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Entzündliches Immunrekonstitutions-Syndrom beim M. Whipple

M. Whipple ist eine seltene multisystemische Infektionskrankheit, die meist mit chronischer Diarrhö, Gelenkbeschwerden und manchmal auch mit neurologischen Symptomen klinisch manifest wird. Männer sind häufiger als Frauen betroffen. Das Manifestationsalter liegt meist zwischen 40 und 55 Jahren (1). Unbehandelt sterben die Patienten. Eine antibiotische Therapie ist meist erfolgreich (2, 3). Bei einigen dieser Patienten tritt jedoch nach zunächst erfolgreicher antibiotischer Behandlung mit Besserung der Symptome wieder eine Verschlechterung auf. Dies wurde früher als Resistenzentwicklung des Erregers (Tropheryma whipplei) gedeutet. Es gab aber auch die Vermutung, dass es sich dabei um eine nicht-bakterielle, immunologisch verursachte Entzündung handelt. In einer aktuellen Studie wird dieser Frage erstmals in einer für diese seltene Erkrankung relativ großen Kohorte systematisch nachgegangen (4).

Von 187 Patienten mit gesichertem M. Whipple konnten in dieser Beobachtungsstudie 142 nach Beginn der Therapie weiter verfolgt werden. Davon waren 80 Patienten in einer randomisierten prospektiven Therapiestudie. Das entzündliche Immunrekonstitutions-Syndrom (Immune Reconstitution Inflammatory Syndrome = IRIS) beim M. Whipple wurde folgendermaßen definiert: 1. klinisches Ansprechen nach Beginn der antibiotischen Therapie, 2. Wiederauftreten klinischer Symptome länger als eine Woche mit systemischer oder lokaler Entzündung (Ausschluss anderer Infektionen, allergischer Reaktionen u.a.), 3. effektive Therapie des M. Whipple überpüft durch Histologie oder PCR aus dem betroffenen Gewebe.

Von den 142 Patienten entwickelten 15 ein IRIS (= 10,56%; CI: 6,03-16,82%). Die meisten dieser Patienten hatten Fieber und Arthritis (13 von 15). Vier Patienten entwickelten eine Orbitopathie, zwei eine Dünndarmperforation, zwei eine schmerzhafte Pleuritis, zwei Hautveränderungen ähnlich dem Erythema nodosum, einer eine ZNS-Beteiligung, und zwei Patienten starben sogar im Rahmen des IRIS. Die Schwere der Symptome reichte von milde bis lebensbedrohlich. Als Risikofaktor für das Auftreten des IRIS wurde eine vorausgegangene, meist jahrelange immunsuppressive Therapie identifiziert, die unter der Fehldiagnose einer rheumatischen Erkrankung erfolgt war (12 von 15 Patienten). Unter Kortikosteroid-Therapie besserte sich das IRIS rasch.

Das IRIS ist eine neue Erkrankung, die erstmals nach Einführung der antiretroviralen Therapie bei Patienten mit HIV-Infektion beobachtet wurde (Übersicht bei 5). Die Pathogenese ist nur teilweise geklärt. Es wird angenommen, dass durch die Wiederherstellung des Immunsystems, z.B. durch die Behandlung einer HIV-Infektion oder wie hier durch plötzliches Weglassen einer langjährigen Immunsuppression, Immunzellen in das Gebiet der vorausgegangenen Infektion einströmen und dadurch eine Erkrankung auslösen, die wie ein Rezidiv der ursprünglichen Infektion aussieht. Eine eskalierende antiinfektive Therapie bringt klinisch keinen Vorteil. Nach Ausschluss anderer Ursachen sollte in diesen Situationen die Diagnose IRIS erwogen werden.

Fazit: Bei Patienten mit M. Whipple kann es nach Beginn der antibiotischen Therapie zu einem entzündlichen Immunrekonstitutions-Syndrom (IRIS) kommen. Dies ist besonders bei solchen Patienten möglich, die unter der Fehldiagnose einer seronegativen Arthritis zuvor immunsuppressiv behandelt worden sind. Das IRIS sollte früh diagnostiziert werden, da Kortikosteroide einen günstigen Effekt zu haben scheinen. Prospektive Studien wären nötig, sind aber wegen der Seltenheit des M. Whipple und des IRIS nicht realistisch.

Literatur

  1. Schneider, T., et al.:Lancet Infect. Dis. 2008, 8, 179. Link zur Quelle
  2. Feurle, G.E., et al.: Gastroenterology 2010, 138, 478. Link zur Quelle
  3. AMB 2010, 44, 12b. Link zur Quelle
  4. Feurle, G.E., et al.: Ann.Intern. Med. 2010, 153, 710. Link zur Quelle
  5. Müller, M., et al.: LancetInfect. Dis. 2010, 10, 251. Link zur Quelle