Der Ersatz des Hüftgelenks ist die häufigste orthopädische Gelenkersatzoperation in Europa. In Großbritannien wurden im Jahr 2019 > 100.000 (224 pro 100.000 Einwohner) solcher Operationen durchgeführt ([1], [2]). Bei vielen Menschen wird durch den Hüftgelenkersatz die Mobilität und die Lebensqualität verbessert. Nicht wenige Patienten können 25 Jahre mit einem neuen Hüftgelenk problemlos leben [3], jedoch kommt es selten zu schwerwiegenden Gelenkinfektionen mit erheblicher Morbidität und manchmal auch zu einem letalen Ausgang ([4], [5]). Je nach Qualität des Zentrums kommt es in 0,8 bis 2,1% innerhalb von 2 Jahren nach Hüftgelenkersatz zu Infektionen ([6], [7], [8], [9]). Diese erfordern meist eine chirurgische Revision ([10], [11], [12]). Die Behandlung sollte interdisziplinär unter Beteiligung eines internistischen Infektiologen erfolgen. Nicht selten ist der Verlauf komplex und frustrierend für Ärzte und Patienten. Die Kosten für die Behandlung einer infizierten Hüftgelenkprothese in den USA wurden auf ca. 390.000 $ geschätzt [13].
Die meisten infizierten Hüftgelenkprothesen erfordern die Entfernung der Prothese, die Revision des umgebenden Gewebes und eine längere gezielte antibiotische Therapie. In Deutschland und anderen europäischen Ländern wurde in den letzten Jahren in dieser Situation ein zweizeitiges Vorgehen favorisiert: Entfernung der Prothese und nach Wochen bis Monaten ein erneuter Gelenkersatz. In diesem Zeitraum ist die Lebensqualität und Mobilität der Patienten stark eingeschränkt [4]. Dieses zweizeitige Vorgehen beruht im Wesentlichen auf Expertenmeinungen [14]. Einige Operateure sind von diesem Vorgehen abgewichen und haben sofort eine neue Prothese implantiert ([15], [16]). Daten aus Beobachtungsstudien zeigten keinen Unterschied in der Häufigkeit von Re-Infektionen zwischen beiden Verfahren ([17], [18]). Nun wurden die beiden Verfahren in mehreren Zentren im Vereinigten Königsreich (UK) und Schweden prospektiv, randomisiert und pragmatisch analysiert [19].
Methodik: In der Zeit von März 2015 bis Mitte Dezember 2018 wurden in 12 orthopädischen Zentren im UK und 3 in Schweden 140 Patienten (≥ 18 Jahre), die wegen einer Infektion der Hüftgelenkprothese operiert werden mussten, 1:1 hinsichtlich einzeitigem oder zweizeitigem Vorgehen randomisiert. Der primäre Endpunkt der Studie waren die funktionellen Einschränkungen nach 18 Monaten. Diese wurde anhand des Western Ontario und McMasters Universities Osteoarthritis Index (WOMAC) erhoben [20]. Sekundäre Endpunkte waren Infektionsaktivität und Kosten (diese wurden nur in UK erhoben). Die Studie wurde mit öffentlichen Geldern finanziert.
Ergebnisse: Insgesamt wurden in den 15 Zentren 1.446 Patienten evaluiert; die meisten hatten keine Protheseninfektion. Die Kriterien „Infektion der Hüftgelenkprothese und Indikation zum chirurgischen Hüftgelenkersatz“ erfüllten 140 Patienten. In den Arm mit einzeitiger Operation wurden 65 und in den mit zweizeitiger Operation 75 randomisiert. Der häufigste Grund für eine Nicht-Randomisierung bei Patienten mit Protheseninfektion war, dass sie selbst eine einzeitige Operation wünschten (n = 46) oder dem Chirurgen die Wahl überließen (n = 20). Nach 18 Monaten hatten 126 (90%) der 140 Patienten alle Kriterien zur Auswertung des primären Endpunkts erreicht. Bei 133 (95%) war mindestens ein postoperativer WOMAC-Score verfügbar. Die Ausgangscharakteristika waren in beiden Gruppen ausgeglichen. Das mediane Alter betrug 71 Jahre; 51 (36%) waren Frauen. In der Gruppe mit einzeitiger Operation erhielten 55 (85%) der 65 randomisierten Patienten die geplante Intervention. Acht Patienten aus dieser Gruppe erhielten doch eine zweizeitige Intervention infolge intraoperativer Entscheidung des Chirurgen. Vier Patienten traten im Verlauf von der Studie zurück und 2 starben. In der Gruppe, die in den Arm mit zweizeitiger Operation randomisiert wurde, erhielten 68 (91%) der 75 randomisierten Patienten die geplante Intervention. Fünf wurden einzeitig operiert infolge der Entscheidung des Chirurgen, 3 traten im Verlauf zurück und 5 starben. Die Zeit zwischen der Entfernung und dem erneutem Gelenkersatz betrug im Median 3,7 Monate (2,6-6,1 Monate). Beim primären Endpunkt gab es keinerlei Hinweise für einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen. Der mediane WOMAC-Score war 75,21 (95%-Konfidenzintervall = CI: 66,47-83,96) und die mediane Differenz zwischen den Gruppen 0,13 (-8,20 bis 8,46; p = 0,98). Weitere Analysemethoden mit dem Ziel, fehlende Ausgangsdaten zu kompensieren, ergaben ebenfalls keinen Vorteil für eine der beiden Vorgehensweisen. Erwartungsgemäß ergab die Auswertung nach 3 Monaten bessere Ergebnisse für das einzeitige Verfahren (mediane Differenz: 11,53; p = 0,003). Operative Komplikationen waren beim einzeitigen Verfahren nicht so häufig: 27 (42%) von 65 versus 43 (57%) von 75 (p = 0,04). Auch bei den intraoperativen Ereignissen war das einzeitige Vorgehen besser: 5 (8%) versus 20 (27%); p = 0,01. Die intraoperativen Ereignisse bzw. Komplikationen waren hauptsächlich Frakturen des Femurschafts im Verlauf der Operation. Das Risiko für eine Wiederaufnahme ins Krankenhaus wegen Infektion und Re-Intervention war 17% in der einzeitigen Gruppe und 21% in der zweizeitigen Gruppe. Das einzeitige Vorgehen ist insgesamt auch kostengünstiger (ca. 13.000 € pro Patient günstiger).