMD: Die derzeit zugelassenen Behandlungsmöglichkeiten der AMD beziehen sich allein auf die neovaskulären Spätformen. Die aktuellen therapeutischen Empfehlungen zur nvAMD der augenärztlichen Fachgesellschaften Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG), Retinologische Gesellschaft (RG) und Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA) von Februar 2020 benennen die VEGF-Inhibitoren als primäre Therapeutika (17).
Als zugelassene Medikamente stehen in Deutschland bereits seit längerem Ranibizumab (Lucentis®, Genentech; Novartis) und Aflibercept (Eylea®, Regeneron; Bayer AG) zur Verfügung. Der neue VEGF-Inhibitor Brolucizumab (Beovu®, Novartis) hat im Februar 2020 die europäische Zulassung zur Therapie der nvAMD erhalten. Der Wirkstoff Bevacizumab (Avastin®, Genentech; Roche) wird weiterhin in vielen Ländern off-label für die Therapie der nvAMD eingesetzt. Der lange erhältliche anti-VEGF-Wirkstoff Pegaptanib (Macugen®, Eyetech) wurde inzwischen von den genannten Therapeutika abgelöst, da er durch die Inhibition von VEGF-A165 zwar den Visus stabilisiert bzw. die Progression der nvAMD verlangsamt, jedoch nicht verbessert und damit unterlegen ist (5, 12). In China wird zudem Conbercept eingesetzt (Chengdu KangHong Biotech), für das gegenwärtig Zulassungsstudien auch außerhalb Chinas laufen (16).
Ranibizumab: Bei Ranibizumab handelt es sich um ein humanisiertes, monoklonales Antikörperfragment (48 kDa) gegen alle Isoformen von VEGF-A (5, 15). Es war der erste zugelassene Wirkstoff, der den Visus bei nvAMD verbesserte. Die FDA-Erstzulassung wurde 2006 auf Basis zweier Studien erteilt. Die ANCHOR-Studie (n = 423) hat Ranibizumab (0,5 mg bzw. 0,3 mg) plus Plazebo-PDT mit PDT plus Plazebo-Injektion bei Patienten mit überwiegend klassischer CNV in monatlichen Dosierungsintervallen verglichen. Der Ein-Jahres-Endpunkt von ≥ 15 Buchstaben Visusverbesserung wurde bei 40,3% bzw. 35,7% der Teilnehmer in den Therapiearmen (0,5 mg bzw. 0,3 mg), jedoch nur bei 5,6% im Kontrollarm erreicht. Die MARINA-Studie (n = 716) hat Ranibizumab mit Plazebo bei Patienten mit minimal klassischer oder okkulter CNV verglichen. Dabei verloren 94,5% bzw. 94,6% in den Behandlungsgruppen < 15 Buchstaben, gegenüber 62,2% in der Plazebogruppe. Im Mittel gewannen die Teilnehmer der Ranibizumab-Arme 6,5 (0,3 mg) bzw. 7,2 Buchstaben (0,5 mg) hinzu; die Teilnehmer des Plazeboarms verloren dagegen im Mittel 10,4 Buchstaben (13, 14, 18).
Ergänzende Studien wurden durchgeführt, um die Wirksamkeit weniger intensiver Therapieschemata zu prüfen. In der PIER-Studie (n = 184) etwa wurde ein vierteljährliches Injektionsregime nach initialer Aufsättigung (3 monatliche Injektionen zu Beginn) über 12 Monate mit dem dauerhaft monatlichen Schema verglichen. Nach initialem Visusgewinn zeigte sich hier über 12 Monate ein Verlust von 1,6 (0,3 mg) bzw. 0,2 Buchstaben (0,5 mg) gegenüber dem Verlust von 16,3 Buchstaben im Plazebo-Arm (18).
Das bedarfsgerechte Therapieschema „Pro re nata“ (= PRN; „nach Lage der Dinge“) wurde mit Ranibizumab in der offenen PRONTO-Studie (n = 40) prospektiv geprüft. Nach drei initialen Injektionen wurde bei monatlichen Visiten anhand der OCT-Bildgebung die Aktivität der Erkrankung beurteilt und Ranibizumab dann bedarfsweise injiziert. Im Durchschnitt gewannen die Teilnehmer mit 5,6 Injektionen im ersten Jahr 9,3 Buchstaben hinzu. Die Ergebnisse der weiteren Prüfungen dieses Regimes in den SAILOR- und SUSTAIN-Studien waren weniger günstig (2,3 bzw. 3,6 Buchstaben Gewinn nach einem Jahr). Das „Treat and Extend“-Schema (T&E) mit einer bedarfsweisen Verlängerung bzw. Verkürzung der Injektionsintervalle um 2-4 Wochen bei Inaktivität bzw. Aktivität in der OCT-Bildgebung nach drei monatlichen Injektionen wurde in mehreren Untersuchungen mit dem monatlichen Regime verglichen; es scheint hinsichtlich der Wirksamkeit ebenbürtig zu sein, wobei die Patienten aber weniger belastet werden (19, 20).
