Die deutsche Bundesärztekammer (BÄK) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) werden das 1995 gemeinsam gegründete „Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin“ (ÄZQ) bis zum Jahresende aufgeben [1]. Es wurde bereits allen 16 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bis zum Jahresende 2024 gekündigt [2]. Der Vorgang sorgt innerhalb der Ärzteschaft und darüber hinaus für großen Unmut und Argwohn.
Die Hintergründe für die Entscheidung sind wohl Finanzierungs- und Haftungsvorbehalte. Bei einer Aussprache auf dem Deutschen Ärztetag am 9.5.2024 erklärte der Vorstand der BÄK, dass diese Causa seit 2019 immer wieder auf Vorstandsebene diskutiert wurde und kein „Schnellschuss“ sei. Die KBV habe vor einigen Monaten beschlossen, aus „rechtlichen und organisatorischen Gründen“ aus der gemeinsamen Betreibergesellschaft auszutreten [1]. Nach 3 Jahrzehnten Arbeit hat man nun dort entdeckt, dass die Mitarbeit und Finanzierung des ÄZQ nicht von den Statuten der KBV gedeckt wird.
Das ÄZQ wurde 1995 von der BÄK und KBV als gemeinsame Einrichtung gegründet, und seit 1997 ist es eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Zu seinen Aufgaben zählen u.a. die Entwicklung von Nationalen Versorgungsleitlinien (NVL), die transparente und allgemeinverständliche Kommunikation von ärztlichen Handlungsempfehlungen für die Allgemeinbevölkerung und die Bearbeitung von Fragen zur Patientensicherheit, darunter auch die organisatorische Durchführung von CIRSmedical.de [3].
Von großer Bedeutung für den ärztlichen Alltag sind die in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erstellten NVL. Bislang wurden 8 NVL erstellt, u.a. zu den Themen Chronisch obstruktive Lungenerkrankung, Diabetes mellitus oder Kreuzschmerz. Es handelt sich dabei um sehr hochwertige S3-Leitlinien, die multidisziplinär erstellt werden und sich durch eine hohe Methodenkompetenz und Unabhängigkeit auszeichnen. Sie können im deutschsprachigen Raum als „Leuchtturm-Leitlinien“ bezeichnet werden [4].
Die Aktualisierung der vorhandenen und das Erstellen neuer NVL erfordert Expertise, Zeit und Geld. Das Jahresbudget des ÄZQ betrage derzeit 2 Mio. € jährlich und werde zu gleichen Teilen von BÄK und KBV aufgebracht. Um das ÄZQ seriös weiter zu betreiben seien mindestens 3 Mio. € erforderlich, die die BÄK nach Rückzug der KBV alleine nicht aufbringen könne. Das führte das Vorstandsmitglied Günther Matheis auf dem Deutschen Ärztetag aus. Die BÄK sehe die Erstellung von NVL aberweiterhin als eine Kernaufgabe an. Die Delegierten des Bundesärztetages gaben ihrem Vorstand mit großer Mehrheit den Auftrag, für das ÄZQ und seine Mitarbeitern zeitnah eine Lösung zu finden.
Der wissenschaftliche Beirat und viele beteiligte Expertinnen und Experten in den Gremien des ÄZQ zeigten sich von dieser Entwicklung völlig überrascht. Sie kritisieren, dass sie nicht konsultiert wurden und verurteilen scharf, wie mit langjährigen, hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgegangen wird. Delegierte des Ärztetages warfen den Vorständen von KBV und BÄK ein strategisches Versagen vor und eine „unglückliche Kommunikation“.
Der langjährige Vorstand des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands Bernd Bertram forderte, dass die Ärzteschaft die Finanzierung von NVL unbedingt geregelt bekommen und dabei die Industrie und die Kostenträger heraushalten muss. Dieser Forderung schließen wir uns an. Das Gesundheitswesen benötigt NVL und unabhängige Patienteninformationen sowie ein sichtbares Engagement der Ärzteschaft im Bereich Patientensicherheit. Die BÄK ist daher gefordert, rasch eine neue Organisation für die Agenden des ÄZQ zu schaffen und diese vor politischer und kommerzieller Einflussnahme zu bewahren. Das zählt zu ihren Kernaufgaben [5], [6].