Haben gegen SARS-CoV-2 geimpfte Personen nicht nur ein geringeres Risiko, an COVID-19 zu sterben, sondern möglicherweise auch eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass sie in den Monaten nach der Impfung an anderen Ursachen sterben? Diese Assoziation geht aus einer Untersuchung hervor, die aktuell im „Morbidity and Mortality Weekly Report“ der „Centers for Disease Control and Prevention“ (CDC) veröffentlicht (1) und vor allem in den USA auch in Laienmedien verbreitet wurde (2). Die Analyse erfolgte über das „Vaccine Safety Datalink“ (VSD), eine bereits seit 1990 zum Zweck der Impfstoff-Pharmakovigilanz bestehende Kooperation von CDC-Forschern und derzeit neun privaten Gesundheitsorganisationen, von denen sich sieben an der vorliegenden Studie beteiligt haben. Das VSD überwacht im Auftrag von CDC und FDA auch die drei in den USA derzeit unter einer Notfall-Zulassung (und in der EU unter einer „bedingten Zulassung“, „Conditional Marketing Authorization = CMA) vermarkteten SARS-CoV-2-Impfstoffe (Pfizer-BioNTech: BNT162b2 = Comirnaty®; Moderna: mRNA-1273 = Spikevax®; Johnson & Johnson: Ad.26.COV2.S = COVID-19 Vaccine Janssen®).
Die Forschergruppe untersuchte in einer Kohortenstudie 11 Mio. Personen im Alter von > 12 Jahren, von denen 6,4 Mio. zumindest einmal gegen SARS-CoV-2 geimpft waren, sowie 4,6 Mio. Personen, die keine Impfung erhalten hatten. In die Gruppe der Nicht-Geimpften wurden nur Personen eingeschlossen, die in den vergangenen 2 Jahren zumindest eine Influenza-Impfung erhalten hatten. Damit sollte gewährleistet werden, dass es sich um Personen handelt, die grundsätzlich aktiv einen Zugang zum Gesundheitssystem suchen. Es wurden standardisierte Mortalitätsraten erhoben („Todesfälle pro 100 Personenjahre“), wobei die Zeiträume vor der Impfung in der Gruppe der gegen SARS-CoV-2 Geimpften ebenfalls der „nicht-geimpften-Personen-Zeit“ zugerechnet wurden. Zwischen Dezember 2020 und Juli 2021 wurde die nicht mit COVID-19-assoziierte Mortalität erhoben – definiert als Todesfälle, die nicht innerhalb von 30 Tagen nach der Diagnose COVID-19 oder einem positiven SARS-CoV-2-Test (PCR oder Antigen-Schnelltest) eintraten. Diese nicht-COVID-19-assoziierte Mortalität war bei SARS-CoV-2-Geimpften signifikant niedriger – auch nach statistischer Anpassung an Alter, Geschlecht sowie ethnischer und geographischer Zugehörigkeit (s. Tab. 1).
Die Studie hat jedoch eingeschränkte Aussagekraft aufgrund folgender Mängel:
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Es erfolgte keine Adjustierung nach Gesundheitszustand, Komorbiditäten oder sozioökonomischem Status. Da Personen, die sich impfen lassen, mit einiger Wahrscheinlichkeit eine höhere Bereitschaft zur Gesundheitsvorsorge und damit weniger Komorbiditäten haben als Nicht-Geimpfte, könnte dies – trotz der oben genannten Maßnahmen zur Minimierung von Verzerrungen – die Ergebnisse dieser Beobachtungsstudie beeinflusst haben und somit ein wesentlicher Störfaktor für die Interpretation der Daten sein („healthy user effect“ bzw. hier: „healthy vaccinee effect“). Dafür spricht auch die deutliche Altersabhängigkeit des Effekts (s. Tab. 1). Dieser mögliche Bias muss in weiteren Studien geklärt werden.
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Bei den nicht mit COVID-19 assoziierten Todesfällen wurde nicht nach Ursachen differenziert. So sind z.B. keine Aussagen zum Anteil der kardiovaskulären Mortalität möglich, die ja bekanntlich durch andere Impfungen gegen respiratorische Infekte positiv beeinflusst wird (3).
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Aufgrund des Studiendesigns ist nicht auszuschließen, dass einzelne Todesfälle durch COVID-19 als nicht-COVID-19-assoziiert fehlklassifiziert wurden.
Die Autoren betonen, dass ihre Studienergebnisse keine Signale für eine erhöhte Mortalität nach der Impfung gegen SARS-CoV-2 zeigen und somit die wachsende Evidenz bestätigen, dass die Impfungen – neben ihrer Wirksamkeit hinsichtlich der Prävention schwerer und tödlicher COVID-19-Verläufe – auch ein günstiges Sicherheitsprofil haben.
Fazit: Die Auswertung US-amerikanischer Pharmakovigilanz-Daten aus einer großen Kohorten-Beobachtungsstudie zeigt eine Assoziation zwischen Impfungen gegen SARS-CoV-2 und einer signifikant niedrigeren Nicht-COVID-19-Mortalität im Verlauf von 7 Monaten. Ob diese Impfungen jedoch – so wie es auch für Impfungen gegen Influenza der Fall sein dürfte – indirekt günstige Effekte auf den Verlauf anderer, beispielsweise kardiovaskulärer Krankheiten hat, kann aus den Ergebnissen nicht verlässlich abgeleitet werden. Es fehlt eine statistische Adjustierung an Begleiterkrankungen und andere wichtige Faktoren.
Literatur
- Xu, S., et al.: MMWR Morb. Mortal. Wkly. Rep. 2021, 70, 1520. Link zur Quelle
- https://edition.cnn.com/2021/10/22/health/ covid-vaccines-death-rates/index.html Link zur Quelle
- AMB 2021, 55, 88DB01 Link zur Quelle . AMB 2014, 48, 06. Link zur Quelle