Aflibercept: Aflibercept ist ein chimäres Fusionsprotein (115 kDa) aus den Immunglobulin-Domänen von VEGFR1 und VEGFR2 mit gemeinsamem Fc-Teil und Affinität zu allen VEGF-A-Isoformen sowie zu PlGF (9, 15). Es wurde 2011 erstmals durch die FDA zugelassen auf der Grundlage der parallelen, randomisierten, multizentrischen VIEW-Studien (n = 2.457; 9, 21). Die Behandlungsarme umfassten Aflibercept in verschiedenen Dosierungen nach zwei Schemata (0,5 mg alle 4 Wochen = 0,5q4; 2,0 mg alle 4 Wochen = 2q4 und alle 8 Wochen nach initialer 4-wöchiger Aufsättigung über 12 Wochen = 2q8) im Vergleich zu Ranibizumab 0,5 mg alle 4 Wochen. Der primäre Endpunkt einer Nichtunterlegenheit gegenüber Ranibizumab in Bezug auf einen Verlust von < 15 Buchstaben nach 52 Wochen wurde erreicht (0,5q4: 96%; 2q4: 95%; 2q8: 95%; mit Ranibizumab: 94%; 21). Die Zulassung erfolgte für Injektionen von 2 mg Aflibercept alle 8 Wochen nach initialer Aufsättigung.
Brolucizumab: Anfang 2020 wurde das rekombinante, monoklonale, humanisierte Einzelketten-Fragment Brolucizumab (26 kDa) von der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassen. Es inhibiert alle Isoformen von VEGF-A und verspricht aufgrund seiner geringeren Größe besser in die Zielgewebe zu penetrieren und länger zu wirken (16). In den randomisierten, kontrollierten Studien HAWK und HARRIER (n = 1817) wurde Brolucizumab mit Aflibercept bei nvAMD verglichen (22). Die Therapieintervalle wurden für Brolucizumab auf 12 Wochen festgelegt (dauerhafte Reduktion auf 8 Wochen bei Krankheitsaktivität unter diesem Schema). Nach 48 Wochen war Brolucizumab hinsichtlich Änderungsdifferenz des Visus der Therapie mit Aflibercept nicht unterlegen (mittlerer Gewinn von 6,6 Buchstaben bzw. 6,8 Buchstaben bei 6 mg Brolucizumab bzw. 2 mg Aflibercept). Das 12-wöchige Intervall wurde in den beiden Studien bei 56% und 51% der Teilnehmer aufrechterhalten (16, 23).
Bevacizumab: Mit Bevacizumab steht auch ein rekombinanter, monoklonaler Vollantikörper gegen VEGF-A (148 kDa) off-label zur Verfügung (5, 15). Einen Wirkungsnachweis lieferte die bereits aufgeführte ABC-Studie (n = 131), die 1,25 mg Bevacizumab (Aufsättigung mit 3 Injektionen im 6-wöchigen Abstand, nachfolgend Therapie nach PRN-Schema) gegenüber dem damaligen Behandlungsstandard untersuchte (24).
Aufgrund der lange bestehenden Kontroverse des Nutzens von off-label Bevacizumab gegenüber dem bei nvAMD zugelassenen, aber sehr teuren Ranibizumab (vgl. 31) wurde vom US-amerikanischen National Eye Institute die CATT-Studie (n = 1.208) finanziert, welche in 4 Armen Bevacizumab und Ranibizumab, jeweils bei 4-wöchiger Gabe nach PRN-Schema, miteinander verglich. Nach 12 Monaten war die Therapie mit Bevacizumab im primären Endpunkt (mittlere Veränderung der Sehschärfe) Ranibizumab nicht unterlegen: 8,0 bzw. 8,5 sowie 5,9 bzw. 6,8 Buchstaben Gewinn unter Therapie mit Bevacizumab bzw. Ranibizumab, jeweils monatlich sowie nach PRN-Schema injiziert (25). Ähnliche Ergebnisse hatte auch die IVAN-Studie (n = 628; 18). In einer systematischen Literaturübersicht nach den Standards des internationalen Forschungsnetzwerks Cochrane wurden die Behandlungsergebnisse von Bevacizumab und Ranibizumab miteinander verglichen (10 Studien; n = 3.657). Nach 2 Jahren war kein signifikanter Unterschied, bezogen auf die funktionellen Ergebnisse, festzustellen. Morphologisch zeigte sich bei Ranibizumab kumulativ eine signifikant stärkere Reduktion der zentralen Netzhautdicke (mittlere Differenz -11,61 µm; 95%-Konfidenzintervall: -21,55 bis -1,66), die jedoch als klinisch nicht relevant eingestuft wurde (18).
