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Muskelrelaxanzien bei Kreuzschmerzen nicht empfohlen

Zur Therapie von unspezifischem Kreuzschmerz, bei dem es also keinen Hinweis auf eine spezifisch zu behandelnde, somatisch-pathologische Ursache gibt, wird in erster Linie Bewegung empfohlen (1, vgl. 2). Unterstützend können vorübergehend Arzneimittel eingesetzt werden, vorrangig nicht steroidale Antirheumatika (NSAID) wie Diclofenac, Ibuprofen und Naproxen – in der niedrigsten wirksamen Dosierung und so kurz wie möglich.

Zum Einsatz von Muskelrelaxanzien gibt es in internationalen Leitlinien unterschiedliche Empfehlungen: Während beispielsweise eine US-amerikanische Leitlinie den Einsatz empfiehlt, wird in der deutschen Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) hiervon abgeraten (1, 3). Die Evidenz zu Muskelrelaxanzien bei Kreuzschmerz wurde letztmals im Jahr 2017 in einer Übersichtsarbeit ausgewertet (4). Auf der Basis von 5 Studien ergab diese Untersuchung, dass Muskelrelaxanzien zu einer klinisch signifikanten Besserung des akuten, unspezifischen Kreuzschmerzes führen. Da seitdem mehrere größere Studien zum Thema veröffentlicht wurden, erstellten Wissenschaftler von verschiedenen Universitäten in Australien nun eine Übersichtsarbeit und Metaanalyse von randomisierten, kontrollierten Studien (RCT), in die auch nicht veröffentlichte Untersuchungen aus Studienregistern eingeschlossen wurden (5). Die Wissenschaftler erhielten für diese Arbeit keine spezielle finanzielle Förderung.

Eingeschlossen wurden 49 RCT, in denen die Wirksamkeit, Akzeptanz und Sicherheit von Muskelrelaxanzien bei Erwachsenen mit unspezifischem Kreuzschmerz verglichen wurde mit Plazebo, üblicher Therapie oder keiner Behandlung. Es konnten 31 RCT mit insgesamt 6.505 Teilnehmern quantitativ ausgewertet werden. Die Qualität der Evidenz wurde nach der GRADE-Methodik bewertet. Berücksichtigt wurden Veröffentlichungen bis Februar 2021. Primäre Endpunkte waren die Schmerzintensität, gemessen auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten, und die Akzeptanz der Behandlung, die über die Zahl der Patienten bestimmt wurde, die die Therapie abbrachen. Zu den sekundären Endpunkten gehörten der Grad der Behinderung und unerwünschte Ereignisse.

In den eingeschlossenen Studien wurden 18 verschiedene Muskelrelaxanzien untersucht, meist nicht-benzodiazepinhaltige Muskelrelaxanzien (n = 29 Studien), darunter Tizanidin, Methocarbamol, Orphenadrin und das von der Europäischen Arzneimittel-Agentur nicht mehr zugelassene Carisoprodol, außerdem Spasmolytika wie Baclofen und Dantrolen (n = 5), das Benzodiazepin Diazepam (n = 4) und weitere, wie Botulinumtoxin und Eszopiclon (n = 11). In den meisten Studien wurde akuter Kreuzschmerz untersucht (n = 35), in anderen subakuter (n = 2), chronischer (n = 8) und sowohl akuter als auch subakuter Kreuzschmerz (n = 2); in zwei Studien fehlten Angaben zur Schmerzdauer. Die Qualität der Evidenz aus den eingeschlossenen Studien wurde überwiegend als niedrig bewertet, beispielsweise wegen eines hohen Risikos für Verzerrungen („bias“).

Die Analyse von 16 Studien mit 4.546 Teilnehmern zeigte, dass nicht-benzodiazepinhaltige Muskelrelaxanzien bei akutem Kreuzschmerz nach einer Einnahme über höchstens 2 Wochen im Vergleich zu den Kontrollbehandlungen mit einer Verringerung der Schmerzintensität assoziiert waren; allerdings lag der Unterschied von durchschnittlich 7,7 Punkten (95%-Konfidenzintervall = CI: -12,1 bis -3,3) auf der 100-Punkte-Skala unterhalb der Schwelle für eine klinische Relevanz, die bei 10 Punkten festgelegt wird. Ein Unterschied hinsichtlich der Therapieakzeptanz ergab sich nicht, ebenso wenig wie eine Reduktion von Behinderung. Außerdem wiesen die Ergebnisse darauf hin, dass nicht-benzodiazepinhaltige Muskelrelaxanzien das Risiko für unerwünschte Ereignisse erhöhen können (Relatives Risiko: 1,6; CI: 1,2-2,0). Die Risiken werden in dieser Untersuchung aber nicht genauer benannt. In der NVL werden einige Nebenwirkungen von Muskelrelaxanzien aufgeführt, darunter gastrointestinale (u.a. Beeinträchtigung der Leberfunktion), zentralnervöse Beschwerden (Benommenheit, Sedierung, Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit, Erhöhung des Sturzrisikos), sowie allergische Reaktionen (1). Insbesondere bei Benzodiazepinen besteht außerdem die Gefahr der Abhängigkeit.

Eine Analyse der Daten ohne Berücksichtigung der Studien mit Carisoprodol führte zu ähnlichen Ergebnissen. Für die anderen Indikationen (subakuter und chronischer Kreuzschmerz) und Arzneimittelgruppen (Spasmolytika, Benzodiazepine, sonstige) sowie eine längere Anwendungsdauer (> 2 Wochen) lagen nur jeweils 1-2 Studien mit wenigen Teilnehmern vor, so dass zuverlässige Aussagen nicht möglich sind.

Die Aussagekraft dieser Analyse ist u.a. dadurch eingeschränkt, dass Studien eingeschlossen wurden, in denen die Teilnehmer zusätzlich Analgetika einnehmen durften.

Fazit: Eine systematische Übersichtsarbeit mit Metaanalyse zum unspezifischen Kreuzschmerz zeigt, dass die Einnahme von Muskelrelaxanzien, die keine Benzodiazepine enthalten, die Beschwerden nicht relevant bessert, jedoch das Risiko für unerwünschte Ereignisse erhöhen kann. Wir schließen uns daher der Empfehlung der deutschen Nationalen VersorgungsLeitlinie an, in der auch aufgrund der möglichen Nebenwirkungen der Muskelrelaxanzien von der Anwendung bei unspezifischem Kreuzschmerz abgeraten wird (1).

Literatur

  1. https://www.leitlinien.de/themen/kreuzschmerz Link zur Quelle
  2. AMB 2017, 51, 28. Link zur Quelle
  3. Qaseem, A., et al.: Ann. Intern. Med. 2017, April 4. Link zur Quelle
  4. Abdel Shaheed, C., et al.: Eur. J. Pain 2017, 21, 228. Link zur Quelle
  5. Cashin, A.G., et al.: BMJ 2021, 374, n1446. Link zur Quelle