Behandlungsergebnisse im Alltag: Sie können ein besseres Verständnis von Erkrankungen und eine bessere Beurteilung der Wirksamkeit von Therapien ermöglichen als Zulassungsstudien. Zwar haben sich grundsätzlich die Hoffnungen, die in die VEGF-Inhibitoren gesetzt wurden, auch außerhalb randomisierter, kontrollierter Studien bestätigt (9, 20). Doch zeigte sich bald eine Diskrepanz zwischen den real erreichten Verbesserungen des Visus und den publizierten Studienergebnissen. Die WAVE-Studie war eine nicht interventionelle Kohortenstudie in Deutschland, in der über 12 Monate die Therapie mit Ranibizumab nach PRN-Schema bei 3.470 Patienten verfolgt wurde. Im Durchschnitt wurden innerhalb dieser Zeit mit 4,3 Injektionen auffällig weniger Injektionen gegeben als in den klinischen Studien (26). Diese Unterversorgung zeigte sich auch in weiteren Daten zahlreicher internationaler Arbeitsgruppen, insbesondere zu Beginn der VEGF-Ära, sodass seither vielfältige Bemühungen unternommen wurden, die Behandlungsergebnisse zu verbessern (9, 27). Daten zur langzeitigen anti-VEGF-Therapie bei nvAMD unter Alltagsbedingungen deuten nun darauf hin, dass diese Maßnahmen erfolgreich waren und die Häufigkeit von Komplikationen reduziert wurde. In einer Auswertung von Registerdaten (n = 1.212) konnte das initiale Sehvermögen behandelter Patienten mit nvAMD über durchschnittlich 6 Jahre erhalten werden (28).
Nebenwirkungen: Bei der intravitrealen Anwendung von VEGF-Inhibitoren waren systemische Nebenwirkungen in verschiedenen Untersuchungen eher gering und selten. Obschon Blutdruckanstieg, thromboembolische Ereignisse und gastrointestinale Perforation möglich sind, sind sie in der Praxis sehr selten (15, 29). Mit einem kumulierten Relativen Risiko von 1,9 (95%-Konfidenzintervall: 1,05-2,55) scheinen extraokuläre Hämorrhagien eine gewisse Relevanz zu haben (18).
Von den möglichen okulären Komplikationen ist die bakterielle Endophthalmitis als potenziell organbedrohende Komplikation gravierend. Verschiedene Ausbrüche, beispielsweise einer in Florida, bei dem Hygienemängel in einer lokalen Apotheke während der Zubereitung der Spritzen mit Bevacizumab als Ursache identifiziert wurden, zeigen, wie wichtig Asepsis bei den intravitrealen Injektionen ist (30). Die Komplikation wird bei Fertigspritzen als seltener beschrieben und auf 0,019-1,6% aller Injektionen geschätzt. Auch kann ein intraokulärer Druckanstieg durch die Injektion ein Glaukom induzieren oder es verschlechtern und medizinische Maßnahmen nach sich ziehen. Selten wurden auch rissbedingte Netzhautablösungen nach der Injektion beschrieben. Eine häufige und im Regelfall harmlose Komplikation ist ein subkonjunktivales Hämatom an der Einstichstelle (29).
Entsprechend der aktuellen Stellungnahme der deutschen ophthalmologischen Fachgesellschaften muss nach den Injektionen eine Kontrolluntersuchung, insbesondere hinsichtlich möglicher Entzündungszeichen, erfolgen. Sie kann neben Aufklärung und Sensibilisierung der Patienten maßgeblich zur Früherkennung möglicherweise folgenschwerer Komplikationen beitragen (17).
Behandlungskosten: In einer niederländischen Studie aus dem Jahr 2018 wurden die gesamten Behandlungskosten von Bevacizumab, Ranibizumab und Aflibercept miteinander verglichen (32). Die mittleren Kosten einer Behandlung betrugen im ersten Jahr mit
- Ranibizumab: 33.137 € (95%-Konfidenzintervall = CI: 28.883-37.926 €),
- Aflibercept: 31.119 € (CI: 26.979-35.766 €) und
- Bevacizumab: 27.087 Euro (CI: 22.818-31.789 €).
Die Kosteneffizienz von Bevacizumab war die höchste.
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